Volltext Seite (XML)
XXX ist, die Summe alles moralisch Guten in Ein Ideal zusammenzufassen und sich in Verhältnis zu diesem Wesen zu denken; sie wird ihm Antrieb zur Thätigkeit, Stoff aller Glückseligkeit sein. Fest durch die Erfahrung überzeugt, daß seinem Geiste Fortschreiten in höherer moralischer Stärke möglich ist, wird er mit muthigem Eifer nach dem Ziele streben, das er sich steckt. Der Gedanke der Möglichkeit der Vernichtung seines Daseins wird ihn nicht schrecken, sobald seine täuschende Einbildungskraft nicht mehr im Nichtsein das Nichtsein noch fühlt. Seine unabänderliche Abhängigkeit von äußeren Schicksalen drückt ihn nicht; gleichgültiger gegen äußeres Genießen und Entbehren, blickt er nur auf das rein Jntellekruelle und Moralische hin, und kein Schicksal vermag etwas über das Innere seiner Seele. Sein Geist fühlt sich durch Selbstgenügsamkeit unabhängig, durch die Fülle seiner Ideen und das Bewußtsein seiner inneren Stärke über den Wandel der Dinge gehoben. Wenn er nun in seine Vergangenheit zurückgeht, Schritt vor Schritt aufsucht, wie er jedes Ereigniß bald auf diese, bald auf jene Weise benutzte, wie er nach und nach zu dem ward, was er jetzt ist, wenn er so Ursache und Wirkung, Zweck und Mittel, alles in sich vereint sieht, und dann, voll des edelsten Stolzes, dessen end liche Wesen fähig sind, ausruft: Hast Du nicht alles selbst vollendet Heilig glühend Herz? wie müssen da in ihm alle die Ideen von Alleinsein, von Hülflosigkeit, von Mangel an Schutz und Trost und Beistand verschwinden, die man gewöhnlich da glaubt, wo eine persönliche, ordnende, vernünftige Ursache der Kette des Endlichen fehlt? Dieses Selbstgefühl, dieses in und durch sich Sein wird ihn auch nicht hart und unempfindlich gegen andere Wesen machen, sein Herz nicht der theilnehmenden Liebe und jeder wohlwollenden Neigung verschließen. Eben diese Idee der Vollkommenheit, die wahrlich nicht bloß kalte Idee des Verstandes ist, sondern warmes Gefühl des Herzens sein kann, aus die sich seine ganze Wirksamkeit bezieht, trägt sein Dasein in das Dasein Anderer über. Es liegt ja in ihnen gleiche Fähig- keit zu größerer Vollkommenheit, diese Vollkommenheit kann er Hervor bringen oder erhöhen. Er ist noch nichr ganz von dem höchsten Ideal aller Moralitär durchdrungen, so lange nicht alle geistige Wesen in der Summe der in ihnen einzeln zerstreut liegenden Vollkommenheit in seiner Vorstellung zusammen fließen. Vielleicht ist seine Vereinigung mit den übrigen, ihm gleichartigen Wesen noch inniger, seine Theilnahme an ihrem Schicksal noch wärmer, je mehr sein und ihr Schicksal, seiner Vorstellung nach, allein von ihm und von ihnen abhängt." Wir haben diese ausgezeichneten Ansichten über das Wesen der Re ligiosität nicht nur um ihrer selbst willen angeführt, sondern zugleich auch, weil sie uns eine treffende Charakteristik Humboldt's selbst liefern. Denn das ist klar, daß er mit jener Prometheusnatur, welche, ihrer eigenen Kraft und Herrlichkeit sich mit Stolz bewußt, die ärmlichen Götter ver achtet. sich selbst gemeint hat. Wir stehen nicht an, einen solchen Stand punkt der religiösen, oder sagen wir lieber philosophischen Welt- und Lebensanschauung, als den höchsten, edelsten und moralischsten zu bezeichnen, so Wenigen es auch immer gelingt,, ihn zu erreichen, — und zu behaupten. Es ist freilich im Grunde die Anschauung aller unserer großen Männer