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Aber der Fähnrich? Meister Carol Sinwart rieb sich die Augen und wußte nicht mehr, ob er schlafe oder träume. Joachim von Eckelshöh machte einen richtigen Juchzer, daß es ordentlich schallte und daß die Pferde die Köpfe warfen. „Bravo, Meister Sinwart, bravissimo! Da hat Er den schön» Druck und Verlag von Friedrich May, G. m. b. H* verantwortlich für die Schriftleitung Max Flederer, Wohlan, Herr Postillon, kann er die Hände richtig aufhalten? Hier, die zehn Gulden — ach, fünfzehn Gulden, weil Er in den Baum gefahren ist. Er kann mit meiner Erlaubnis immer in die Bäume fahren. Aber die Zofe, — haha, hat die Zofe sich auch nicht verletzt bei dem Unfall? Nein! Dann halte Er noch einmal die Hände auf, noch fünf Gulden extra dafür, daß die Zofe— ha ha, die Zofe keinen Schaden gelitten!" ' Und der Junker sprengte vor die Kutsche und hielt vor ihr wie der Felbmarschall vor seinen Truppen, wenn sie aus siegreicher Schlacht heimkehrten: „Auf nach Dresden, meine Herren! Es lebe Seine aller gütigste, Seine allergnädigste. Seine kurfürstliche Durchlaucht Friedrich August von Sachsen!" III. Das Fest. Es war nicht lange darauf, da schritt an einem frühen Von» mittag, eingehüllt in einen braunen Mantel, der weit und bauschig um die Gestalt flatterte, ein Mann quer über den Neumarkt in Dresden. Ek war synder Eile und schien stark mit sich selbst be schäftigt. Auf dem Kopfe trug er ein samtenes Barett von eigen artigem Schnitt, wie es hierzulande nicht üblich war. Auch sonst gewann man bei seinem Anblick leicht den Eindruck von etwas Fremdartigem. Gewiß, er mochte wohl einer der neuen italieni schen Komödianten sein, vielleicht ein Goldschmied aus dem Nor den, oder ein Bilderreisender aus Antwerpen, ein Fechtmeister aus Ravenna oder nur ein gelehrter Scholar und Baumeister, den der junge Ruhm kxs Kurfürsten Friedrich August und dessen Vorliebe für die Künstler seiner Zeit nach Dresden gelockt haben möchte. Das Gesicht des Fremden war bartlos und schien noch jung, wenn auch ein paar tiefe Falten um Mund und Kinn überraschten und auf, allerhand Enttäuschungen, zumindest auf Erfahrungen im Leben schließen kaffen konnten. Auch sein Anzug war nicht gerade glänzend, doch mochte er es einmal gewesen sein. Etwas Ver nachlässigtes hing jedenfalls um den ganzen Menschen, der da quer über den Neumarkt schritt, als suche er unterwegs nach etwas, das zu finden er selber schon nicht mehr recht glaubte. Ja, wer in diesem Augenblick ihn schärfer beobachtete, dem wäre sogar aus gefallen, daß der Fremde laut vor sich hinredete. Immer mit einem Fragezeichen in der Stimme, wie einer, der weiß, daß er doch keine Antwort erhält. Der Wirt zum „Goldenen Lamm", bei dem er übernachtet und auch weiterhin auf einige Tage vorerst sein Quartier bestellt, hatte ihm am späten Abend noch Papier, Tinte und Gänsekiel besorgen müssen. Nach einem Nachtmahl hatte er nicht verlangt, wohl aber nach Wein, und zwar vom besten Muskateller, den der Wirt in seinem Keller lagerte. Hm, ein seltsamer Herr auf jeden Fall und von seltsamer Lebensart. Stand oder Beruf hatte er nicht ange geben, und sein Name war selbst für den lesekundigen Wirt nur schwer Zu entziffern gewesen, er lautete aber: Claes Gustav Horn. Dieser Wanderer, der auf seinem Wege oftmals stehen blieb, mußte wohl in Dresden völlig fremd sein. Vom Neumarkt lenkt« er seine Schritte durch die Moritzstraße und die Kreuzgasse zum Altmarkt, wo es an diesem Morgen schon einen Hellen Auflauf gab. Zimmerleute waren damit beschäftigt, mitten auf dem Marktplatz ein breites Gerüst aufzuschlagen. Burgartig streckte sich schon ein mächtiger Sockel aus, in dessen vier Ecken eben runde Holztürme errichtet wurden. Eine Reihe von Wagen, be laden mit Sand und Erde, war aufgefahren, auch warteten Gärt nerburschen bereits, deren Aufgabe es offenbar war, die Burg mit Sträuchern und Birkengrün zu verkleiden. In den offenen Kolonnaden, die rings um den Alten Markt führten, standen Gruppen von Bürgersleuten und Soldaten in lebhafter Unterhaltung. Freudige Ungeduld lag auf den Mienen und Gesten all der Umherstehenden, denn diese Vorbereitungen ließen zuverlässig auf ein neues Fest des Hofes schließen für hohe Gäste, die erwartet wurden oder wohl schon anwesend waren. Der Umstand aber, daß die Anlagen hierzu auch auf dem offenen Marktplatz und nicht nur im Reithaus getroffen wurden, machte es erkenntlich, daß wieder einmal die ganze Stadt an dem Feste sollte teilnehmen dürfen. Da brauste auch schon Musik um die Häuser, von der Schloß straße her nahte ein Zug Musikanten zu Fuß, hinter ihnen ritt ein Herold auf einem prunkvoll aufgezäumten Pferd. Jetzt lenkte der Zug in den Marktplatz ein. Und Türen und Fenster wurden auf gerissen, denn der Herold, mit dem gestickten Wappen der Wet tiner breit auf der Brust, war wohlbekannt. (Fortsetzung folgt.) Rur der zitronengelbe Postillon, die eigentliche Ursache dieses HSchst peinlichen und daNn auch wieder so gloriosen Zwischenfalls, ließ sich weder durch die Lerchen, noch durch das Schimpfen Mei ster Einwärts stören. Er hämmerte bereits an seinem zerbroche nen Rade wieder herum, als noch des Kurfürsten prächtige Ka- .... lelche auf der Straße wartete. Er mußte vor Abend in Dresden sten Streich seines Lebens gespielt. Die Gräfin beim Kurfürsten, sein, wenn er des Junkers versprochene zehn Gulden Extralohn sich da» wird Ihm Jhro Gnaden noch reichlich zu lohnen wissen, verdienen wollte. And da würde er zur angegebenen Zelt vor " " ' " " " ' " des Hutstasfierer» Haus am Alten Markt vorfahren, so wahr er ein kursächflfcher Postillon war — ob freilich mit oder ohne Damen, dcw war in dem Extralohn nicht ausbedungen. Haha, wenn nur einer recht bis über beide Ohren verliebt ist, dann kommt es auf «ine Dummheit mehr nicht an. Die Gräfin hatte nun der Kurfürst sich gekapert, der Extralohn aber war des Postillons Sache. Denn ausgemacht bleibt ausgemacht! Carol Sinwart wurde also mit Hilfe von Babette und Lam bert Arnekohl im Innern des mühsam zurechtgestutzten Reise wagens in eine Batterie von Kissen gepackt und vorsichtig ver staut, wie weiland das dicke Straußenei, das im Tierpark Seiner Durchlaucht im Dresdner Jägerhof gelegt worden war, das der Meister Goldschmied Dinglinger dann in Silber gefaßt hatte, und aus dem die Herrschaften nun tranken, wenn sie zur Fischjagd auf Schloß Moritzburg weilten. Unter Weh und Ach und verdächtigem Knarren humpelte der blessierte Wagen davon. Babette schluchzte und winkte, aber die Grüngetupfte wurde nicht als Antwort gehißt. Der Reisewagen mit den aufgetürmten Kisten und Kasten der Gräfin, aufgeschnallt auf den Hinterrädern, drehte der unrühmlichen Szene endgültig den Rücken. Während der General Wolf Kaspar von Klengel mit der Kalesche des Kurfürsten und seinen Husaren auf Wunsch Ihrer Durchlaucht den Weg durch den Forst nahm, um die Damen nach den Strapazen dieses heißen Tages wenigstens für den Abend die dämmerige und erfrischende Kühle des Waldes genießen zu lassen, kutschierte unser Postillon seine kostbare Ladung in Gestalt Herrn Carol Einwärts auf dem nächsten Wege längs der Elbe gen Dres den zu. Das Horn mit seinen Kadenzen und die Peitsche mit ihrem Geknalle waren hübsch verstaut worden. Jetzt galt es höllisch achtgeben auf den Weg, daß er mit seinem ambulanten Rade noch rechtzeitig vor Nacht in den Stall und zu den zehn Gulden kam. Im Innern des Wagens war es nach und nach sehr still ge worden, seit das Haus des Akzisenempfänaers von Meißen hinter der Parade von Obstbäumen wieder verschwunden war. Meister Carolus machte, wie ein müdegebrüllter Schreihals im Steckkissen, kein gesundes Nickerchen. Nichts stört« mehr den tiefen Frieden der Natur. Die Wasser der Elbe glucksten und erzählten sich kleine Geschichten, mit den weißen Birken am Rande des Weges koste vertäut der Abendwind. Da mit «lnemmal wirbelte wiederum Staub auf in der Ferne. I» schwachen Umriffen wurde ein einzelner Reiter sichtbar, der ge- duckt auf den Pferdehols in großer Eile sich nahte. Vor der an rollende« Kutsche jedoch mäßigt« er sichtbar seine Schnelligkeit, die Hand vor dem Federhut, schien er Ausschau zu hallen. Dann verharrte er mitten auf der Straße, stellte sich aufrecht in die Steigbügel, faßte nach seinem Hut und winkte schon von ferne. „Wetter und Hagel, was ist denn da wieder los?" murmelte der Postillon verdutzt vor sich hin und zog die Zügel an, um so rasch wie möglich an dem unwillkommenen Hindernis vorüberzu kommen. „He, Postillon, kennt Er mich denn nicht?! Ich komm«, den Damen meine Aufwartung zu machen." Der Junker war es, Joachim von Eckelshöh, der jetzt neben dem Gefährt hielt, den Hut gezogen und bemüht, hinter den her abgelassenen Sonnenschutzvorhängen in das Innere des Wagens zu blicken, zwei blaue Augen zu grüßen, ach, um die er ganz Dresden und sämtliche Aurora Königmarcks der Welt würde geben. »Hallo, Meister Sinwart, Jhro Gnaden werden zu sprechen gewünscht. Hallo, aufgewacht, Herr Hütstaffirrer", polterte der Postillon, dabei das lacklederne Dach seines Wagens mit dem um gedrehten Peitschenstiel bearbeitend. Endlich steckte Meister Carolus vorsichtig seinen Kopf zum Wagenfenster heraus. Doch wie er den Junker da strahlend und voller Erwartung erblickte, und wie ihm ein Stich, ein nadelfeiner spitzer Stich bei der Bewegung vom Rücken abwärts in die Beine fuhr, da war es aus mit seinem Nickerchen und seiner Wohler zogenheit. Eine blutrote Welle jagte über sein feistes Gesicht, und ein Sturzbach elender Verwünschungen über die Stiftsdamen zu Quedlinburg, über zerbrochene Wagenräder, undankbare Frauensleute und kläffende Jagdhunde entfuhr seinem Munde, daß der Saul des Junkers unruhig wurde und mit dem Schweif um sich schlug, wie nach lästigem Fliegenpack. „Daß Er es nur gleich in einem weiß, der Herr Junker, um Seine schöne Gräfin breche ich mir nicht noch einmal meinen guten Hals. Der Kurfürst selbst hat sie kamt ihrer Zofe vor Meißen auf ¬ gelesen und in seiner eigenen Kalesche zusammen mit der Frau Kursürstin nach Dresden geschickt. Er kann einpacken mit Seiner Lsebden, der Herr Junker, di« Frau Gräfin ist Ihm entwischt. Grad vor det Hase «es» dem Herrn Jrlnker zu dienenl" n