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Nr. 17 Gberlaufltzer Heimatzeitung 2S Am 3. September 1813 kam General Blücher auf „einem Wagen mit sechs Rappen bespannt" nach Görlitz und bezog im Hirsch Quartier. Am 23. September 1833 traf Friedrich Wilhelm III. auf einer Reise von Kalisch, wo er einem großen russischen Manöver beigewohnt hatte, nach Teplitz, hier ein. Er wohnte im Hirsch, wo die erste Schützenabteilung (später 5. Jägerbataillon) in Paradcstellung aufmarschiert war, bis zum Morgen des 26. September. Zu Ehren seines Be suches fanden viele Festlichkeiten statt. Friedrich Wilhelm III. hat schon als Kronprinz in der Stadt Görlitz geweilt. Auf einer Reise von Salzbrunn über Fürstenstein nach Muskau und Berlin kam er mit seiner Gemahlin am 26. August 1831 in Görlitz an, wo er festlich empfangen wurde und im „Hirsch" bis zum näch sten Morgen verblieb. Als König finden wir ihn auf einer Reise von Berlin über Dresden nach Erdmannsdorf vom 14. zum 15. August 1840 in Görlitz. Er nahm mit der Königin im „Hirsch" Wohnung. 1844 vom 31. Mai bis 2. Juni sehen wir ihn abermals in Görlitz. Am Abend des ersterwähnten Tages hielt er seinen Einzug in die herrlich erleuchtete Stadt und wohnte bis zum Tage seiner Abreise wiederum im „Hirsch". Am 1. Juni bestieg er die Landeskrone und den Königshainer Hoch stein. Von weiteren fürstlichen Besuchen, die in unserer Stadt und im „Hirsch" Aufenthalt nahmen, seien genannt: Kaiser Nikolaus von Rußland auf seiner Reise über Seiöenberg nach Böhmen am 10. September 1833, Kaiser Alexander als Großfürst und Thronfolger vom 29. bis 30. März 1840 lauf einer Reise nach Darmstadt). Der Reichsverweser Erzherzog Johann bei Gelegenheit seiner Reise nach Frankfurt a. M. vom 9. bis 10. Juli 1848, König Wilhelm IV. als Prinz auf einer Reise nach Schle sien vom 12. zum 13. Juli 1819 und schließlich 1866 Prinz Friedrich Karl am 13. Juni und die folgenden Tage auf dem Marsche nach dem böhmischen Kriegsschauplatz. Es dürfte sich gewiß nicht gleich wieder eine Gaststätte vor finden, die so viel fürstlichen Besuch in einem verhältnis mäßig kurzem Zeitraum aufzuweisen hat, als unser „brau ner Hirsch". Von dem Gebäude selbst schreibt ein Bearbeiter der Baudenkmäler der Oberlausitz unter anderem: „Das Gast haus zum braunen Hirsch wirkt mehr durch das große Laubenmotiv, als durch schlichte Pilastergliederung der Obergeschosse mit den edelgezeichneten Kapitellen und die beiden derben Volutenportals, von denen das eine ins Haus, das abwärts die Neißestraße, einst eine Hauptver kehrsader der Stadt, da sie zu der früher einzigen Brücke führte." Rechterhand entzückt unser Auge das Haus Nr. 29, eine Perle der Hochrenaissance, es ist 1570 erbaut und seit 1904 im Besitze der Stadt Görlitz. Ein Stückchen weiter auf dieser Straßenseite, an der Ecke der Kränzelstraße, er regt eine Gastwirtschaft mit der Bezeichnung „Zum Stadtbild Alt-Görlitz" unsere Aufmerksamkeit. Wir treten ein und sehen uns zu nächst einem großen, auf Leinwand gemalten bunten Bilde gegenüber, dessen hölzerne Rückwand gleichzeitig das Gast zimmer von einem zweiten Gastraum trennt. Das Bild ist eine vergrößerte Nachbildung des ältesten erhaltenen Gesamtbildes der Stadt Görlitz, das im Jahre 1565 von dem Goldschmied Joseph Metzker und Sem Formschneider Georg Scharfenbergk hergestellt worden ist. Die Gast stube ist außerdem mit den Brustbildern des Erbauers des „Heiligen Grabes", Bürgermeister Georg Emmrich, und der zu ihm in Beziehung stehenden Agnes Finger ge schmückt. In dem zweiten Raum der Einkehrstätte fällt unser Blick auf ein Bild des Görlitzer Theosophen Jakob Böhme sowie auf eine große Tafel, auf welcher die Haus besitzer von 1415 bis 1910 verzeichnet sind. Wir lesen hier für den Zeitraum von 495 Jahren 24 Namen von In habern des Grundstückes. Auch das Bild eines Besitzers von 1706—1763 hat hier einen Platz gefunden, über das Äußere unserer besuchenswerten Gaststätte belehrt uns der Fachmann wie folgt: „Das Haus hat ein jetzt verbautes Portal (Fenster der Gaststube) mit wappengeschmücktem Schlußstein von 1727. Auf dem ausgeschnittenen Giebel lagern zwei Genien in gezierter Haltung, in der Mitte steht eine Amazone mit einem Gorgonenschilde. Die Figu ren sind nicht ganz ungeschickt entworfen." Gern wird der Geschichtsfreund ein Weilchen in dieser einfachen Schankstätte verbringen und sich der Betrachtung ihrer Denkzeichen aus der Görlitzer Vergangenheit hin geben. Die Verbindung zwischen dem Unter- und Ober markt in Görlitz bildet die Brüderstraße, deren Name au das 1563 eingegangene Kloster erinnert. Hier sei das Haus Nr. 10 der Beachtung empfohlen, in dessen ersten Ober geschoß sich das Restaurant und Kaffee „Zum Brauhof" befindet. Das Grundstück ist gleich seinen Nachbarhäusern dem verheerenden Brande von 1525 zum Opfer gefallen, unter dem Einfluß der Kunstrichtung der Renaissance ist es neu erstanden. Sein Außeres freilich hat im Laufe der Zeit starke Veränderungen erfahren, nur die Fenster des zweiten Obergeschosses zeigen noch die „verkröpfte Renais- sance-Fascie". Dagegen weist das Gastzimmer des ersten Obergeschosses einen Baurest der Renaissancezeit auf, der als eine Sehenswürdigkeit zu bezeichnen ist. Zwischen den beiden trach der Straßenseite zu gelegenen Fenstern steht „zur Unterstützung der genischten Wand eine mit Akan- thusblättern, Frauenköpfen, Engeln (Brustbildern) mit Gehängen und jonischen Kapitellen reich und mit bewußten Mitteln verzierte Säule". Darüber ist ein schöngezeichnetes Konsol mit den Bildnissen des Bauherren und der Bau frau sowie das Wappen der 1570 geadelten Möller von Mollerstein" angebracht. Diese Säule, die im Volksmunde die Bezeichnung „die antike Säule" führt, ist um das er wähnte Jahr 1570 entstanden, die in ihr zum Ausdruck kommende Formenschönheit hat schon manchen Besucher unserer Gaststätte mit Bewunderung erfüllt. Zuletzt lenken wir noch unsere Schritte nach dem an der Nordseite des Obermarktes gelegenen großen Konzert- und Eiukehrhaus „Zum Mönchs Hof". Das Gebäude, in dessen Erdgeschoß die Gastwirtschaft ein gerichtet ist, ist im größten Stadtbrand, der Görlitz jemals heimgesucht, bis auf die Grundmauern zerstört worden. Es wurden damals — es war am 31. Juli 1717 — 403 Häuser betroffen. Dem Wiederaufbau in der Folgezeit verdankt unsere Stadt seine prächtigen Barockbauten. Der Kenner heimischer Baukunst unterscheidet ein kleines, mittleres und größeres Görlitzer Barockhaus. Letzteres hat seine besten Vertreter am Obermarkt von der Löwenapotheke an aufwärts in den Häusern Nr. 31, 29, 27, 26 und 24. Letzt genanntes enthält den „Mönchshof". Es entstammt dem Jahre 1719 und besitzt reichen, zum Teil vortrefflich model lierten figürlichen Schmuck auf und in dem Giebelöreieck des Frontispiz-Aufbaues. Seine jetzige Gestalt und Namensbezeichnung erhielt die Gaststätte, die vordem „Börsenhalle" hieß, im Herbst des Jahres 1924. „Mönchs- Hof" wurde sie genannt in Hinsicht aus ihre Lage gegen über der Oberkirche, der ehemaligen Klosterkirche, deren schlanker Turm jetzt noch der „Mönch" heißt. Die im Hin teren Teile des gegenwärtigen großen Gästraumes ein gebaute „Verräterecke" knüpft an eine Begebenheit aus der heimischen Geschichte und Sage, deren Schauplatz die nahe „Verrätergasse" (zwischen Obermarkt und Langenstraße) bildet. Eine alte düstere Mauerpforte an deren östlicher Seite trägt die vier Buchstaben D. V. R. T. Diese Inschrift wird gedeutet als „Der Verräterischen Rotte Tür". Es war vor 400 Jahren, im September des Jahres 1627, als