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-100- Vor Evas Augen verschwamm die Schrift in der Akte. Sie dachte: Gottseidank! Den schlimmsten Augenblick habe ich überstanden. Davor habe ich mich nun gefürchtet. Aber sein ’ja' vorhin war so gut wie ein Einverständnis. Hoffentlich geht alles gut. Lieber, lieber Michael, mache mir keinen Strich durch die Rech nung. Es ist ein unrechtes Tun, aber ich allein kann dich ver stehen. Sie hob den Blick von der Akte und schaute auf den Angeklagten. Der starrte geradeaus, ohne aufzusehen. Der Staatsanwalt beendete seine Anklage. Nun mußte sie den Eröffnungsbeschluß verlesen. Ihre Stimme bebte. "Wir kommen jetzt zur Vernehmung zur Person, Angeklagter. Wollen Sie bitte dem Gericht Ihren Lebenslauf schildern?” Eine Normalität, die sie hundertemal in Verhandlungen ausge sprochen hatte. Heute bedeutete sie viel, so viel mehr. Michael stand auf. Wie in der Schule sagte er den Lebenslauf her: "Ich bin der einzige Sohn meiner Eltern. Mein Vater war Angestellter, meine Mutter Hausfrau. Während der Nazizeit be kleidete mein Vater einen Posten bei der NSDAP. Er wurde 1945 zum Volkssturm eingezogen und kam nicht wieder. Meine Mutter war vordem schon gestorben, während des Krieges. Ich erfuhr vom T^od meines Vaters erst nach dem Krieg, weil ich als Luft waffenhelfer eingesetzt war. Die Schule hatte ich unterbrochen. 1947 machte ich dann mein Abitur. Das hat mir allerdings nichts mehr genützt." Eva unterbrach ihn: "Warum nützte Ihnen Ihr Abitur nichts mehr? Sie brauchten es doch nachher zum Studium?" Warum fragst du so dumm? Wütend warf er den Kopf zurück. Als