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16 Stahl und Eisen. Ersparnisse in der Bewegung der Rohstoffe für die EisendarsteUwig. 1. Januar 1900. Geleisenetz einzufügen, gehört mitunter zu den schwierigsten Aufgaben, die neue oder gegebenen Falls auch bestehende Werke zu lösen haben. Mir ist ein Fall bekannt, in welchem ein bestehendes unmittelbar an einer der Hauptstrecken gelegenes Werk, das aus besonderen Gründen seinen vor handenen Anschlufs ändern mufs, über 2 Jahre lang sich bemüht hat, um einen neuen Anschlufsweg zu erhalten; die Kosten sind dabei annähernd auf nicht weniger als 3/4 Millionen Mark gestiegen. Dieser Fälle giebt es zahlreiche, es ist nur zu bekannt, mit welchen enormen Schwierigkeiten und geldlichen Aufwendungen neue Werke zu rechnen haben, um Anschlufs an das Eisenbahnnetz zu erhalten, während man denken sollte, dafs die Staatsbahn solchen grofsen neuen Verfrachtern nicht entgegenkommend genug sein könnte! Bei der Dichte der Geleise und der zunehmenden Bebauung ist es ferner natürlich, dafs die zur Verfügung stehenden Lagerplätze stets knapper werden. Wir sehen, wie unsere Hüttenwerke überall mit Platzraum kämpfen, während infolge des zunehmenden Bezugs ausländischer Erze, zu welchen sie wegen der theuern Fracht vom Minetterevier gezwungen sind, das Bedürfnifs nach ausreichenden Lagerplätzen, auf denen der Winterbedarf gestapelt werden könnte, mehr und mehr steigt. Dafs die Anstrengungen der Eisenbahnbehörde, welche auf Verfrühung der Herbst sendungen gerichtet gewesen sind, um die bekannten Stockungen zur Zeit der Ernte zu vermeiden, fast oder gänzlich vergeblich gewesen sind, darf wohl, abgesehen davon, dafs keine entsprechenden Frachtvortheile gewährt wurden, auf den Umstand zurückzuführen sein, dafs eben keine aus reichenden Lagerplätze vorhanden sind. Hier sollen die Wasserstrafsen ergänzend eintreten und es ist bemerkenswerth, dafs selbst Eisenbahndirector Todt, der früher als Todfeind der Wasserstrafsen galt, neuerdings in einer längeren Abhandlung für möglichste Entlastung der Eisenbahnen des Ruhrbezirks durch andere Verkehrswege eintritt und als solche die künstlichen Wasserwege bezeichnet.* Auch der Königl. Betriebsingenieur Heubach in Würzburg gelangt in einem Beitrag „Eisenbahnen und Wasser strafsen“ ** hinsichtlich der Frage, welcher der beiden Verkehrswege der vortheilhaftere ist, in folgender allgemeiner Zusammenfassung zu ähnlichem Ergebnifs: „Je enger sich die Maschen unserer Eisenbahnen und Wasserstrafsen schliefsen, je „stärker sich der Verkehr auf unseren Transportwegen entwickelt, desto näher treten „sich beide Verkehrsmittel als Mitarbeiter an gemeinsamer Aufgabe, desto mehr mufs „das Gefühl einer Gegnerschaft zwischen beiden schwinden.“ Wenn irgendwo, so sind diese Leitsätze für den Rhein-Dortmund-Kanal zutreffend. Wie sieht es nun mit der Ausführung dieser Wasserstrafse aus? Wir sehen das wunderbare Schauspiel, dafs dieselben Wasserstrafsen, welche ebenso sehr die Vertreter von. mächtigen Industrien, deren technische Einrichtungen anerkanntermafsen zu den vollendetsten ihrer Art gehören, wie die zuständigen Eisenbahnbehörden als durch die Er höhung des allgemeinen Verkehrsbedürfnisses geboten erklären, von nichts weniger als sach verständigen Vertretern mächtiger politischer Parteien als veraltete Verkehrsmittel bezeichnet werden, und dafs die unter Aufwendung unendlicher Mühe ausgearbeitete Vorlage abgelehnt wird. Als Hohn mufs es dem wahren Vaterlandsfreund erscheinen, wenn Angehörige jener Parteien sich damit brüsten, für ein machtvolles Königthum, für das Wohl unseres Vaterlands einzutreten. Indem jene Parteien unserer Industrie die Lebensbedingungen nicht gewähren wollen, übersehen sie, dafs sie dadurch die Zukunft unseres ganzen Vaterlandes in Frage stellen. Die moderne Culturgeschichte lehrt, dafs die ganze Stellung eines Volks und seine Machtentfaltung in engem Zusammenhang mit der Stufe steht, auf welcher seine technische Entwicklung, seine Industrie, sein Handel sich befindet. Insbesondere innig, so lehrt uns ein Blick auf die neuere Geschichte, ist dieser Zusammenhang hinsichtlich der Eisenindustrie vorhanden, der natürlich mutatis mutandis für den mit ihr unauflöslich verbundenen Kohlenbergbau in gleicher Weise besteht. Zu Zeiten eines Hansabundes, der den hohen Begriff einer „Germania“, einer deutschen Nation in alle Länder trug, fand Eisen von Amberg seinen Absatz nicht nur in der Pfalz, sondern es ging auch nach dem Bodensee und in die Schweiz, thüringisches Eisen wurde in Leipzig und Nürnberg, Harzer Eisen in Goslar gehandelt, westfälisches Osemundeisen wurde über Köln den Rhein aufwärts bis nach Basel verführt. Eisen und Stahl des Siegerlandes wurden besonders nach Köln, Worms und Frankfurt gebracht, nach letzterer Stadt auch nassauisches Erzeugnifs. Die schlesischen Eisenwaaren gingen meist nach Breslau und von da weiter nach dem slawischen Osten. Jedenfalls herrschte zur Blüthezeit unseres Vaterlandes im Mittelalter daselbst eine weit verbreitete Eisendarstellung, die mit einem lebhaften Handel nach dem In- und Ausland verbunden war. * Zeitung des „Vereins deutscher Eisenbahnverwaltungen", Nr. 86, vom 8. November 1899. '* „ ' „ „ „ 81, „ 21. October 1899.