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-52- Nach dem Konzert hatte Michael keine Lust, den Abend schon zu beenden. "Wollen wir heute einmal 'groß ausgehen'?" fragte er. Eva war müde und glücklich. Eigentlich wäre es ihr lie ber gewesen, noch ein wenig im Park spazieren zu gehen, die Musik nachklingen zu lassen. Aber sie wußte, daß Michals Be darf an klassischer Musik für eine Weile gedeckt war, daß er nur ihr zuliebe die Konzertkarten gekauft hatte. In ihr aber sang noch das Motiv aus dem zweiten Satz von Beethovens 5. Sinfonie. Sie sagte: "Ja, gehen wir." Ich werde ihm heute endlich von der Versetzung erzählen, dachte sie. Dazu ist es gut, wenn wir in einer' Umgebung sind, wo er sich beherrschen muß. Mög lichst viele Menschen. Ja, das war richtig. In dem kleinen Weinrestaurant spielte der Pianist melancho lische Melodien und Eva verlor das Beethoven-Motiv. Sie saßen in einer Nische, allein an einem Tisch. Michael lehnte sich behaglich zurück. "Ich muß dir etwas sagen", sprach sie. Es fiel ihr schwer, einen Anfang zu finden. Mit einem Zug trank sie ihr Glas leer. Michael sah sie überrascht an und füllte schweigend nach. Der Pianist quälte dem Klavier einen Schlager ab und begann schließlich auch noch zu singen: "Ich habe auf dieser Welt allein, deine Liebe..." "So eine alte Schnulze", sagte Michael. Er griff nach Evas Hand, die mit dem Weinglas spielte. "Also, was wolltest du mir sagen?" Eva entzog ihm ihre Hand. Sie erwiderte: "Ich bitte dich aber, nimm mich diesmal ernst, Michael. Ich will für dich nicht immer das kleine Mädchen sein, das von der Welt nichts versteht."