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W Oberlausitzer Heimatabend in Dresden eit zehn Jahren veranstalten die vereinigten Landsmann schaften der Oberlausitzer in Dresden, jetzt umfassend hie Bautzner, Kamenzer, Königsbrücker, Neustadter, A Pulsnitz-Großröhrsdorfer und Eüdlausitzer Lands mannschaften und den Wendischen Verein „Ezorneboh', die gleichzeitg die „Bezirksgruppe Hberlausitz" im Heimatbunde bilden, alljährlich einen Oberlausitzer Heimatabend. Diese Ver anstaltungen haben sich so gut eingeführt und sind so beliebt ge- Klein-Welka - ... Von Otto Flösset, Bautzen EW^as Herrnhut In der östlichen Lausitz, das ist Klein-Welka in-der nördlichen. Und wenn das Kind nicht so bekannt ist wie die Mutter,'so liegt das daran, daß diese eine - Stadt und jenes nur eben ein Dors ist. . Nördlich von Bautzen — eine-guie Wegstunde davon entfern: — liegt der Ort, just dort, wo das wendische Flachland beginnt. Man mußurtterscheiden zwischen Dorf unh'Kolonie Klein-Welka. Jenes ist ein Bauerndorf wie jedes andere auch, diese aber ist eine seltsame Gründung. Klein-Herrnhut würde sie besser heißen. Denn sie ist nicht nur eine Gründung der -Herrnhuter Brüder- gemeine, soiwern erinnert auch äußerlich ganz und gar an diese ihre Mutter? Zweihundert Jahre ist es nun her. Da kamen- arme Brüder und Schwestern, die um ihres Glaubens mitten aus Mähren ver trieben worden waren, in unsere Lausitz. Per menschenfreundliche und fromme Graf Zinzendors in-Berthelsdorf gewährte ihsten in seinem Hause eine gastliche Statt und-<krlaubte ihnen, sich in der , Nähe anzusicdeln. Sie lkgten den Grund zur Stadt Herrnhut. Immer mehr zogen herzu. Sie hielten sich zu einer frommen Gemeinde zusammen,,zur Brüdergcmeine. Was dort Berthels dorf, das war nün-hier Teichnitz, das dicht bei Bautzen gelegene Bauerndorf. Wie dort von Berthelsdorf aus Herrnhut erbaut wurde, so wurde hier vpn.Tefchnitz aus der Grund zur Kolonie Klein-Welka gelegt. Und wie dort der Schirmherr der neuen Gemeinde Graf Zinzendors war, so war es hier Gras Gersdorf. Dieser Mann, der sich um die Pflege religiösen Lebens in der Lausitz besondere Verdienste erworben Hal — er war Ober-Amis- hauptmann —, versammelte aus seinem Schlosse Teichnitz eine kleine, sromme Gemeinde, welche in enger Verbindung mit der Herrnhuter Brüdergemeine stand. Regelmäßig kamen sie zu Erbauungsslunden aus seinem Gutssitze zusammen. Als aber der alte Herr v. Gersdorf am.tk. Juli 1751 starb, ging--das Gut in andere Hände über, und der neue Gutsherr mochte die Zusammen- Künste auf seinem Schlosse nicht mehr haben. Da war cs Herr Matthäus von Lqnge, welcher derGemeinde seinen Herrschastssitz in Klein-Wclka einräumte. Es war ein seltsamer Zug. der sich am 24. Juli 1751 von Teichnitz aus bewegte: die Brüder trugen Tische, Stühle und Bänke aus dem Versammlungslokal nach dem Herrenhause in Klein-Welka. Dieser Tag könnte als der Geburtstag der Kolonie Klein-Welka bezeichnet werden. Den Grundstein^ legte Franz Budin, ein Böhme, der noch im gleichen Itzhrc das erste Haus dort baute. Bald kamen mehr Ansiedler herhei. Ihrer nahm sich Frau Agnes Sophie Gräfin von Reuß mi^warmer Liebe an. Sie hatte das Rittergut Klein-Welka erworhen und stellte den Zuwandernden Land zur Verfügung, auf dem sie ihre Häuser erbauen konnten. Sie war es auch, die einen freien Platz stistete, aus dem im Jahre 1757 das Gotteshaus er/ichtet wurde. Seitdem ist der Ort mehr und mehr gewachsen. Betritt man den Ort, so fällt einem die Ruhe auf, die in den Straßen herrscht. Da ist kein Jagen und Hasten, kein Lärmen und Schreien, kein Fahren und Sausen. Kein Heulen der Fabriken stört den Fttersrieden. . Es ist,'als ob ewiger Sonnsag über dem Orte liege. Fürwahr, eine fromme Statt. Zwischen kleinen, schmucken Häuschen liegt der Markt, er wird hier kurz- weg „der Platz" geheißen. In seiner Mitteerhebt sich das schlichte Kirchlein. Aber sie nennen es nicht Kirche, sie heißens Betsaal der Brüdergemeine, ganz wie dies in Herrnhut auch Gepflogen heit ist. Wie dort, so entbehrt auch hier das Gotteshaus jeglichen Schmucks. Man sieht keine bunten Fenster, keine architekto nischen Zierrate, mit denen sich sonst im Lande die Kirchen und Dome ihsstolzem Wetteifer zu übertreffen suchen. Nicht einmal ein Turm ist vorhanden. Die Glocken hängen In dem hölzernen Dachreiter. Wie im Äußeren, so wallet auch im Inneren größte Schlichtheit. Fast nüchtern wirkt der viereckige Saal. Die Wände sind weiß getüncht. Die Decke ist flach. Nirgends sind prunkhasle Säulen, Kapitäle oder Pilaster. Eine Kanzel sucht man vergebens. Der Prediger steht hinter einfachem Rednerpult, nicht in wallendem Talare, sondern im schlichten dunklen Anzuge. Was besonders wohltuend berührt,' ist die Fülle des Lichts, die durch die Hellen Fenster dringt. Licht, und Reinheit! Einfachheit, und Stille! Das sind Symbole des Lebens voll Brüdern und Schwestern, die in Andacht sich hier versammeln. . Um den Platz oder doch nicht weit davon liegen Schwesternhaus ,Md Brüderhaus.. Männer und Frauen wohnen hier wie in Herrnhut in besonderen Häusern, Im Brüderhaus waren früher solide Handwerke zu Hause, so ständen das Schuhmacher- und das Schneiderhandwerk in besonderem Ansehen. Auch waren, ehedem Klein-Welkaer Kuchen, Brezeln und Zwiebacke berühmt und begehrt und wurden bis nack; Dresden und Leipzig hin ver sendet. Etwas eigenartiges ist es nm den Kopsputz der Schwestern. Er wird gebildet von einer weißen Haube mit seidener Bcttw^ schleife. Je nachdem nun die Trägerin Mädchen, Jungfrau, Ehe frau oder Witwe istM die Schleife dunkelrotz rosenrot, blau ode weiß. Dies ist eine jährhundertalte Sitte, die sich bis heutigentags" erhalten hat. Im Gegensatz zu Herrnhut wird der Kopfputz hier aber nur bei besonderen kirchlichen Anlässen getragen. Hinter der Kirche erhebt'sich ein.stattlich steinern Haus, die Knobeu-Erziehungsanstalt.Auch eine Mädchen-Erziehungsanstalt ist am Orte. In beiden Häusern werden die Kinder der Brüder gemeine' in strenger Frömmigkeit erzogen. Außer Schulwissen weiden ihnen allerlei häusliche Handarbeiten und Fertigkeiten gezeigt, Gartenarbeiten, Buchbinderarbeiten, Tischlern, Nähen, Kochen, Stricken u. a.m. Fragt man die Zöglinge, wo ihre Eltern zu Hause sind, so sagen die einen: „In Indien!", die anderen: „In Grönland!". Es sind zumeist Kinder von Missionaren aus Südasrika.'Surinam, Labrador, kurz, üus allen Ländern der Erde. Die Kleinen haben eine weite Weltreise hinter sich. Ihre Heimat liegt, fern in fremdem Erdteil. 'Die meisten von ihnen sehen ihre Eliern jähre-, ja jahrzehntelang nicht. Gar manche sind arMe Waisen. Ihre Ellern fielen der Wut der Heiden oder dem Unze- stüm des Meeres zum Opfer. Dafür ist ihnen die Schulanstait ein liebes Heim. Es mag ein frohes Leben sein, wenn sie am Abend alle beisammen sitzen und Briese austauschen, die hier aus allen Gegenden der Erde Zusammenkommen. - Abseits von dem Orte liegt der Friedhos. Er erinnert in atzen Stücken an jenen auf dem Hulberge. Auch er ist leicht an sonnigen' Hang gelehnt. Lin offener Garten ist's. Grüne Hecken umgeben ihn rings. Durch einen niedrigen Torbogen —erchät keine Tor flügel, sondern steht allezeit offen — treten wir ein. Fast ists, als weilten wir in einem Parke. Lindenalleen ziehen-linealgerade I über ihn hin. Vergeblich suchen wir Grabhügel, Kreuze und Denk steine. Schmucklos, wie das Gotteshaus^ ist auch der Gottesacker. Die Gräber sind sämtlich eingeednet. Eins gleicht dem anderen, dis aus die schlichte Steinplatte, die flach auf ihnen liegt. Im Tode sind olle Menschen gleich. Da gibt es nicht reich noch arm, nicht hoch noch niedrig. Das ist die Lehre, die uns dieser seltsame Friedhof predigt. . Ihm gegenüber liegt der herrliche Park. Wohlgepflegle Wege führen hindurch. Schattige Ruhebänke laden zu einsamer Rast unter schirmenden Tannen ein. Wasser rauschen durch den Wald.' Zwischen braunen Stämmen blitzt der klare Spiegel eines in lichtes Grün gebetteten Teiches auf. Wahrlich, hier ist luftig Weilen! Das Ohr lauscht dem leisen Weben in der Ngtur, das still und verträumt ist, wie der Ort, der drüben friedlich ruht.