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98 Gberlauflher Helmatzettung Nr. 7 schen die Erde bevölkerten, sondern nur Tiere und Pflanzen. Und vielleicht auch diese noch nicht einmal. Kurz, das Museum will zeigen, daß unsere Heimatscholle srüher ganz anders ausgesehen hat und daß sie einen langen Entwicklungsgang durchwachte, ehe sie ihr heutiges Aussehen annahm. Wo sich jetzt unsere Berge erheben, da flutete wiederholt ein weites Meer vom heutigen Böhmen bis nach Preußen hinein. Der Schlamm, der sich auf seine Gründe niederschlug, wurde, als das Wasser verlaufen war, zu festem Stein: Schiefer und Grau wacke. Später wurden diese Gesteinsmassen zusammengepreßt und emporgeschoben, es entstanden in langen, langen Zeiträumen alpenhohe Gebirge, gerade in unserer Lausitz. Aber aus der Tiefe drängte glutflüssiger Brei nach oben und wollte die feste Erd kruste und das Gebirge durchbrechen. Das gelang ihm jedoch nicht. Erst als im Lause von Iahrmillionen die Berge verwittert und der Schutt durch die Flüsse weggespült worden war, da kam der nun erhärtete Kern zutage; es ist der uns allen bekannte Granit. Was erzählt uns dieses altehrwürdige Gestein noch? Das Betrachten mir dem bloßen Auge verrät schon, daß es zwar in der Hauptsache aus Feldspat, Quarz und Glimmer zusammen gesetzt ist, daß sich aber in ihm gelegentlich ein Dutzend anderer Mineralien finden, darunter wer.volle Erze. Welche verschieden artige Ausbildung besitzt der Granit! Die einzelnen Gemengteile sind manchmal sehr grob, dann wieder sehr feinkörnig aus gebildet. Wenn wir gar ein dünngeschlisjenes Splitterchen dieses schwarzweitz gesprenkelten Gesteins unter dem Mikroskop (mit einem besonderen Hilssapparal) ansehen, welch eine Farbenpracht leuchtet uns da entgegen! An ihr ersreul sich das Auge des Laien und des Künstlers; aber der Fachmann erkennt an den bunten Farben die mannigfachen Bestandteile des Gesteins. Noch vieles mehr enthält die Abteilung „Granit". Bon seiner weiteren Ver breitung in unserer Lausitz zeugen Landkarten und Bilder. Auch der Granit fällt der Zerstörung anheim und aus seinen Trümmern wurden schon vor undenklichen Zeiten neue Gesteine gebildet. So ist er nur ein Glied in dem ewigen Kreislauf allen Geschehens. Flüsse graben in seinen Leib tiefe Täler, Wind und Welter formen aus seinen plumpen, ungefügen Massen die sonderbarsten Felsgestalten, die vom Hauch der Sage umweht werden, wo heidnische Bölkerstämme ihre Blutopfer darbrachten. Wir sehen in dem Granit nicht minder den brauchbaren Werk stein, den in unserer Lausitz Tausende schwielige Hände in den Bergen brechen und bis an die Meere hin verfrachten. Und ebenso weiß ihn der Landwirt zu schätzen; denn der Granit wandelt sich schließlich zu Ackererde um und gibt damit unseren Pflanzen alle nöligen Nährstoffe. Auch der Sandstein gilt uns nicht nur als eine Anhäu- fung von Sandkörnchen, die durch Kiesel(-Säure), Kalk, Ton oder Eisen verkittet sind. Er ist aus Berwilterungsprodukten des Granits heroorgegangen — dem Sande — und ist ein Kind des Meeres. Ja, er hat die untrüglichen Taufzeugen mit eingebettet: Muscheln, Schnecken und Seeigel, Korallen und Schwämme, die nun selbst zu Stein geworden sind. Aus dem Meere ist der Sand- stetn ausgelaucht als einförmiges, ungegliedertes Tafelland. Doch die Verwitterung zaubert daraus eine kaum übersehbare Formen fülle von Klippen und Glocken, Mauern, Türmen und Pfeilern mit ihren Nischen und Höhlen und phantastischen Felsgestalten. Da gibt es einen Löwen, eine Schildkröte, brütende Henne, Sphinx, Hexe, einen Großvater und vieles mehr. Darum lockt diese Sormenwelt jährlich Zehnlausende in ihr Reich. Dem Baumeister und Bildhauer von heute ist der Sandstein wertvoll, wie schon vor eineinhalb Jahrhunderten den einhei- mischen Künstlern, die aus ihm prächtige Türstöcke in Walters dorf, Jonsdorf und Großschönau meißelten, und den Mönchen, die vor mehr als einem halben Jahrtausend das Kleinod der Klosterkirche aus dem Lubin schufen. Diese kleinen Ausschnitte mögen andeuten, was das Museum alles bietet. Es würde zu weit führen, wollten wir heute noch von den feuerspeienden Bergen unserer Lausitz erzählen, von der Bildung der Braunkohle und von der alles Leben vernichtenden Eiszeit, in der unsere Gegend ein paar hundert Meter tief unter Eis verborgen lag, das sich von Schweden heranwälzte. Nach dem Rückzüge des Eises konnte der Mensch endlich bei uns festen Fuß fassen. Er kam hierher aus unvereist gebliebenen Teilen Europas. Anfangs schlug er Werkzeug und Waffe aus Feuer- stein; später goß er sie aus Bronze. Lehm formte er zu Urnen und Schüsseln. Klingt das nicht alles wie ein Märchen, wie ein erdichteter Roman? Und doch ist es wissenschaftliche Erkenntnis, Wahrheit, an deren Vertiefung es freilich noch viel zu arbeiten gilt. Das Museum will gar kein wissenschaftliches Institut sein, aber der Heimatforschung den Boden vorbereiten, die Stellen aufweisen, wo auch der Laie mitschaffend tätig sein kann. Es wäre ohne deren aufopfernde Mitarbeit das Museum in so kurzer Zeit und mit so reichem Anschauungs-Material an Steinen, Photographien, Gemälden, Reliefs und Modellen überhaupt nicht zustande gekommen. Denen, die am Aufbau und der Aus gestaltung geholfen haben, wurde diese Arbeit zur Freude; und durch diese Arbeit wurden sie zu Freunden. — Ist das nicht schließlich auch ein Gewinn? Das Heimatmuseum ist vorderhand auf Steine und vor geschichtliche Funde unserer Heimat beschränkt. Zur notwendigen Ergänzung gehören noch heimatliche Pflanzen und Tiere. Erst dann wird sich der Ring schließen zwischen der Landschaft und ihren Bewohnern. Das ist ein Ziel, dem man schon in wenigen Jahren nahekommen kann. Aber über diesen Heimatgedanken hinaus reichen die Pläne: Die Schaffung eines allgemeinen naturkundlichen Museums in unserer Stadt. Auch hierzu ist das Material zum Teil schon vorhanden: die Sammlungen des Realgymnasiums. Vor Jahren schon — als sie noch in den alten Räumen unter gebracht waren — zeigten fünf überaus stark besuchte Führungen das rege Interesse in allen Kreisen der Bevölkerung. Bereits im vergangenen Winter wurden durch den Umbau des Iohanneums jene Sammlungen mit dem Heimatmuseum räumlich verbunden, aber erst nach dem diesjährigen An- und Umbau endgültig auf gestellt. Ist man auch noch weit von dem Ziele eines natur kundlichen Museums entfernt, so bilden die vorhandenen Schätze doch schon einen wesentlichen Grundstock hierzu. Da es von vornherein klar war, daß selbst im günstigsten Falle der Platz beschränkt bleibt, so müssen neben die zum Museum vereinigten und ausgebauten Sammlungen noch Teil- ausstellungen treten. Diese können alle vier bis fünf Wochen wechseln und Sonnabends und Sonntags besichtigt werden. So lassen sich vorführen unsere Frühlingsboten, die Pflanzen des Sommers, des Herbstes, unsere Kulturpflanzen, die Garten blumen, Unkräuter, Laubbäume und Sträucher, die Nadelhölzer, die niedrigen Pflanzen, besonders die Pilze usw. Aus dem Tierreich können vorgesührt werden die Vögel in Haus und Hof, auf Feld und Wiese, im Walde, am Wasser, die Zugvögel, unsere Standvögel, Säugetiere der Heimat, Kriech tiere und Lurche, Fische, Schmetterlinge, Käfer, Muscheln und Schnecken, Beziehungen zwischen Pflanze und Tier, Tier und Mensch. An Sonderansstellungen aus dem Reiche der Steine: die nutz baren Mineralien und Gesteine (gegliedert in Lausitz, Sachsen, Deutschland und Ausland), die Erze, die Brennstoffe, die Ent wicklung des Lebens auf der Erde (Versteinerungen). Diese Teilausstellungen bieten Stoff sür mehrere Jahre, ohne daß eine Wiederholung einzutreten braucht. Sodann besteht die Aussicht, daß wertvolle Prioatsammlungen ihre Schätze zur Ver fügung stellen werden zur Ergänzung dieser Sonderausstellungen. Deren Aufgabe aber wird erst erfüllt sein, wenn gleichzeitig auch kurze Führungen stattfinden und durch kleine Zeitungsartikel der Boden etwas vorbereitet ist. Auf Wanderungen wird ein großer Teil des Materials zusammengetragen und in Schüler übungen sür das entstehende Museum verarbeitet. Dann leistet die Schule noch mehr Dienst sür die Allgemeinheit, als es bisher möglich war. So kann auch das Museum niemals ein toter Speicher von unzähligen schönen und merkwürdigen Dingen werden, sondern muß belebend wirken, d. h. auch zunächst Ferner stehende werden mit in den Interessenkreis gezogen, der ja letzten