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Ne. 23 Gbsrlauflher Hslmaizeltung 287 Aus dec ReukirKer Kirchen- und Schulordnung 162Z. Nierich, Neukirch Bei der Kolonisation des Landes östlich der Elbe und der Gründung der neuen Mark Meißen kamen um das Jahr 800 bis 1000 auch die Mönche und Priester in das Land, gründeten Klöster und Kirchen und pflanzten den Gedanken des Christentums tief hinein in sorbisch-heid nisches Land. Zu den allerersten Kirchdörfern gehört auch Neukirch. In Bndissin war eine Kirche und auf dem Lande in Göda eine erbaut worden. Da Neukirch in der Grenz urkunde von 1213 erstmalig als Nuenkirchen erwähnt wird, geht hervor, daß es schon früher eine Kirche oder Kapelle besessen hat, die durch eine neue ersetzt worden ist und dem Orte den Namen gegeben hat. Diese katholische Pfarrkirche „zu unser lieben Frauen" war die Tochterkirche des Bu- dissiner Doms. Eingepfarrt waren die Dörfer Dretschen, Arnsdorf, Diehmen, Tröbigau, Tautewalde und Ringen hain. Die Reformation fand in Neukirch Eingang durch die Wahl des lutherisch gesinnten Geistlichen Gregor Schramm 1824. Der Domkapitular Christof von Haugwitz in Budissin war selbst ein Anhänger der neuen Lehre, doch nach seinem Tode setzte die Gegenreformation ein, Neu kirch verlor seine Parochialdörfer bis auf Ringenhain und Diehmen. Seinen Glanz und seine Macht aus katholischer Zeit hatte es eingebüßt. Wir dürfen aber nicht denken, daß der Einzug der evangelischen Lehre nun ein großer Um sturz gewesen wäre, vieles behielt auch die neue Kirche bei, was erst später allmählich geändert wurde. Bei dem Kroa- tcnüberfall des Jahres 1631 wurde aus der Dreßkammer in der Kirche ein grünsamtnes Meßgewand gestohlen. Der Geistliche bediente sich also noch hundert Jahre nach Ein führung der neuen LehLc der bunten Gewänder der Priester aus katholischer Zeit. Selbst in dem 1723 bis 1753 errichteten Neubaue wurden noch Bildwerke aus katho lischer Zeit angebracht, so ein 160 orn hohes Kreuzbild aus Holz, eine Apostel- und Christüsstatue, 70 ein hoch, ein Engel und ein Engelskopf als Konsol, Schnitzwerke aus dem 16. Jahrhundert. Noch deutlicher ist aber aus der Kirchen- und Schulordnung zu ersehen, daß vieles aus der alten Kirche „zu unser lieben Frauen" noch mit über nommen worden war. Abschnitt 12 spricht von der Betstunde, die jeden Mitt woch früh 5 oder 6 Uhr, im Winter um 7 oder 8 Uhr ab gehalten werden solle und ein Rest der katholischen Früh messe war. Nach einem kurzen Liedgesange las der Geist liche ein Kapitel aus der Schrift vor und fügte „wenn auditores vorhanden" eine kurze Erklärung an, die nicht länger als eine halbe Stunde dauern durfte. Ein Liedvers beschloß diese Betstunde. Aus Abschnitt 15 „Von der Beichte" erfahren wir, daß noch Beichtstühle in der Kirche gestanden haben nnd jeden Sonnabend 1 Uhr Ohrenbcichte gehalten wurde: „Weill besonderen und fornehmlich nach derselben willen die ohren beichte noch dem Bapstumb in Unßern Luterischen Kirchen behalten worden" Da aber die Neu- kircher wegen ihrer Zank- und Streitsucht übel beleu mundet waren, so schreibt diese Ordnung noch vor, daß die Beichtkinder dem Pfarrer nicht „auf den Hals lauffen" sollen, um die Beichte anderer zu hören. Sie sollen „Nicht mit dem Beicht Vater Erpöstuliren Und Zancken, auch wohl denselben Schmehen Und lestern Uff den heim wege mit ihren wieder Theil flugs Uffs Naue sich rauffen schlahen Und beißen." Diese Zeilen sprechen wirklich von üblen Er fahrungen, und die Worte des Geistlichen scheinen nicht tief in die Herzen der Hörer eingedrungen zu sein. Abschnitt 18. „Von der Schlechten Kirchenbus und Knien vorm althar" Diese Kitchenstrafe durfte nicht ohne Verordnung der Lehnshcrrschaft vollzogen werden und war eine echt mittelalterliche Einrichtung. Gewöhnlich wurden „ehrlos gewordene" Mädchen und Frauen damit belegt. Sie mußten drei Sonntage nacheinander vor dem Altar knien solange der Pfarrer auf der Kanzel predigte, angeschlossen mit Handschellen. Am dritten Sonntage wurde der „Verbrecher" von der Kanzel aus öffentlich abgemel- det, mußte vor dem Altar die Beichte nachsprechen und er hielt darauf die Absolution. Nach allen Kirchgängern kom munizierte er als letzter, wobei die Gemeinde den 51. Psalm anstimmte: „Erbarme dich mein Herre Gott". Verschärfung erlitt diese Buße noch dadurch, daß der Delinquent vor dem Gottesdienste am Pranger, der sich bei dem westlichen Kirchhofstore befand, angeschlossen und nach dem Gottes dienste wieder dahin zurückgeführt wurde. Das war prak tisches Christentum. Eine besondere Sitte verrät Abschnitt 28 und 29. Die Leichen wurden im offenen Sarge zum Friedhöfe getragen, erst eine Verordnung vom Jahre 1840 verbietet das. Die Kirchenordnung von 1623 ordnet nun an, daß die Leichen mit einem weißen und einem schwarzen Tuche zu bedecken seien. Ein eigens zu dem Zwecke erwähltes Gemeindemit glied hatte nun die Aufgabe, diese beiden Tücher in Ver wahrung zu nehmen und zu waschen. Bei Beerdigungen eines Familiengliedes der Adelsherrschaft lieferte diese selbst die beiden Tücher, und nach der Trauerfeier erhielt der Pfarrer das schwarze und der Schulmeister das weiße Leichentuch als Geschenk. Abschnitt 31 handelt vom Gebrauch der Glocken und verbietet das „abergläubische Wetter und Creuz ausläutcn der Osterreitcr". Diese Sitte, die jetzt nur noch in wenigen Dörfern anzutreffen ist, war viel mehr verbreitet. Daher befaßt sich Abschnitt 44 „Von der abstellung des auf dem abgöttischen Babsttumb Herürenden Herummer Reitenß mit dem Crucifix an den heiligen Oster feiertags." Es wird darin eine „abscheuliche vom abgöttischen Babsttumb herürende Sitte" genannt und dem Schulmeister oder „Cosdoti" verboten „zu solchem Oster Spille geleute und Crucifix nicht mehr zuerstatten und rauß zu geben". Auch die Sitte des Tobaustreibens und Verbrennens des Stroh teufels wurde hier geübt und fand ebenso bei der Guts herrschaft ungnädige Aufnahme. Der Artikel lautet: „Als soll fernher, wie auch der an denn fastnachtten Herummer fürcnden Ströern Teufel den Mann denselben« nicht an die Wandt mahlen, Und nicht mitt sich fuhren darff, be sonder» mahl vonn sich selbstens und meist allzufrtt Kom met, Und sich einmeng, Aber wenig Nuzens Und guttes Stifftet." Der Herrschaft scheint überhaupt jede Zusammen kunft mehrerer Leute unlieb gewesen zu sein, und es mag doch ein nicht allzureines Gewissen der Grund zu der artigen Verboten die Ursache gegeben habert, so wurde selbst das Zusammenkommen in Spinnstuben, „Nöcknerei" genannt, unter Androhung von vier Wochen Gefängnis im Stock verboten, weil „nichts denn Unzucht, Büberei und Leichtfertigkeit getrieben" worden sei. Am wenigsten befaßt sich nun die Kirchen- und Schul ordnung mit schulischen Dingen, weil diese der Herrschaft sehr gleichgültig waren: denn es lag ihr ja nur daran, tüchtige Hofe- und Fronbauern zu besitzen. Daher galt auch als einziges zugelassenes Schulbuch Luthers Gesangbuch und Katechismus. Im Auslande, dem nahen Meißen, scheint man allerdings schon weiter fortgeschritten gewesen zu sein,- denn die Schulordnung verbot ihrem Schulmeister „Keine selzamen srembden Lieder gar Peurische Meldien seinen Schulknaben Wie bei unser benachbarten des Landes Zu Meißen undt erzlichen anderen Ohrten, dießes Marg- graf Thumbs Oberlaußiz brenchlich" zu lernen. Na, die Rechtschreibung dieser Verordnung sagt schon deutlich ge nug, daß die Gutsherrschaft streng darüber wachte, daß ihre Untertanen nicht allzuklug wurden. Trotzdem wollte man aber darauf achten, daß der Schulmeister, dem man