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Wunder also, daß der Volksmund für das harmlose Tier chen den Schimpfnamen „Hexe" anwendet. Ebensowenig hat sich die sehr nützliche Kröte den Spottnamen „Hätiche" verdient. — Und die Krähe ist um ihren Titel „Gage" wirklich nicht zu beneiden, Farbe und Körperbau spielten, weil minder hübsch, bei diesen volkstümlichen Ausdrücken eine wichtige Rolle. — Den Sprechwerkzeugen des Lau sitzers besonders mundgerecht gemacht ist das Wörtchen „Kaularschel" für die Jungbrut der Frösche, die Kaul quappen. — Einer der größten Vögel unserer Wälder, der Eichelhäher, dessen heiseres Krächzen abscheulich durch die Büsche schallt, verzehrt mit Vorliebe alle Arten Hart früchte, wie Eicheln, Bucheckern und im Winter, wenn er die Siedlungen aufsucht, ausgelegte Nüsse, was ihm den Namen „Nußhacksch" eingetragen hat. — Freund Spatz, der Sperling, ist obendrein noch stolz darauf, daß er sich nach wie vor als „Spruzer" mit wegwerfender Geste darf ver- spötteln lassen. (Fortsetzung folgt.) SroßvossMrr MvrKra. Von Siegfried Störzner, Dresden Den Freunden der Heimatzeitung seien heute einige alte Sagen und Geschichten erzählt, wie sie Urkunden, Chro niken und die Volksüberlieferung aus vergangenen Tagen von Großpostwitz uns berichten. Warum Döhlen von Großpostwitz nach Hochkirch ausgepfarrt wurde. Rund 200 Jahre sind es her, daß der kleine am Nord westfuße des Czornebohrückens gelegene Weiler Döhlen bei Pielitz von der Großpostwitzer Kirche und „mit den Sacres" nach dem viel entfernteren Hochkirch gewiesen wurde. Die Veranlassung dazu soll eine schwere Freveltat gewesen sein, ein Totschlag. Wegen der Triftgerechtsame, ob des Weidens einer Schafherde, war am Kirchwege zwischen Bauer und Schäfer ein Streit entstanden, der schlimmen Ausgang nahm. Die Sage erzählt: Anno 1728 hütete am Sonntag Misericordias Domini der Schäfer Peter Probst auf dem am Großpostwitzer Kirchwege gelegenen Döhlcner Wiesen die Schafherde seines Vaters, des Freibauern von Pielitz. Der Alte hat ihm genaue Anweisung gegeben, an welchem Platze die Herde weiden soll. Da kommt von ungefähr Peter Kilian vorüber, ein Bauersmann aus Döhlen. Er ist auf dem Wege nach Großpostwitz. Gleich seiner bereits norausgegangenen Frau und Tochter will er dort den Frühgottesdienst besuchen. Misericordias Domini. Da steht er zu seinem Arger den Pielitzer Schäfer auf seinen eigenen Wiesen eine fremde Herbe weiden. Mit harten Worten stellt er ihn zur Rede und weist ihn weg. Der aber weicht nicht, hat ihm doch sein Vater befohlen, ge rade hier die Schafe zu hüten, wozu er als Freibauer das Recht zu haben glaubt. Der Wortwechsel wird immer ärger, der Streit immer heftiger. Keiner will nachgeben. Da schlägt wutentbrannt der jähzornige Schäfer mit seinem Stock den Peter Kilian so heftig über den Kopf, daß der Bauer bewußtlos zusammenbricht. Misericordias Domini — Barmherzigkeit des Herrn! Erst nach einiger Zeit kommt er wieder zu sich und schleppt sich mühsam nach Hause. Daheim angelangt, eilt niemand auf sein klägliches Wimmern und Stöhnen zur Hilfe herbei. Das ganze Dörfchen ist ja drunten in Groß postwitz in der Frtthkirche. Misericordias Domini! Endlich kommen Frau und Tochter heim. Voll Schrek- ken finden sie den Vater blutüberströmt und ohne Be wußtsein auf der Ofenbank liegen, wohin er noch mit dem letzten Rest der schwindenden Kräfte gelangt ist. In flie gender Eile prescht ein inzwischen auch vom Kirchgang heimgekehrter Knecht auf dem besten Pferd nach Budissa, nm von dort einen Chirurgen zu holen. Der kommt denn auch bald, wäscht die Wunde aus und verbindet den Bauer, findet aber einen so schweren Schädelbruch, daß er wenig Hoffnung machen kann. Noch einen ganzen Tag bringt Peter Kilian, zwischen Tod und Leben ringend, zu. Da kommt am Montag in der Frühe zufällig der Hochkircher Pfarrer vorüber. Er hört von der Freveltat und eilt sogleich zu dem sterbenden Bauersmanne, um ihm noch den Trost der Kirche zu spen den, mit ihm zu beten und ihn einzusegnen. Ein Stünd lein später hat Kilian ausgelitten. Auf dem entfernten Hochkircher Friedhöfe trägt man den Döhlener Bauer zur letzten Ruhe. Man bettet ihn hier und nicht drunten im Spreetale in den Schoß der Erde, weil sich die Hinterbliebenen zu dem so menschen freundlichen und teilnahmsvollen Pfarrer von Hochkirch be sonders hingezogen fühlen. Dazu kommt! Der gestrenge Erb-, Lehn- und Gerichtsherr auf Pielitz, einer aus dem bekannten Geschlechte derer von Ziegler, hat den Döhlenern den Kirchweg nach' Großpostwitz, der über seine Fluren führt, untersagt. Er will so verhüten, daß etwa bet Kilians Begräbnis drunten in Postwitz oder hinterher im Kruge neue Streitigkeiten und Freveltaten zwischen den Pielitzern und den Döhlenern entstehen. Und der jähzornige, heißblütige Schäfer? Den haben Büttel und Häscher bald gefunden. Er wird vor Gericht gestellt und zum Tode durch das Schwert verurteilt. Als Verschärfung der Strafe wird dem Henker befohlen, den Deliquenten in einer dunklen Kammer — seines Vater hauses hinzurichten, damit Peter Probsts Angehörige noch mehr als sonst der Schrecken durchzittere! Misericordias Domini! Der Cunewalder Pfarrer findet bei Großpostwitz einen seltsamen Tod. Unter den Lausitzer Gemeinden soll Großpostwitz die erste gewesen sein, in der Luthers Lehre, wenn auch heim lich, Eingang fand, wirkte doch hier ein eifriger Anhänger des Wittenberger Reformators, der ehemalige Barfüßer- mönch Paul Bossack. Schon kurze Zeit nach dem Erscheinen des von Luther 1519 verfaßten SermonS vom Sakrament des Altars reichte er seinen Großpostwitzer Beichtkindern das Abendmahl unter beiderlei Gestalt. Auch andere Geist liche der Pflege neigten der neuen Lehre zu und horchten auf „die Wittenbergisch Nachtigall, so man jetzt höret überall." Sehr zum Verdruß des Bautzner Domkapitels, das sich schon 1520 zu einer Verordnung an Priester und Laien ge zwungen sah, in der es u. a. forderte: „Wer Luthers Predigten hat, der soll sie herausgeben. Den Priestern wird streng anbefohlen, das Volk zu be lehren, daß die Empfahung des Sakraments in beiderlei Gestalt freventlich, vermessentlich, zwieträchtig, ärgerlich und betrüglich sei . . . ." Unter denen, die sich am meisten über den Großpost witzer Pfarrer entrüsteten, befand sich der Cunewalder Pfarrherr, ein gar streitbarer Gottesmann und fester An hänger der päpstlichen Kirche. Als Briefe, Besuche und per sönliche Vorstellungen, seinen Großpostwitzer Amtsbruder zur Rückkehr zum alten Glauben zu bewegen, erfolglos ge blieben waren, faßte er den Entschluß, wie Saulus ihn mit dem Schwerte entgegenzutreten, und zwar in der Kirche beim Spenden des heiligen Abendmahls, um so Magister Bossack zu zwingen, reumütig und angsterfüllt in den Schoß der alleinseligmachenden Kirche zurückzukehren. So ritt er denn eines Sonntags, ein scharf geschliffen Schwert unter dem Priesterrock Hergend, von Cunewalde fort, um seinen finsteren Plan zu verwirklichen, zur Ehre Gottes auch zur Gewalttat entschlossen. Schon hatte er das Cunewalder Tal hinter sich, schon waren Halbendorf und