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gemeinde. Noch immer jene altkath. Kirche benützend, regte sich bald, und besonders durch die Bemühungen des Pfar rers I. Zwahr und des Kurators A. Steinert sen. der Wunsch nach einem eigenen Gotteshause. Und schon bei 17 000 Friedenskronen (Stück 88 Pf.) Vermögen wagte man doch im Mai 1902 den Ankauf eines Grundstückes für 22 000 Kronen, dem bereits am 16. Mai 1904 die Grundsteinlegung der Kirche durch Oberkirchenrat Dr. Dibelius-Dresden bei Zugegensein von 30 Geistlichen und großen Volksmengen erfolgte. Am 25. Juni 1905 fand Aufzug und am 28. Juni Weihe der drei aus Es-Dur gestimmten, von Albert Bier ling-Dresden gegossenen, von den Oberlausitzer Gustav- Adolf-Vereinen als Erinnerung, daß einst viele Lausitzer Böhmen den Rücken kehren mußten, gestifteten Bronze- Glocken statt, und die Kirche selbst ward schon am 3. Dezem ber 1905 durch Superintendent Gummi-Aussig a. d. Elbe ein- geweiht. Daß der Bau so rasch zu Stande kam, ist nebst der selten großen Opferwilligkeit der Gemeinde, der lieben Beihilfe lausitzer und sächsischer Gustav-Aöolf-Vereine, dem freundlichen Entgegenkommen der ausführenden Baufirma A. Mildner-Warnsdorf, besonders drei Männern, nämlich dem Pfarrer Zwahr, dem Gärtner A. Steinert sen., Warns dorf, und vor allem auch dem in Zittau geborenen, jetzt in Klotzsche lebenden Architekten Waldemar Kanöler, welcher u. a. die ganzen Entwürfe umsonst lieferte, zu danken. Am 27. Mai 1906 ward eine, bisher schmerzlich vermißte, von Schuster-Zittau gelieferte, 1300 Pfeifen und 21 Register habende Orgel durch Organist H. Menzel-Zittau erstmalig in Gebrauch genommen. Weiter sei noch bemerkt, daß 1910 zur Warnsdorfer Stadtgemetnde die Parochianen des gleichen Bezirkes kamen, und die Seelenzahl auf 1100 stieg. 1912 ward die Prebigtstation Niedergrund eröffnet. Das Jahr darauf kaufte die Gemeinde als Pfarrhaus die neben der Kirche nördlich stehende, in jüdischen Händen gewesene und deshalb feile Billa. Der Weltkrieg jedoch forderte Opfer, er nahm die erst 1922 wieder eingesetzten Orgelpfeifen, wie die zwei großen Glocken, die am 1. Februar 1917 mit denen der Stadtkirche letztmalig erklangen. Nach einer recht stillen Periode (1921 wurden anstelle der bisher württembergischcn Gesangbücher die neuen „deutsch-evangelischen" aus Beschluß des am 26. Oktober 1919 erfolgten evang. Kirchentages in Turn- Teplitz herausgegebenen eingeführt) begann erst 1922 mit einer umfänglichen Turmausbessernng wieder neues Leben. Am 11. Dezember 1924 fand die Weihe der schöngeschnitzten, eichenen, 36 Namen tragenden Gefallenentafel in der Kirche statt. Große Veränderungen geschahen indessen durch das selten rührige Wirken des derzeitigen Geistlichen Dr. Hans Rotter im Jahre 1929. Ende April wurden da die vier sehr schadhaften Zifferblätter herabgenommen, vom Maler Ras- musen-Warnsdorf neu und anders gemalt und bis zum 9. Mai wieder mühselig eingesetzt. Zu diesen gab die Stadt die übrigens jährlich 300 Kronen Uhrenzuschutz gewährt, 2000 Kronen. Die Woche nach Ostern wurde die Orgel bis auf die Schauseite eingerissen, bei der Firma Rieger in Jägerndorf bet Troppau umgebaut, auf 22 Register er weitert, mit Motorgebläse bereichert und am 28. Juli 1929 erstmalig- wieder benutzt. Die Kosten hierfür betrugen an die 40 000 Kronen (5000 M.), die ebenfalls freiwillig zusam men kamen. Und die Weihe der drei neuen auf die Töne F, As, B gestimmten, durch die mächtige Schallkammer selten klangvollen, 23, 13 und 9 Zentner schweren, bei Schil ling A Lattermann-Apolda gegossenen Gußstahlglocken fand am Pfingstsonntage 1929 durch den Oberhirten der „Evan gelischen Kirche von Böhmen, Mähren und Schlesien", Herrn Präsidenten Dr. Erich Wehrenpfennig aus Gablonz an der Neiße, bei riesiger Beteiligung Hierselbst statt. — Trotz diesen bei rund 1300 Seelen großen Ausgaben (10 000 M.) errichteten sich die an die 300 Evangelischen von Niedergrund daselbst ein Türmchen mit Glöcklein, das am 6. Oktober seine Weihe erhielt. Das von einem Nieder gründer Kinde Jng. Wähner kostenlos in holländischem Stile entworfene reizende wie originelle Holztürmchen trägt eine 1)4 Zentner schwere Bronzeglocke, hat an seinem Gesimse die sinnige Inschrift „Glauben wir nicht alle an einen Gott?" (den Grund schenkte die politische Gemeinde und viele Katholiken spendeten dabei Gaben) und bildet eine Zierde der sog. Niederecke von Niedergrund. Das Glöckchen ist beschriftet: „Nun aber bleibet Glaube, Hoff nung und Liebe, diese drei, aber die Liebe ist die größeste unter ihnen!" Die Geistlichen der Kirche waren: von 1901—03 Vikar Jonathan Zwahr,' 1903—10 derselbe als Pfarrer,' 1910—15 Pfarrer Heinrich Pfeiffer,' 1915—19 Pfarrer Emil Wolf,' 1919—25 Pfarrer Lic. Otto Waitkatt,' von 1926 ab Pfarrer Dr. Hans Rotter. Unter Pfarrer Waitkatt amtierte eine Zeit der jetzige Eibauer Pfarrer Vikar Haan. Die im Ziegelrohbau mit Sandsteinverkleidungen aus geführte, von freundlichen Anlagen umgebene Kirche macht einen schmucken Eindruck. Sie steht an einer der vornehm sten Straßen von Warnsdorf, etwas abseits des Verkehrs und doch so, daß der Turm Uber den Rathausberg nach dem Markte blickt. Die Fassade des umgekehrt orientierten Gotteshauses gefällt besonders durch seinen wuchtigen und doch eleganten 52 Meter hohen, von zwei Trabanten, den beiden besonderen Stiegenhäusern flankierten Turm,' und ungemein malerisch baut sich die Chorseite vom Pfarr garten aus auf. Der Stil ist schlicht gotisch, daran beson ders charakteristisch das Hängebogenwerk nach Art der Meißner Albrechtsburg der Lang- und Querschiffsfenster ist. über dem Turm und Hauptportale befindet sich inner halb eines steilen Wimperges in Relief ein von Professor Hentze-Dresden hierfür besonders und dazu kostenlos mo dellierter Christus mit der Bezeichnung: „Meinen Frieden gebe ich euch", und darüber steigt aus kühner Brücke eine Galerie hoch. Die zwei beiderseits des Wimperges ange brachten balöachinbekrönten Konsolen sind jedoch noch immer ohne die ursprünglich geplanten, das „Wort" und „Sakrament" versinnbildlichenden Engelstatuen. Außerordentlich vornehm und ansprechend ist das bei 22 rn Länge und im Querschiff 16,60 rn Breite, ziemlich zentral wirkende 12 in hohe Innere. Eine wohltuende, durch die fein abgestimmte Farbengebung ivie die bis ins- Kleinste — außer dem Glasleuchter und der neueren Krie gertafel — nach einem Entwürfe gehaltene Durchführung entstehende Ruhe wohnt in ihm. Schlanke Ziegelrippen fas sen sich zu von außen garnicht vermutet kühnen Gewölben zusammen, ein kräftiger, mit dem Spruche „Kommet her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid" usw. be schrifteter, an seinen Füßen die Gründungs- und Weihe daten der Kirche aufweisender Triumphbogen trennt Schiff mit Chor. Haben die schmalen Lang- und breiten Quer schiffsfenster als Malerei nur Rosen und Distelwerk, so sind drei der fünf Chorfenster reicher gehalten. Das Mittel fenster verkörpert Ev. Johannis Kap. 20 V. 15—17. Dar über steht in der Rosette: „Er lebt, verzage nicht!" Die beiden von einer Katholikin zum Gedächtnis ihres verstor benen evangelisch gewesenen Gatten gespendeten Setten fenster zeigen grünes Teppichmuster. Außerdem sind noch je ein kleines im Querschiff zu findendes Fenster mit dem Kopfe Luthers und Gustav Adolfs zu erwähnen. Schön ist der einfache, vom Dresdner Gustav-Adolf-Vercin geschenkte Altar mit seinem vom Pfarrer Zwahr verehrten, fast lebensgroßen, in Oberammergau musterhaft geschnitzten Kreuzbilöe. Links von ihm steigt auf einem, wie der Tauf stein, sandsteinernen Fuße die zierliche, dachlose Kanzel mit dem Sprüchlein „Wahr sein in Liebe" und den Bildern „Christus mit Nikodemus" und „Christus mit Maria und Martha", Kopien nach den in der »cirche zu Coswig bei