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verehrungswürdig als Gelehrter wie als Mensch, wie Haberkorn, der meines Wissens ein gebürtiger Kamenzer mar, gleichfalls ein Sohn der Lausitz. In Waltersdorf am Fuße der Lausche Hat seine Wiege gestanden. Schon anläß lich der 1848 er Freiheitsbewegung hatte ihn bas Vertrauen der Süblausitzer Wähler in das Frankfurter Sankt Pauls- Parlament entsandt, wo er mit Männern wie Ludwig Uhland für Deutschlands Freiheit und Einheit tätig war. Sein tiefschürfendes geschichtliches und politisches Verständ nis vererbte sich o ' seinen Sohn Otto Kaemmel, den Historiker. Nach Vorlesen und Einfügen einer Urkunde in den Grundstein und Anbringung der ersten Mörtellage unter den letzteren in der neun Ellen und fünfzehn Zoll tiefen Baugrube durch den Bürgermeister wurde der Stein ge richtet und an den König die Bitte ausgesprochen, das Werk der Weihe nunmehr vollziehen zu wollen. Hierbei ereignete sich ein den bescheidenen Sinn des Herrschers kennzeichnender Zwischenfall, von dem die amtlichen Akten nichts berichten Es lagen drei Hammer bereit, ein goldener für den König, ein silberner für die Würdenträger und ein gewöhnlicher Eisenhammer für die übrigen Festteilnehmer. Ich sah deutlich, wie Philalethes den gewöhnlichen Ham mer ergriff, bereit, di« ersten drei Schläge zu tun. Der großen Verlegenheit, die darauf in seiner Umgebung ent stand, machte er schließlich nach dringlichen Vorstellungen dadurch lächelnd ein Ende, daß er den goldenen Hammer nahm und damit in die Tiefe der Grube hinabstieg. Mit den Worten: „Im Namen Gottes, des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes" verrichtete er drei Hammer schläge auf den Stein. Unter Beifügung erhebender Segens wünsche für das zu errichtende neue Heim der gelehrten Doppelanstalt. Mit einem Hoch auf den Landesherrn und, wie beim Beginn des Festaktes, mit dem Gesang eines Liederverses unter Instrumentalbegleitung endete die denkwürdige Weihefeier. Der König bestieg mit seinem Gefolge die be reitstehenden Wagen und trat die Weiterreise durch die Lausitz an, während sämtliche Glocken der Stadt ihre eher nen Klänge ertönen und weit durch das Land erschallen ließen. Ein Lausitzer Weihnachts-Sänger: Magister Carl Gottlieb Hering Von Siegfried S t ö r z n e r - Dresden Wieder steht Weihnachten, das schönste Fest für jung und alt, vor der Tür. Blanke Kinderaugen schauen sehn süchtig in die Pracht der weihnachtlich geschmückten Läden, hinter deren Scheiben all das Herrliche zu finden ist, wo nach ihr junges Herz sich sehnt. Aus Schule und Haus klingen die trauten, wohlbekannten Weisen, vom Tannen baum, von der stillen, heiligen Nacht, von der fröhlichen, seligen Weihnachtszeit und wie sie alle heißen. Und bald hätte ich eins der schönsten vergessen, das durch seine schlichte und doch so markante Melodie längst zum Volks lied geworden ist, den Weihnachtssang: Morgen, Kinder, wirb's was geben, morgen werden wir uns freu'n! Welch ein Jubel, welch ein Leben wird in unserm Hause sein! Einmal werden wir noch wach, heisa, dann ist Weihnachtstag! Wohl kaum ein einziges aus der erwartungsvollen Kinderschar, von deren Munde wir das Lied hören, weiß, wer den schönen Sang ihm geschenkt. Ein Landsmann war es, der seine Jugendzeit in dem Elbstädtchen Schandau verlebte. Vor hundert Jahren hat er die Melodie der Jugend als Weihnachtsgabe unter den Tannenbaum gelegt. Die dankbare Nachwelt hat seiner nicht vergessen: Im Mittelpunkt Schandaus weisen am Geburtshause zwei schlichte Gedenktafeln den Fremden darauf hin, daß hier vor anderthalb Jahrhunderten ein gottbegnadeter Meister der Töne das Licht der Welt erblickte. Wir lesen an dem Grundstücke, Poststraße 31, dicht neben der Hauptpost: Geburtsstätte des Magisters Carl Gottlieb Hering. Gründer der deutschen Musikdidaktik, geb. den 25. Okt. 1766 sbez. 1765), gest. am 4. Jan. 1853. Über das Geburtsjahr des Meisters bestanden früher Zweifel. Während die ältere Tafel 1765 angibt, ist auf der neueren Platte 1766 genannt. Diese Zeichen dankbarer Er innerung gehen auf die Feier des 100. Geburtstages zurück. Hier in Schandau verlebte Carl Gottlieb seine glück liche Kindheit und Jugend. Sein Vater war Schiffseigner und Segeltuchmacher. Die große, angesehene Heringsche Familie findet sich heute noch in den verschiedensten Orten der Sächsischen Schweiz und des Meißner Hochlandes. Zu ihren berühmtesten Gliedern gehört der Erbauer der Oberen Schleuse l1826) bei Hinterhermsborf, der Schau dauer Floßmeister, weiter ein Kaufmann Hering, der Schöpfer des Brunnenhauses und Gründer des- Mineral bades Schandau. Um 1840 lebten im Gebiete der Sächsischen Schweiz u. a. folgende Angehörige der Familie Hering: August Hering, Kaufmann und Fabrikant in Krippen, Samuel Gottlob Hering, Erblehngutsbesitzer in Rein- Gottlob Hering, Bäckermeister in Schandau, fhardtsdorf, Johann Samuel Hering, Fleischermeister und Gutsbesitzer in Dorf Wehlen, Carl August Hering, Schweizführer in Rathen. Nach gründlicher musikalischer und guter wissenschaft licher Ausbildung folgte unser Schandauer Freund als Dreißigjähriger einem Rufe als Konrektor und Organist an die Lateinschule in Oschatz. Hier wurde er bald weite sten Kreisen bekannt durch seine im Volkston gehaltenen Lieder, von denen ich nur zwei nennen möchte, die sich bis auf die Gegenwart erhalten haben, das reizende Kinder lied: Hopp, hopp, hopp, Pferdchen, lauf Galopp, über Stock und über Steine, aber brich dir nicht die Beine. Immer im Galopp, Hopp, Hopp, Hopp, Hopp, Hopp. Und dann „der Großvater", der in unserer Väter Tagen zu den beliebtesten und am meisten gesungenen Liedern gehörte: Als der Großvater die Großmutter nahm, da wußte man nichts von Mamsell und Madam. Die züchtige Jungfrau, das häusliche Weib, sie waren echt deutsch noch an Seel nnd an Leib. Zur Biedermeierzeit gehörten die Kenntnis nnd der Vortrag dieses Liedes zum guten Ton, und noch heute tanzt man nach der Heringschen Melodie den Großvater als den Kehraus am Schlüsse der „Vergnügen". Es dürfte wohl wenig bekannt sein, daß auch der Dichter des Liedes ein Landsmann ist. August Fried rich Langbein heißt er, wurde im Schlosse zu Rade berg geboren, wo sein Vater Jüstizamtmann war, widmete sich der juristischen Laufbahn, schied aber später aus Neigung zur Dichtkunst aus diesem Berufe aus und ging nach Ber lin, wo er 1835 als preußischer Zensor der Literatur starb. Was Langbein und Hering vor hundert Jahren ge sungen, paßt es nicht auch in unsere heutige Zeit? Als der Großvater die Großmutter nahm, da rief noch der Vaterlandsfreund nicht voll Harm: O gäbe den Deutschen ein goldnes Geschick die glücklichen Großväterzeiten zurück! In den Jahren, da Deutschland tn tiefster Erniedri-