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XIX möglichst wenig politisch. Das Glück versagte seinem Lieblingssohue auch dies Verlangen nicht: Jene Stelle wurde grade damals vakant, Hum boldt in Folge davon vorgeschlagen und ohne Weiteres bestätigt. Im November 1802 langte er in Rom an und begann nun seine kunst historischen und antiquarischen Kenntnisse mit dem Eifer zu erweitern, mit dem er au alle seine Studien ging, wobei es ihm natürlich nicht an Ge legenheit fehlte, auch seiner amtlichen Stellung gebührend zu entsprechen und namentlich den Anmaßungen der römischen Curie, so weit es thunlich war, entgegenzutreten. Uebrigens fühlte er sich in Rom außerordentlich wohl; der Wechsel zwischen dem otlum Utorutuin, das er bisher ungetheilt genossen hatte, und der regelmäßigen Berufsarbeit wirkte günstig auf ihn ein. Häufiger Besuch von deutschen Gelehrten und Künstlern hielt ihn zu gleich in Verbindung mit seiner Heimath und machte es ihm möglich, das Amt eines Mäcen und Protektors seiner Landsleute zu übernehmen. Nur durch zwei Unfälle wurde sein Glück getrübt, durch Schillers Tod, der ihn tief schmerzte, und durch den Verlust seines ältesten und liebsten Sohnes, der beide Eltern nachhaltig niederdrückte. Während dieses Aufenthaltes in Rom waren die Gewitterwolken im Norden immer drohender und finsterer geworden; endlich ging der Staat Friedrichs II. in Stücken vor dem Andrange des gewaltigen Corsen. So sehr auch Humboldt, wie wir gesehen haben, ein Mann des Genusses war, so sehr er sich auch eingesponnen hatte in die Welt seiner eigenen Ideale und Gedanken, so wurde er doch, ungleich den Meisten seiner Freunde, von dem Schicksal seines Vaterlandes stark in Mitleidenschaft gezogen, und beschloß deshalb zunächst wieder nach Deutschland zurückzu kehren. Von jener Zeit an beginnt nun die wunderbare Metamorphose, die sich an Humboldt vollzog, nämlich die des Denkers, des ästhetisch- theoretischen Gelehrten zum praktischen Staatsmann; aber eigentlich war es doch nur wieder eine neue Seite seines reichen Wesens, die hier zum Vorschein kam und sich ausbildete. „Das Vergnügen, welches wahr hast praktische Naturen an der Thätigkeit als solcher, an deren Aufregung und an deren Erfolgen finden, war ihm fremd. Das Handeln hatte nicht ein primitives, sondern ein sekundäres Interesse für ihn: es galt ihm als etwas Accidentielles gegenüber der Stimmung und Beschaffenheit des Innern. Er war ohne jene Leidenschaft des Wirkens und Schaffens, ohne jenen Durst nach Ruhm, die in der Regel die Triebfedern großer Unternehmungen sind. Er war eben, wie er sich selbst nannte, Idealist. Allein sein Idealismus leistete ihm einen ähnlichen Dienst, wie Anderen die unmittelbare praktische Begierde. Es war kein hohler, sondern ein gediegener Idealismus; es war der Idealismus Kants und Schillers. Auch in ihm lebte jener ausdauernde Muth, der früher oder später den Widerstand der stumpfen Welt besiegt, — ein Muth, welcher nicht mit der romantischen Situation verfliegt, die ihn herausgefordert hat, sondern Stand hält gegen die Prosa, die ihn zu dämpfen und zu ersticken droht."') — Er war entschlossen, dem unter drückten Vaterlande seine Dienste zu widmen. Im Oktober 1809 verließ ') Haym, a. a. O. S. 258 f.