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KberlauMer Helmatzeltung Är. 7 Grundlage beruhe» auch die volkstümliche» Überlieferungen, mit denen unsere heimatliche Oberlausitz den Palmsonntag in ein fest, ltch Gewand gekleidet hat. Bei den kirchlichen Aufzügen, welche bis in die Refor- mativnszeit in den Städten der Oberlausitz am Palmsonntage veranstaltet wurden, spielt der sog. „Palmesel" eine große Rolle. Es war dies eine „hölzerne Eselsfigur", die auf Rädern fortbewegt wurde. Darauf setzte sich ein Mensch, der den Herrn Christus vorstellen sollte. Mit großem Gepränge und lautem Gesänge fuhr man diese Eselsgestalt zur Kirche hinaus, schrie „Hosianna" und streute grüne Zweige. Dann ging es durch das Stadttor aus die Felder und Wiesen, damit diese dadurch gesegnet und fruchlbar würden und umso reichlicher trügen. Solcher Brauch ist 1525 bei Einführung der lutherischen Kirchenresormation eingestellt worden. Einer Nachricht von 1550 zufolge wurde der .Palmesel" aber noch in genanntem Jahre in den Dörfern der Zittauer Gegend durch die Fluren geführt. Heutigentags ist von diesem Brauche bei uns nichts mehr zu spüren. Aus die Orte mit katholischer Bevölkerung der Oberlausitz und des benachbarten Böhmens ist gegenwärtig die „Palm- weihe", soweit sich dieselbe noch erhalten, beschränkt. Man ver. wendet dazu die weiblichen Blütenkätzchen der .Salweide", die „Palmmiez'l" im Munde unserer Oberlausitzer, um sie in der Kirche .weihen" zu lasten. Sie sollen ihrem Besitzer Schutz und Glück im kommenden Jahre gewähren. Da man vernünftiger, weise neuerdings die Palmkätzchen mit Rücksicht auf ihre große Bedeutung als erste Bienennahrung, und aus anderen Gründen des Naturschutzes, unter behördliche Obhut genommen hat, dürfte diese Palmsonntagsitte, wenigstens bei uns in Sachsen, kaum noch besonders eifrig geübt werden. In früheren Jahren erbaute sich die Gemeinde so mancher Oberlausitzer Dorfschaft am Palmsonntage in der Kirche an einer Art Oratorium, einer musikalischen Passionsandachl mit ver teilten Rollen. So wird uns beispielsweise aus Cunewalde berichtet, daß daselbst am Palmsonntage der erste und am Kar freitage der zweite Teil der „Passion oder des leidenden, ster- benden und begrabenen Jesus" gesungen wurde. Die „Neue Sächsische Kirchengalerie" weiß aus dem Munde von gegen- wärtig noch lebenden Sängern und älteren Gemeindegliedern, daß diese Aufführung aus einem „ergreifenden Wechselgesange des Chores, Jesu, dem Evangelisten und anderen Personen der Leidensgeschichte" bestand. Nach einem anderweitigen Berichte traten in dieser „Passion" als Einzelpersonen Christus, Petrus, Pilatus, eine Magd und noch einige andere Personen auf. Eine solche kirchliche Gesangsaufführung erwähnt die Kirchen- und Schulordnung von Neukirch a. Hohwald aus dem Jahre 1625. Bon einem unbekannten Verfasser stammt ein 1764 in Löbau erschienenes Druckschriftchen, welches eine derartige Passion, wie sie in einem großen Weberdorfe der Südlausitz (Großschönau) alljährlich ausgeführt wurde, zum Gegenstand hat. Dieses kleine, in zwei Teilen abgefaßte „Passtonsfestspielbuch" trägt die Uber- schrist „Die Leidens- und Sterbens-Geschichte Unseres Heylandes Jesu Christi. Nach der Beschreibung des heiligen Evangelisten Marei im XIV. und XV. Kapitel. Nebst untermischten andäch- tigen Arten und geistreichen Lieder-Versen, welche in den Kirchen zu Großschönau abgesungen werden sollen". Wie in den Bergen der Oberlaujttz die Volkssage am Kar- freitag, Walpurgis- und Iohannisabend eine verborgene Schatz höhle sich öffnen läßt und bevorzugten Menschenkindern Eintritt und Reichtum verheißt, so bezieht dies im benachbarten Deutsch böhmerlande der Volksmund in ähnlicher Weise aus den Palm sonntag. Sagenüberlieserungen solcher Art sind uns bekannt vom Wolfsberge bei Schönlinde und dem sog. „Wüsten Schloß", der ehemaligen Beste „Karlstetn" bei Niederkreibitz und dem „Fal- kenberge" bei Gabel. Bon ersterem berichtet die Sage: Wer zur richtigen Stunde, ohne daß er ein anderes Wort als die dazu bestimmte Formel spricht, bei dem Steine verbleibt, auf welchem der Schatzkasten mit Gold und Silber, Perlen und Edelsteinen offen dasteht, dem ist der Inhalt desselben beschicken. Doch ist bisher keinem Sterb- lichen die Schatzhebung gelungen. Einst hatten zwei Brüder am Palmsonntage während des Hochamts — das ist nämlich die richtige Zeit — den Wolfsberg bestiegen, um sich an dessen ge- heimnisvollen Schätzen zu bereichern. Tags zuvor hatten sie von einem kleinen grauen Männlein, das sie beim Holzfällen ge- troffen, die notwendigen Sprüchlein erfahren. Am Berge an. gelangt, konnte sich aber keiner von beiden mehr auf die ersten Worte besinnen. Bald erhob sich ein furchtbarer Sturm, der die Bäume zur Erde bog und sie krachend zu Boden riß. Trotz aller Angst ließen sich die zwei Schatzheber nicht zurückschrecken. Als aber das Unwetter immer ärger wurde und Blitz und Donner dazu kamen und ihnen die Beschwörungsformel immer noch nicht einfiel, brach der eine in die Worte aus: „Das ist doch nicht zum Aushalten, wir müssen umkehren!" Kaum hatte er dies gesagt, so legte sich wohl der Sturm, der Schatzkasten verschwand aber auch in diesem Augenblick. Die beid n Schatzgräber mußten nun von ihrem Beginnen absehen, da kein Männlein mehr erschien, um sie die Sprüche aufs neue zu lehren. Eine fast gleichlautende Sage, wie wir sie von einer ganzen Anzahl Berge der Oberlausitz kennen, knüpft sich an das „Wüste Schloß" bei Niederkreibitz. Ihr Inhalt ist kurz folgender: Am Palmsonntage, als in den Kirchen die Leidensgeschichte des Herrn gesungen wird, begibt sich eine arme Tagelöhnerswttwe an jenen von den Umwohnenden meistens gemiedenen Ort in tiefer Wald- einsamkeit. Mit ihrem zweijährigen Kinde auf dem Arme steht sie vor dem Felsenlore. Dasselbe erschließt sich krachend und Gold und Silber gleißen ihr entgegen. Hinzueilen und das Kind zur Seite legen, ist das Werk eines Augenblicks. In aller Eile rafft sie soviel als möglich Schätze zusammen und trägt sie hinaus. Hinter ihrem Rücken schließt sich aber mit Getöse die Felsenpforte. Mit Entsetzen bemerkt die Frau, daß sie ihr Kind im Berge zurückgelaffen hat. Nichts nützen ihr nun Tränen und Gebete, wertlos ist für sie der gewonnene Reichtum. Am nächstjährigen Palmsonntage aber steht das Weib wieder an der Stätte. Da öffnet sich der Felsen und vor sich erblickt sie ihr Kind, umgeben von Waldelfen und bedient von grauen Bergmännlein. Die Frau hat jetzt kein Auge mehr für die lockenden Schätze. Beglückt schließt sie ihr Kind in die Arme und eilt mit ihm jubelnd heim wärts. Sie besitzt nun wieder den höchsten Schatz, den es für eine Mutter auf Erden gibt. Noch eine weitere Sage, die ebenfalls zu unserer wüsten Burg- stätte in Beziehung steht, verbindet das Volk mit dem Palm sonntage. Eine alte, reiche aber geizige Bäckersfrau gelüstete es nach den harten Talern des Burgschatzes. Mit Hacke und Schaufel ausgerüstet, war sie an einem Palmsonntage zur Stelle. Schon hatte sie ihr Werk begonnen und schon erglänzten ihr die ersten Goldstücke entgegen, da hielt urplötzlich ein junger Rettersmann aus einem schnaubenden Rappen vor ihr und richtete an sie die Frage, wie weit es noch bis zum Kreibitzer Stadtgericht sei und ob er dasselbe wohl bis zum Abendläuten erreichen könne. Die Frau hackte fort, lächelte über diese einfältige Frage — die Ent fernung betrug ja nur eine kleine Stunde — und war der Vor- schrist eingedenk, unter keinen Umständen zu reden. Der Reiter sprengte fort und bald kam der erste Geldtopf zum Vorschein. In diesem Augenblick erschien ein verwachsener Knirps, über die Maßen schielend, vorn und hinten mit einem stattlichen Höcker ausgestattet, auf einem großmächtigenZiegenbocke, dessen gebogene Hörner ihm als Zügel dienten, daher gehumpelt. Dieser drollige Reiter fragt mit ängstlicher Eilfertigkeit: „Mü—Mü—Mütter- chen, werde ich wohl den Reitersmann einholen, der dort drüben den Berg hinauf galoppiert?" Das war doch zu viel für die Standhaftigkeit der Schatzgräberin, sie brach in ein schallendes Gelächter aus und rief: „Ei, du stehst darnach aus, du Narr, als ob du ." Weiter kam sie nicht. Brr! Da waren die Geld ¬ töpfe verrollt, und ihnen folgte Hacke, Schaufel, Jacke und Kopf tuch der Alten. Nichts halfen dieser die lauten Verwünschungen, die sie ausstieb, sie war überlistet und mußte den Heimweg an treten. Ihr Mißgeschick wurde aber bald bekannt und sie erntete zu dem Schaden auch noch den Spott, dem man in einem ergötz-