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139 da die bei der ersten Operation gewonnenen Erfahrungen die zweite wesentlich unterstützten. Sodann aber ist zu bedenken, daß der Kranke von dem ihn behandelnden Kassenarzt in die Privatklinik des Spezialisten eingewiesen wurde. Da der Kassen arzt aber hinsichtlich der Einweisung ins Krankenhaus namens der Kaffe handelt, so war das Kassenmitglied — bei Vermeidung des Verlustes 'seiner Ansprüche an die Kasse — geradezu ver pflichtet, der Anordnung Folge zu leisten, denn er durfte an nehmen, daß der Arzt zu seiner Einweisung berechtigt sei. — Trotz allem kann der volle, von dem Kassenmitgliede geforderte Betrag nicht ersetzt werden. Denn das Mitglied hat sich nicht in der niedrigsten, sondern in der zweiten Klasse verpflegen lassen, wiewohl die Kasse nur zur Tragung des unbedingt nöügen Aufwandes verpflichtet ist, und der Arzt hat, wie er erklärte, bei seiner Honorarforderung nicht den niedrigsten Maß stab angelegt, da er einem Benutzer der zweiten Klasse seiner Klinik gegenüber hierzu nicht verpflichtet war. (Nachdruck verboten). Verschiedene Mitteilungen. Aenderung in der Bezeichnung der bayerischen Gewerbe-Aufsichtsbeamten. Mit Verordnung vom 7. Februar ds. Jahres wurde verfügt, daß die leitenden Beamten der Aufsichtsbezirke (im allgemeinen Regierungsbezirke) künftig anstatt des Titels „Fabriken- und Gewerbeinspektor" den Titel Gewerberat (wie im übrigen Deutschland) zu führen haben, während ihre Hilfskräfte künftig Gewerbeauffichts-Assistenten und Assisten tinnen heißen. Gewerberäte können zu Regierungs- und Ge werberäten befördert, Gewerbeaufsichts-Assistenten als Gewerbe- Assessoren (etwa dem Gewerbeinspektor in Preußen entsprechend) angestellt werden. Für die Stellungen des Zentralinspektors für Fabriken und Gewerbe und der Gewerberäte kommen in der Regel nur Bewerber mit wissenschaftlicher Bildung in Betracht, die entweder eine höhere technische Lehranstalt absolviert und demnächst einige Zeit als technische Beamte im öffentlichen oder Privatdienste tätig gewesen sind, oder die mehrere Jahre eine größere Gewerbeanlage mit technischem Betriebe selbst geleitet haben. Bei der Besetzung der Stellen der Assistenten und Assisten tinnen sind neben Bewerbern mit wissenschaftlicher Vorbildung auch geeignete Bewerber aus dem Arbeiterstande — einer For derung des bayrischen Landtages entsprechend — zu berücksichtigen. (Zeitschrift des Bayerischen Revisions Vereins.) Araftzentrale an der (Yueistalsperre in Schlesien. Die Fundamentierungsarbeiten für die Kraftzentrale an der Queis talsperre sind nahezu beendet, so daß schon Ende März mit dem Hauptgebäude wird begonnen werden können. Vorerst werden drei Turbinen zu je 700 Pferdestärken, später noch zwei Tur binen zu je 700 Pferdestärken aufgestellt. Der Staudruck der 5 Millionen Kubikmeter wird im Sommer innerhalb eines Tages eine durchschnittliche Kraftleistung von 600—800, im Winter von 2200—2400, insgesamt 4200000 nutzbarer Kilowattstunden ergeben. Nach Fertigstellung der großen Bobertalsperre bei Mauer (frühestens 1912) werden beide Zentralen, welche mit einander verbunden werden, eine gesamte Kraftleistung von 171/2 Millionen Kilowattstunden ergeben und damit die größte derartige Kraftanlage in Deutschland darstellen. Um in allen Fällen, namentlich in sehr trockenen Sommern, immer genügende Kraft zu haben, sind für Mauer noch zwei Dampfturbinen zu ze 1000 Pferdestärken geplant. Gewerblich-Soziales. 8. R. Line neue Belastung des Arbeiterein- koininens. Das neue preußische Einkommensteuergesetz ist bei der diesmaligen Voreinschätzung zum erstenmal in Anwendung gekommen. Die Ergebnisse derselben haben vor allem das Resultat geliefert, daß Gemeinde und Staat auf Grund der neuen Bestimmungen die Censiten in weitaus gründlicherer Weise erfassen können, als es vorher der Fall war. Leider ist an diesem erhöhten Steuerertrag in erster Linie die Klasse beteiligt, deren Schultern am wenigsten Lasten zu tragen vermögen: die Arbeiter klasse. Das geschieht durch die Bestimmung des K 23 Abs. 2, wonach der Arbeitgeber verpflichtet ist, die Löhne seiner An gestellten anzugeben. An und für sich ist gegen diese Bestimmung nichts einzuwenden, die ja keine Aenderung des jetzigen Steuer rechts bringt, sondern nur dazu dient, das Prinzip der Gerechtigkeit der Besteuerung in höherem Maße durchzuführen; was aber das Ergebnis ihrer Anwendung vor allem zeigt, ist. daß unser System der direkten Besteuerung, wie es jetzt ist, die Arbeiterbevölkerung in einem Maße belastet, das entschieden viel zu weitgehend genannt werden muß. Durch die Auskunfterteilung des Arbeit gebers wird vor allem die Mitarbeit der Ehefrau erfaßt, die das Gesamteinkommen erhöht und den Steuerbetrag steigert und zwar in einer Art und Weise, die Bedenken erregen muß, wenn die Frau aus Not mitarbeitet. Die „Soziale Praxis" führt ein Beispiel an, welches für diese Behauptung den Beweis erbringt. Ein Arbeiter verdient 1050—1200 Mk. und zahlt dafür einen fingierten Gesamtsteuersatz von 27 Mk. Angenommen er ist verheiratet, hat 5 Kinder zu ernähren, weshalb die Frau Mitarbeiten muß. Das Gesamteinkommen betrage danach 1850 Mk. Dann beträgt die Steuer 63 Mk. Der Unterschied in der Belastung des Familienvaters gegenüber den Junggesellen, der auf diese Art durch Erfassung des Arbeitseinkommens der Frau geschaffen wird, springt in die Augen. Hier muß ein Ausgleich geschaffen werden, der gerade den durch die schonungslose Erfassung des Gesamteinkommens so hoch belasteten Familienvater erleichtert. Es würde nur als gerechtfertigt erscheinen, wenn derselbe in der Form zustande käme, daß dem Arbeiter gestattet würde, für jedes Kind eine bestimmte Summe für Erziehungskosten vom Einkommen in Abzug bringen. Die Erziehung von Kindern ist eine Leistung, die dem Lebensintereffe des Staates dient. Der jetzige Abzug von 50 Mk. für jedes unter 14 Jahre alte Kind ist völlig ungenügend. In der städtischen Armenpflege wird auf den Kopf des in Pflege unterzubringenden Kindes die Summe von 200 Mk. gerechnet. 50 Mk. für Verwaltungskosten rc. dürften davon abzuziehen sein, sodaß für den Lebensunterhalt 150 Mk. pro Jahr übrig bleiben. Es wäre nur gerecht, in der Annahme, daß das Kind einer Arbeiterfamilie denselben Aufwand für den Lebensunterhalt erfordert, diesen Betrag für jedes Kind vom steuerpflichtigen Einkommen abzuziehen. Würde nach dieser Praxis verfahren, so würde sich in dem angeführten Beispiel der Steuersatz von 63 Mk. auf 27 Mk. ermäßigen. Gerade der Umstand, daß ein derartig hohes Einkommen steuersoll von dem neuen Gesetz wohl von niemanden erwartet worden ist, sollte es sich nunmehr die Staatsregierung zur Pflicht Machen, einen Ausgleich zu schaffen, für welchen Zweck der angedcutete Weg der gerechteste und einfachste ist. Der preußische Landtag würde ein wirklich sozial-politisch bedeutsames Werk damit vollbringen, während eine Unterlassungssünde in dieser Beziehung viel Unzufriedenheit zur Folge haben müßten.^ 8. r. Line Gewerkschaft gegen die häufigen Streiks. Während einer günstigen Geschäftsperiode sind natürlich die Arbeiter bemüht, daraus Nutzen zu ziehen und höhere Löhne zu erreichen. Bei diesen Bestrebungen werden auch stets Ausstände und Aus sperrungen Vorkommen. Diese Ausstände scheinen aber doch in der letzten Zeit, wenigstens in einzelnen Berufen zu häufig zu werden, denn kürzlich hat sich der Hauptvorstand des über ganz Deutschland ausgebreiteten Holzarbeiterverbandes veranlaßt gesehen, an alle örtlichen Verwaltungen des Verbandes ein Rundschreiben zu versenden, in welchem die Beamten und die Leiter der einzelnen Zahlstellen darauf hingewiesen werden, daß sich jetzt die Zahl der Streiks in zu großem Umfange vermehrt habe und daß von den Arbeitern oft aus ganz geringfügigen Ursachen Ausstände unternommen werden, ohne daß vorher der Versuch gemacht wirb, die kleinen Differenzen durch gütliche Unterhandlungen mit den Arbeitgebern auszugleichen. Die Lokalverwaltungen werden ersucht, mit Energie und mit ihrem ganzen Einfluß bei den Mitgliedern darauf hinzuwirken, daß derartige unnötige Ausstände vermieden werden. Wenn Differenzen entstehen, so soll die Vermittelung der örtlichen Verwaltung des Verbandes angerufen werden und bevor ein Ausstand beschlossen werden soll, wird den Arbeitern zur Pflicht gemacht, das Eintreffen und das Eingreifen des Bezirksleiters abzuwarten. Der Vorstand des Verbandes betont, daß im letzten Jahre die Ausgaben für die Arbeitskämpfe um 6O0/0 zugenommen, wobei zu beachten sei, daß auch schon das Jahr 1905 sehr große Ausgaben für Streiks