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XVIII lehrten, als auch der Deutschen, die sich in Paris anfhielten. Unter An deren war auch sein Bruder Alexander dort Monate lang sein lieber Gast. Als er im Herbst 1801 nach Berlin zurückgekehrt war, nachdem er vorher in Weimar und aut seinem Gute Auleben seine alten Thüringer Freunde wieder begrüßt hatte, konnte er sich nach langer Abwesenheit in dem Treiben der Residenz bei dem damaligen politischen Zustand nicht wohl fühlen. Er suchte zunächst den Umgang des bekannten Gentz auf, als welcher am besten im Stande war, ihn über die damaligen politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse Berlins an kuit zu setzen. Es ist jeden falls äußerst charakteristisch für Humboldt und zeugt von seiner großen Universalität, daß er, der Freund Schillers, doch auch im Stande war, Umgang zu haben mit dem charakterlosen, lüderlichen Gentz. Er schätzte an ihm den scharfen Verstand und die Macht seiner Beredtsamkeit, ohne daß man indessen zu der Annahme berechtigt wäre, als habe sich Hum boldt jemals über das eigentliche Wesen dieses „Freundes" getäuscht. — Humboldt befand sich damals in einer eigenthümlichen Lage. „Zehn Jahre, so schreibt Haym (Seite 202), die Jahre des frischesten Manues- alters, hatte er in ununterbrochener Muße gelebt. Mit dem ganzen Eiter, welcher diesem Alter eigen ist, und als ob alle Belohnungen des Ehr geizes am Ziele ständen, hatte er das Eine Geschält betrieben, sich selbst zu bilden. Er hatte es mit dem «Ernst und der Gewissenhaftigkeit be trieben, wie sie meist nur an eine auferlcgte Berusspfticht gewandt werden. Den Genuß der Freiheit hatte er durch anhaltende Thätigkeit gewürzt, die Anstrengung der Arbeit hatte er unmittelbar als Genuß empfunden. Ein solches Leben zu wählen und es zu ertragen, hatte nur einer so idealistisch-innerlichen, einer Uesen und reichen, einer zugleich so epikuräisch- egoistischen Natur möglich sein können. Lediglich von dem Zweck der Bildung geregelt, bewegte sich dasselbe lediglich um den Punkt des eigenen Ich. Jeder Andere von gleich beschränkter Produktivität würde es schwer gefunden haben, dabei das innere Gleichgewicht zu behaupten. Neben ernster Selbstbeschäftigung lag die Gefahr hypochondrischer Grillenfäugerei, neben dem vielseitigen Bildungsinteresse die Gefahr der Zerstreuung, ja neben dem Sinne für den Genuß die Gefahr der Verweichlichung oder der Ausschweifung. Humboldt war durch die harmonische Anlage seines Wesens, durch die Nüchternheit und Klarheit seines Geistes vor den Extremen dieser Gefahr geschützt. Er war nicht so vor ihnen geschützt, daß er sie nicht hätte streifen sollen. Seine Geistigkeit, verbunden mir seiner Ruhe, adelte und dämpfte, aber sie begünstigte zugleich und be schönigte seine Genußsucht." — Jedes unbekannte Gebiet, das sich ihn, eröffnet hatte, hatte sein Geist mit gleicher Spannkraft ausgebeutet; jedem rein menschlichen Interesse hatte er sich zugänglich gezeigt. Trotzdem fing grade diese ungetheilte Muße an, ihm lästig zu werden; er verlangte nach Thätigkeit und entschloß sich also trotzdem wieder in ein Staatsamt zu treten, so ungünstig auch die Lage, so unerfreulich die politische Leitung des preußischen Staates damals war. Zu jeder höheren diplomatischen Stellung war er durch Geburt und Bildung berechtigt; aber es gab in diesem Zweig doch eigentlich nur Einen Posten, der seine» Wünschen zu gesagt hätte, das war der eines Ministerresidenten in Rom; diese Stellung hätte zugleich seinen alten, nur ungern ausgegebenen Wunsch er- füllt, Italien kennen zu lernen, und war doch sehr leicht und überhaupt