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262 Hberlaufltzer Heimatzsitung Äe. N anderer Vereine, von oberstenl Klassen höherer Schulen, Berufs- und Fortbildungsschulen durch seine Anstalt und die im Anschluß daran gehaltenen belehrenden Vorträge. Obwohl solche Führungen sehr anstrengend sind und eine gewisse Störung in den geregelten Anstaltsbetrieb hinein tragen, ist er doch nicht müde geworden, den Wünschen aller derer, die die Anstalt kennen lernen wollten, nach Möglich keit zu entsprechen: Diese Bereitwilligkeit zu Führungen und anschließenden Vorträgen ist außerordentlich bemer kenswert für seine hohe Berufsauffassung. Er begnügt sich nicht damit, die „Pflege der elendsten Kinder Sachsens so human und fröhlich wie möglich für diese zu gestalten", sondern sein Bestreben geht vor allem dahin, das anschei nend nutzlose Dasein seiner Pflegebefohlenen dadurch in Segen umzuwandeln, daß er den Besuchern an erschüttern den Beispielen zeigt, welche Folgen Unzucht, Trunksucht und andere Laster haben können, und daß er die auf diese Weise aufgewühlten und bereitwilligen Seelen, besonders der Jünglinge und Jungfrauen, durch Aufklärungen und Ermahnungen zu dem festen Entschlüsse führt, alles zu tun, um die Entstehung neuen Menschenelends zu verhüten. Seine volksfreunbliche Absicht, die Quellen neuer Miß geburten nach Möglichkeit zu verstopfen, hat ihn angetrie ben, es bet den Führungen nicht bewenden zu lassen, son dern in Bautzen, Löbau, Herrnhut, Zittau und noch ande ren Orten Vorträge darüber zu halten, durch welche Ur sachen allerhand Abnormitäten wie Schwachsinn, Blödsinn, Epilepsie, Psychopathie usw. entstehen und auf welche Weise ihrer Entstehung vorgebeugt werden kann. Um in dieser Richtung ja recht nachhaltig wirken zn können, hat er zu allem noch eine volkstümliche, mit Bildern versehene Schrift verfaßt, die den Titel trägt: „Der Kathari nenhof, Bilder aus der Vergangenheit und Gegenwart der jetzigen Landesanstalt Großhennersdorf". Diese äußerst wertvolle Schrift führt in ihrem hoch interessanten geschichtlichen Teile dem Heimatfreunde vor Augen, wie „der Katharinenhof" eine Segensspur jener von Spener und August Hermann Francke ausgehenden werktätigen religiösen Bewegung ist, die Pietismus ge nannt wird. In ihrem Hauptteile zeigt sie, wie der Ver fasser bemüht ist, das Los der blöden Kinder und ihrer armen Eltern so erträglich als möglich zu gestalten, wie er es vermag, dem menschlichen Elend einen tiefen Sinn abzugewinnen, wie es ihm gelingt, in der Wüste des Menschentums Quellen zu erbohren und Wasser aus dem Felsen zu schlagen, wie er es überhaupt versteht, das Wort in die Tat umzusetzen, welches lautet: Gar fruchtbar ist der kleinste Kreis, wenn man ihn recht zu pflegen weiß. Wel chen Eindruck diese unschätzbare Schrift auf jeden ausübt, der sie liest, geht am besten daraus hervor, daß bereits 4000 Stück abgesetzt worden sind. Sie ist mittels Bestellung durch Postkarte direkt vom Verfasser zu beziehen. Ihr Reinertrag fließt der Meltzerstiftung zu, die anläßlich der Feier des 200 jährigen Bestehens des Katharinenhofes vom Anstaltspersonal errichtet wurde und den Zweck hat, den Kindern zu Weihnachten, am Geburtstage und zu anderen Gelegenheiten eine Freude zu bereiten. Hoffentlich erstehen recht viele Oberlausitzer die 68 Druckseiten umfassende Schrift und erweisen damit sich selbst und den elendesten Kindern Sachsens eine Wohltat, dem Verfasser aber eine der liebsten Geburtstagsfreuden. Mit den geschilderten Leistungen, durch die sich Ober medizinalrat Dr. Meltzer in der Oberlausitz das schönste Denkmal gesetzt und den größten Dank aller Landsleute erworben hat, ist aber der reiche Inhalt seines Lebens werkes noch lange nicht erschöpft. Seine ungewöhnliche Schaffenskraft hat sich noch weit über den Kreis der heimat lichen Betätigung hinauserstreckt. Als Mitarbeiter verschiedener wissenschaftlicher Zeit schriften hat er fast hundert wertvolle schriftstellerische Ar beiten geschaffen, die alle das große Ziel verfolgen, die bei der Erforschung und Behandlung der abnormen Kinder gesammelten Erkenntnisse und Erfahrungen nutzbar zu machen für die Förderung und Entwickelung des normalen Nachwuchses. Gerade die geistesschwachen Kinder zwingen ihre Lehrer und Erzieher, Wege einzuschlagen, die sich oft schon als äußerst vorteilhaft aüch für den Unterricht der normalen Kinder erwiesen haben. Es sei nur an den jetzt in allen Normalschulen betriebenen Arbeitsunterricht er innert. Außer diesen Zeitschristartikeln hat Obermedizinalrat Dr. Meltzer noch einige wissenschaftliche Arbeiten verfaßt, die in Buchform erschienen sind. Unter ihnen hat neben der Schrift über „Die staatliche Schmachsinnigenfürsorge im Königreich Sachsen", die besonders die hetlpädagogische Be handlung mit ihren ausgezeichneten Erfolgen schildert, neben dem jetzt vergriffenen „Leitfaden der Schwachsinni gen- und Blödenpflege" und neben dem bereits erwähnten „Katharinenhof" das größte Aufsehen die Broschüre „Das Problem der Abkürzung „lebensunwerten" Lebens" erregt. In dieser auf dem Gebiete der Abnormenfürsorge ein zig dastehenden Schrift tritt er allen denen, die der Mei nung sind, es wäre am besten, wenn alle blöden Kinder und Erwachsene auf eine schmerzlose Weise getötet wür den, mit einer solchen Fülle von überzeugenden Gründen entgegen, daß jeder die Oberflächlichkeit und Unhaltbarkeit seines Denkens einsehen muß. Jyr Verlaufe seiner Aus einandersetzung weist er in höchst interessanten Darlegun gen nach, daß die sogenannten „lebensunwerten" Abnor men, vor allem die Blöden, durchaus nicht, wie oft behaup tet wird, schuld am Niedergange eines Volkes sind; denn sonst müßten die Spartaner, die ihre abnormen Kinder in eine Gebirgsschlucht warfen, heute noch vorhanden sein. Weiter gibt er zu bedenken, daß die Eltern, besonders die Mütter, die bekanntlich an ihren Sorgenkindern mit gesteigerter Liebe hängen, die Einwilligung zur Tötung ihrer Lieblinge in den meisten Fällen versagen würden, und daß sich außerdem voraussichtlich kein Arzk zu dem Henkeramte hergeben würde. Ferner zeigt er mit warnendem Finger auf die un geheuren Folgen, wenn die Heiligkeit des Lebens nur an einer Stelle angetästet und durchlöchert würde. Wer könnte dafür garantieren, daß es bet dem einen Ausnahmefall bliebe? Welcher Schwerkranke würde nicht fürchten, als unheilhar erkannt und dann schmerzlos getötet zu werden! Was für ein Mißtrauen würde sich gegen die Arzte, die Krankenhäuser und alle Anstalten entwickeln! Und welche sittliche Verwirrung würde entstehen, wenn das Gebot, den Hilfsbedürftigen zu helfen, nicht mehr in vollem Umfange gelten sollte! Schließlich rechnet er noch vor, daß ein Volk, das wie das deutsche soviel Geld für Alkohol, Prostitution und andere "Laster, die ja die Ursache für alle möglichen Ab normitäten sind, ausgeben kann, sehr wohl in der Lage ist, seinen Blöden eine liebevolle Pflege angedeihen zu lassen, waS insofern noch von Vorteil für die Volksgemeinschaft ist, als die Blödenpflege eine Übungsschule der brüderlichen Hilfsgcsinnung ist, ohn,e deren Betätigung kein Staats wesen bestehen kann. Äußer diesen Hauptgedankey, di?, auch für diejenigen von großer Wichtigkeit sind, die dqs Glück haben, keine abnormen Kinder ihr eigen nennen zu müssest, enthält die tiefgründige Schrift noch eine solche Menge von ethischen, philosophischen, sozialogischen, heilpädagogischen und ande ren in leicht verständlicher Form.gefgßten Ausführungen, daß ihr Wert garnicht hoch genug geschätzt werden kann. Für alle, die, ihre Lebensarbeit auf das steinigte Ackerfeld der Abnorm^nfürsorge verlegt'Häven, ist sie eine unversieg bare Quelle neuer Kraft und Begeisterung" zu entsagungs voller Aufopferung.' Gar manchen verzweifelten Eltern hat