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Nr. 22 Gbevlausitzer Hsrmatzeltung 34S Dem Apotheker hat er schon so viel Geld zugewendet, als seine Frau ein halbes Jahr krank gelegen. Der muß ihm den Gefallen tun und ihm sagen, was da auf dem Zettel steht. Der Ehrenfried geht über den Markt, steigt die aus getretenen Stufen, die zur alten Apotheke führen, empor und tritt ein. „Es ist wohl Rückfall eingetreten," empfängt ihn der Apotheker und reicht ihm freundlich die Hand. „Nein, das nicht," meint der Ehrenfried, „was die Al wine, meine Frau, anbetrifft, die ist wieder auf den Beinen. Krank sind wir keins. Aber was anderes habe ich. Den Zettel." Er gibt ihn dem Apotheker. „Da möchte ich gern wissen, was darauf steht. Das ist kein Rezept, das ist eine Empfehlung, die mir der Advokat Salomon für den Advo katen Säuberlich geschrieben hat, von wegen meines Brun nens. Ehe ich aber zu Säuberlich gehe, möchte ich gern wis sen, was drüben der" — und dabei zeigt Ehrenfried auf das Haus des Advokaten Salomon auf der anderen Markt seite — „geschrieben hat. Ich kann es nicht lesen. Das muß Latein oder so etwas sein." Der Apotheker rückt sich die Brille zurecht und schaut den Ehrenfried freundlich an. Dann beginnt er zu lesen. Plötzlich lacht er hell auf. „Hat er denn so etwas Spaßiges geschrieben, daß Ihr so lachen müßt," fragt der Ehrenfried. „Was steht denn drauf?" „Nun, wenn Ihr es denn durchaus wissen wollt, da muß ich es Euch schon vorlesen," und er liest laut und langsam: „Heut kamen zwei Bauern zu mir gelaufen, Die wollten aus einem Brunnen nicht saufen. Sie können sich nicht mehr vertragen. Nun wollen sie einander verklagen. Nun gut. Den einen werde ich mir behalten. Den anderen schick ich Dir zu. Den einen, den werd ich nun raufen, Den anderen den raufst Du. Da wollen wir sie solange raufen, Bis sie wieder aus einem Brunnen saufen!" Der Apotheker möchte sich ausschütten vor Lachen. Der Ehrenfried steht da wie eine Gans, wenn es donnert, und stiert den Apotheker entsetzt an. Plötzlich reißt er den Zettel an sich und poltert schweren Schrittes die Treppe hinab auf den Markt. Ohne Gruß und Dank. Er murmelt Worte für sich hin, die sich nicht gerade wie Bibelsprüche anhören. Der Ehrenfried stapft durch die Straßen und Gassen, für nichts Sinn, für nichts ein Auge. Auf dem Wall bleibt er stehen. Unter ihm strecken und dehnen sich bunte Dächer. Der Rauch stehst ans vielen Schornsteinen in den frohen Frühlingstag. Das Mittagsglöckchen der Stadtkirche klin gelt Hellen Tones über die Stadt. Da erwacht der Ehren fried. „Nein, dem Advokaten wirfst du nicht dein schönes Geld in den Hals, damit er sich einen Spaß mit dir machen kann." Er überdenkt noch einmal wie alles gekommen ist und plötzlich findet er, daß der Streit gar nicht so schlimm ist. Er will nochmals mit dem Leberecht sprechen und ihm die Geschichte mit dem Advokaten erzählen. Der Leberecht braucht sein Gelb auch nötiger, als es dem Advokaten für eine dumme Sache hinzuwerfen. Am Abend, um die Dämmerung, da der Ehrenfried weiß, daß der Leberecht allein in der Stube ist, weil die anderen im Stalle mit Füttern und Melken zu tun haben, geht er langsam über den Hof ans das Haus des Leberecht Benedikt zu. Leise klinkt er die Haustüre auf. Die Holz pantoffeln läßt er vor der Stubentüre stehen. Auf das Klopfen antwortet des Leberechts brummige Stimme „her ein!" Der Leberecht staunt nicht schlecht, als er den Ehren fried im Türrahmen gewahr wird. , „Nanu, was willst denn dn? Ich habe mit dir nichts mehr zu reden! Das wird jetzt der Advokat besorgen," sagt der Leberecht. „Desterwegen komme ich eben, Leberecht! Ich war heute bei deinem Advokaten." „Was warst du? Bei meinem Advokaten?" „Ja —, ich wollte dich bei ihm verklagen. Da sagte er mir aber, daß du schon bei ihm gewesen warst. Und nun will ich dir nur sagen, daß es dem Kerl um weiter nichts, als um unser Geld zu tun ist." Der Ehrenfrieb ist ganz freundlich geworden. Und er erzählt ihm die Geschichte: Von der Empfehlung in lateinischer Sprache,' von der Über setzung des Apothekers,' und daß er sich nun überlegt hat, daß die gegenseitige Verklagerei gar keinen Zweck mehr habe. „Sollen die beiden Advokaten und das Gericht einen Spaß an unserer Zänkerei haben und uns außerdem unsere sauer verdienten Taler abnehmen," fragt der Ehrenfried. „Das kann ich nicht einsehen." Und nach einer Pause: „Leberecht, wir haben uns immer vertragen. Nun soll es auf einmal nicht mehr gehen?" „Hast ja Recht," meint der Leberecht. „Du hast ja aber den Streit angefangen. Und warum denn eigentlich?" „Nun, alles bloß wegen dem Mädel und Euerem Franz, den vertrackten Racker." Eine Amsel pfeift auf dem Gartenzaun vor dem Hause ihr Abendlied. Der junge Mond hängt an dem blassen Frühlingshimmel. Die Wanduhr rasselt die siebente Stunde herunter. — Nach langer Pause fährt der Ehrenfried in seiner Rede fort: „Nun ja, ich habe es mir überlegt. — Als ich ein junger Kerl war, wollte mein Schwiegervater auch nicht, daß ich in sein Haus in die Heirat kam. Und als ich sein Mädel bann — wenn auch im Streit — doch noch kriegte, war ich auch froh und dachte, die Bäume wachsen in den Himmel. — Ich sage meinetwegen! — Mag der Franz weiter kommen, wenn er's nicht lassen kann. Ich will nichts mehr sehen und sagen. — Und wegen dem Brunnen, was sollen wir uns da streiten, wem er gehört. Das Wasser, was da raus kommt, langt für uns beide. Laß spätere Geschlech ter deswegen streiten! Wir wollen uns unsere alten Tage nicht noch verbittern!" Der Leberecht hat während der langen Rede, die er am Ehrenfried garnicht gewöhnt ist, den Ehrenfried erst ver wundert angesehen und dann zufrieden gelächelt. Nun, ich bin es zufrieden. Mir soll es recht sein, wenn dn es so willst, und er reicht dem Ehrenfried die Hand und hält sie lange in der seinen. Das Licht des jungen Mondes fällt ans den blank gescheuerten Tisch und aus die knochigen Bauerngesichter des Ehrenfried und Leberecht, die nach vier Tagen Streit wieder die alten Freunde geworden sind. Die Kirche zu Waltersdorf (a. d. Lausche) Znm 200 jährigen Ktrchenjubiläum *j Von Richard Mättig Am 6. Oktober 1929. Vom Turme, dem eigentlichen „Jnbelgeburtstagskinöe" flatterte im Winde erstmalig die neue blauweiße Fahne, vierstimmiges Geläut erschallte in den herrlichen Herbstmorgen hinein, und bald bewegte sich unter Posaunenklang ein festlicher Zug der Kirchsahrt von der Pfarre ins altehrwürdige Gotteshaus. Nach Gemeinde gesang daselbst und Vortrag der Motette „Herr, ich halte lieb die Stätte" durch den Gesangverein, weihte Pfarrer Schulze aus Olbersdorf von neuem die seit dem 3. August 1929 nicht mehr benützt gewesene Kirche, hielt auch die Fest predigt, während der Ortspfarrer Hiller die Liturgie hatte. Ein Sologesang „Das Vaterunser", von einem Gemeinde-