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11 Die Vorwürfe gegen den Bruder türmen sich: Eitelkeit; weltli che Rücksicht auf eine zufällige Gesellschaft und ihre Dummheit; Spiegelfechterei des Geistes; gedrehte Widerlegungen der be scheidenen Vernunft; Verachtung seiner Zeit; Zweifel am Fort schritt; Menschenfeindschaft jener vorläufigen Talente, die in ihrem Geistesadel sich den Herren zurechnen und aus Dünkel auf ihr Fertiggemachtes das Weiterarbeiten der Menschheit für Chimä re erachten; und und und... Beleidigungen zwischendrinnen, allemal: Zola wäre "ein Realist, im Gegensatz zu dem Nachtrab der Ro mantik" . "Wer lebt überwiegend mit der Seele? Einige Einsame und man che Luxuswesen." "Durch Streberei Nationeidichter werden für ein helbes Men schenalter, wenn der Atem so lange aushält; unbedingt aber mitrennen, immer anfeuernd, vor Hochgefühl von Sinnen, verant wortungslos für die he ranwachsende Katastrophe, und übrigens un wissend über sie wie der Letzte!..." Schließlich gar: "unterhaltsamer Schmarotzer"... - Den ZOLA-Essay bekam Thomas Mann erst 1916 zu Gesicht. Er bezeichnete ihn als eine "literarisch glänzende politische In trige" (Brief an E. Bertram v. 25.2.16), behielt sich die Aus einandersetzung hiermit aber erst für seine seit 1915 in Arbeit befindlichen BETRACHTUNGEN EINES UNPOLITISCHEN vor. Im Dezember 1917 veranstaltete das "Berliner Tageblatt” unter den Geistes- und Kunstschaffenden des kriegführenden Deutsch lands eine Umfrage zu m Thema "Das künftige Europa - Gedanken über die Möglichkeiten eines Weltfriedens". - Auch die Gebrü der Mann beteiligten sich mit je einem Artikel daran. (Heinrich Mann, LEBEN - NICHT ZERSTÖRUNG, 25.12.17; Thomas Mann, WELT FRIEDEN?, 27.12.17) Der Artikel Thomas Manns, der sich bekräftigenderweise noch einmal, wie schon zuvor in den GEDANKEN und im FRIEDRICH, ge gen die Politisierung von Kunst ausspricht, bot seinem Bruder Heinrich Anlaß für den handschriftlichen 'Versuch einer Versöh nung* im Brief v. 30.12.17; "Lieber Tommy, Dein Artikel im 8T wurde in meiner Gegenwart verlesen. Ich weiss nicht, ob es den andern Hörern auffiel, mir selbst schien es, als sei er in einzelnen Abschnitten an mich gerichtet, fast wie ein Brief. Daher glaube ich Dir antworten -12