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XXVIII Sicherheit ist Aufgabe des Staates — und zwar die einzige Aufgabe. Der Staat hat nicht den positiven Wohlstand der Nation zu befördern, sondern nur den negativen Zweck, sie sicher zu stellen. Denn alle Einrichtungen, welche jenes bezwecken wollen, sind von nachteiligen Folgen begleitet. — Man sieht leicht, daß in solchen Grundsätzen die völlige Dcrurthcilung des Despotismus, oder wenn das Wort zu bös klingt, Absolutis mus liegt, der bis dahin, wenigstens seit dem Ausgange des Mittelalters, die in Europa herrschende Regierungsform gewesen war. Die Bevormundung der Bürger, das Führen am Gängelbands durch die absolute Büreaukratie soll ein Ende nehmen und dem Sichselbstregieren der freieren Bürger, dem »elkxvrsrumenl, Platz machen. Dies spricht Humboldt selbst unverholen aus. In dem Thcil jener Schrift, der in der vorliegen den Sammlung ausgenommen ist: „Wie weit darf sich die Sorgfalt des Staates um das Wohl 'einer Bürger erstrecken?" — sagt er, daß „die aus der Vereinigung Mehrerer entstehende Mannigfaltigkeit das höchste Gut sei, welches die Gesellschaft giebt", und daß diese Mannigfaltigkeit ver loren geht, je mehr der Staat seine Wirksamkeit äußert. Der Staat, wenn er zu viel schafft und zu sehr für die Staatsangehörigen denken will, anstatt sie immer selbständiger handeln zu lassen, „mißkennt die Menschheit und will aus den Menschen Maschinen machen." Die übermäßig aus gedehnten Anordnungen des Staates sind nicht nur deßhalb zurückzuwcisen, weil sie meist einen ungehörigen Zwang mit sich führen, sondern vor Allem auch, weil sie die Menschen daran gewöhnen, „mehr fremde Be lehrung, fremde Leistung, fremde Hülfe zu erwarten, als selbst auf Aus wege zu denken." Letzteres aber muß grade erstrebt werden. Denn mit der abnehmenden Energie des Handelns leidet auch der moralische Charak ter. Durch Erhöhung aber der Energie, durch größere Selbständigkeit und Denkfähigkeit des Einzelnen, wird das ganze Handeln des Menschen gehoben. So kann selbst die anscheinend gewöhnliche Thätigkeit geadelt und veredelt werden durch den Geist und die Kraft dessen, der sie treibt. „So ließen sich vielleicht aus allen Bauern und Handwerkern Künstler bilden, d. h. Menschen, die ihr Gewerbe um ihres Gewerbes willen liebten, durch eigene gelenke Kraft und eigene Erfindsamkeit verbesserten und da durch ihre intellektuellen Kräfte kultivirten, ihren Charakter veredelten, ihre Genüsse erhöhten." Es sind dies goldene Worte und sie werden hinreichen, um dem Leser Lust zu machen zu dem kleinen erwähnten Aufsatz, dem sie ent stammen. — Nachdem er sich dann weiterhin noch ausführlicher über diesen Gegenstand geäußert hat, gelangt er zu folgendem Grundsatz: „Der Staat enthalte sich aller Sorgfalt für den positiven Wohlstand der Bürger, und gehe keinen Schritt weiter, als zu ihrer Sicherstellung gegen sich selbst und gegen auswärtige Feinde nothwendig ist; zu keinem anderen Endzwecke beschränke er ihre Freiheit." Nachdem er bewiesen hat, daß dagegen die Sorgfalt für das nega tive Wohl der Bürger nicht nur nöthig ist, sondern auch den einzigen Zweck des Staates ausmacht und seine Wirksamkeit allein beschäftigen muß, handelt er folgerecht einmal über die Sorgfalt des Staates für die Sicherheit gegen auswärtige Feinde (ein Theil des Aussatzes, der in