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70. Sah»»««,. 4SI Sonnabend, 2». September 192b Gegründet 18S8 DmdlawchNN, »achMckte» »r»den. Vernsprrchir-Smmnitnumm«, SS Sckl. Mn» sv» «achtgeioNich», 20 011. Bqu,-.Gebühr Sl„»>»»«»»» l» Ptennt». vr»ti, hn« SchrtstleMm« an» «aupi«»ichaft» >>»!!»: «.rtenttrel,» SS »2. Druck u. Vertue von U«»»lck » »«IckardI »n Dresden. Pofticheck-ÄoMk, 10SS Dreeten. Vackdru» nur mit »eulltcker auellenuneud« ^ .Dresdner Nach».- Unverlane«» Sckr>»IMck» «erden nickt outdewadrt. Hülkerl sr«n«sis»»»i Prager Strsüv, Lvkv 8!äon1vns1r»Üv. Lheatev-kestaurLnt ln ck«, Kektbahnsteaste »mnuuptb-hnhot pieureltlkch auLgestatteter Vlev- uncl Speileloksl kissi^ns vksn tllll!!' W«« Var UtnNnut eines Oken» «mptekii« icd Ute kesticktlsune meiner relek- Nsttieen ^»»Steilung In oauerdran^öksn beväkilsi' fsdiiksls. klorisn (rocksnts Dßsckk. e»e«»«I»»>-ck., VSa>«r»ür. » SS. r«I. rssoi. Stresemann über seine Genfer Politik. Die Weiterbehandlung -es Planes von Thoiry un- seine Aus-ehnung nach anderen Seilen. Staatssekretär v. Schubert vertritt die deutschen Abrüstungswünsche in Gens. — Demokratische Bemühungen um die Große Koalition. Ein Empfang -er Presse in Berlin. Berti«, 24. Sept. Reichsaußenminister Dr. Stresemann rmpsing heute nachmittag im Auswärtigen Amt die Ver treter der Berliner und auswärtigen Presse, um ihnen nach seiner Rückkehr aus Genf einen Ueberblick über die Tätigkeit der deutschen Delegation und seine Besprechungen mit Briand zu geben. Der Minister erklärte, das, er im Grunde genvmmen gar nicht viel Neues mitzutetlen hätte, da die Vor gänge ja im allgemeinen bekannt seien. Er ging dann zunächst aus die heutige Sitzung des Ncichskabinetts ein und hob her vor. daß di« Aussprache die eininiitige grundsätzliche Zustimmung ergeben habe. Dem französischen Geschäftsträger tn Berlin ist Mitteilung von dom Beschluß dcS Ncichskabinetts gemacht morden. Damit ist die Weitcrberatnn« dieser Kragen auf de« diplomatische» Weg »erwiesen. Eine Einberufung des Auswärtigen Ausschusses kann »ach der Ansicht des Ministers aber erst in Betracht kommen, wenn die gesamte Delegation zurückgckehrt ist und man das Ergebnis der gesamten Verhandlungen in Genf übersehen kann. Seine Auffassung über Sie Ereignisse ln Gens. führte Minister Stresemann weiter anS, habe er wiederholt in Genf selbst zum Ausdruck gebracht. Deutschland sei in einer seinem Ansehen entsprechenden Form in den Völkerbund ein» getreten. Er selbst habe die Empfindung gehabt, daß manche Anschauung, die man über die Arbeiten des Völkerbundes ge» habt habe, einer gewissen Revision nnterzogcn werde« müsse. So sei die Ansicht, daß einzelne Mächte de» Völkerbund be herrschen. unrichtig AnS voller Ueberzengnng könne er sagen, baß man die Dinge nicht so ansehcn könne, als ob man de« Völker bund einteilen müßte in Nationen, die mit «ns sympathierc«, und solche, die gegen uns feindselig ein gestellt sind. Man könne nicht von einer Entente im Völkerbund spreche», noch von mit Frankreich verbündeten Mächten in dem Sinne, als wenn damit deutschfeindlich gesinnte Nationen in den Völkcrbundsrat gewählt worden seien. Schließlich sei unsere Politik gekennzeichnet durch daS Bestreben «ach einer weitgehenden dcntsch-französtsche« Verständigung. ES werde im Völkerbund nicht darauf ankommen, daß der Völkerbund oder die Kommissionen das Schlachtfeld sein werden für groß« Diskussionen. Es werde vielmehr darauf ankommen, bei entscheidenden Fragen zuvorherigerBer- ständigung zu kommen. Deutschlands Stellung, betonte der Minister, wird dabei nicht schlecht sein. ES wird manchen guten Einfluß ausüben können. Noch wertvoller für uns als die reine Bölkerbnndsarbeit, die ja schließlich begrenzt sei. sei die Tagung des Völkerbun des dadurch, daß sic Gelegenheit gebe» könne, über viele Fragen tn einen Gedankenaustausch zn treten, wie das schon bei Thoiry der Fall war. Es wäre erfreulich, führte der Minister in bezug auf »nscre innerpolitische» Verhältnisse weiter aus, wenn wir gemeinsam daran arbeiten könnten, die Arbell im Völkerbund fruchtbar zu gestalten. Er habe auch im heutigen Kabinettsrat ausgeführt, daß er den Entschluß, die Delegation Deutschlands von Parla mentariern begleiten zu lassen, für glücklich halte und Vorschlag«, aus diesem Wege weiter sortzugehcn. Im Völker bunde liege die Situation so, daß jede Nation sich bemühe. Persönlichkeiten von Rang in den Vordergrund a» stellen. Auch ganz konservative Regierungen trügen keinerlei Be denken. Vertreter ihrer Opposition mit nach Genf zn nehmen. Andere Nationen nähmen zum Teil ihre Botschafter, andere wieder auch ihre Parteiführer mit. und wenn die verschie denen Gruppen in einem Lager vertreten seien, dann er- leichtere das das Arbeiten einer Delegation ganz uiißer- ovdentltch, weil sich dann von de» Persönlichkeiten ans. die in ihrem Lande anerkannte Bedeutung genießen »nd auch internationale Verbindungen besitzen, leicht Beziehungen zwischen den verschiedenen Nationen spinnen lasten. Die Franzosen seien tn dieser Sache noch weiter gegangen als wir. Paul Boncvur wurde znm zweiten Hauptdclegierten gemacht, und wenn cs auch ein schöner Traum bleibe« würbe, baß hinter der Außenpolitik das ganze Volk stände, so sollte man doch aber auch von deutscher Seite zum Ausdruck bringen, baß der dentsche Außenminister keine Privatperson, die gegen, «artig den Posten dcS Außenministers einnehme, sondern daß er eben tatsächlich der Vertreter des ganzen Volkes sei. Er hätte es gern gesehen, daß auch die beutsche Rechts, »ppostttou. die Drutschnatlonale Bolkspartel, «t« eS nr» sprttngllch vorgesehen war. durch de« deutschuatlonnle« Abgeordnete« Prof. Hoetzsch vertreten gewesen wäre. Tr sei der festen Ueberzengnng. daß auch daS nur zum Besten gewesen wäre. Es sei und bleibe bedauerlich, daß dieser Gedanke sich nicht durchführen ließ. Minister Stresemann erklärte, daß er sich über die Einzelheiten der Besprechung in Thoiry im gegenwärtigen Augenblick noch nicht äußern könnte. Die großen Gesichtspunkte seien ja auch sofort verstanden worden. Der Minister wies auch setzt noch einmal die Pressemitteilung zurück, daß er Brtand erst zwei, dann acht Milliarden Mark angeboren habe. Wenn man sich den Dawes-Plan zur Hand nehme, so sei das Problem, um das es sich hier handle, sehr leicht zu erkennen. Es ist. erklärte Minister Stresemann. kein Problem einer uencn kapitalistischen Belastung Deutsch lands. sondern lediglich das Problem der Eröffnung gewisser Möglichkeiten der Ttansserierung von Leistungen, die beute schon bestehen, «nd bei denen die Entscheidung, ob Ne traus- seriert «erde», von der Entscheidung des Generalagenten Parker Gilbert abbängla ist. Mit unserer Zustimmung kan« nun für gewisse Gruppe« Krankrcich eine gewiste Priorität eingcräumt werden. DaS stellt selbstverständlich eine Lockerung der Klausel« des Dawcs-Planes dar. die dem Transferagenten die Möglichkeit geben, unter Umständen, wenn er für die deutsche Währung fürchten muß. jeden Bartransfer zu verhindern. Wie weit wir nun in dieser Lockerung der Schuttbcstimmunaen unterer Währung geben könne« und gehen werben, ist der Gegenstand der Erörterungen des eingesetzten ministeriellen Ausschnsfes. Die ganze Frage ist nicht zwischen Deutschland und Frankreich allein zu lösen. Dazu gehören verschiedene andere Mächte, die an den ganzen Dingen des Dg>vcs-Plg»es beteiligt sind. Schmierigkeiten verschiedener Art werden noch zu über winden sein. Das Entscheidende an der Unterredung in Thoiry ist aber der Gedanke, daß ein Weg gefunden werden mußte, um eine die Schwierigkeiten, die zwischen Deutschland und Frankreich noch bestehen, beseitigende Lösung zu finden, «m die Möglichkeit zu schaffe« z« einem nähere« Zusammen wirken. Die Dinge, seien als nichts weiter anzusehen, als ein versuchter Akkord, auf dem hinter beide» Seiten ehrlicher Wille stehe. Weiter führte der Minister ans: Die Politik, die ich geführt habe, ist im wesentlichen basiert auf dem ganz speziellen Vertrauen, das ich zü der Persönlichkeit des französische« Außenministers Briand habe. Seit dem ersten Gespräch, dag ich mit -Herrn Briand in Locarno führte, habe ich die feste Ueberzengnng gehabt, daß Briand cs unbedingt ernst mit dem Wunsch einer deutsch-sranzöstscheu Verständigung meint. Auch die Dinge, die dieses Vertrauen vielleicht hätten erschüttern können, wie die Vorgänge auf der Mürztagung des Völkerbundes konnten mich nicht davon ab- halten, an die Ehrlichkeit Brianbs zu glauben. Aber wie in jedem anderen Lande, so sei auch In Frankreich der Außenminister nur ein Teil der Negierung, und es sei auch klar, daß in der Psychologie der französischen Bevölkerung Hemmungen be ständen, die einer Verständigung mit Deutschland «och ent« gegcnftünden. Die ganzen Locarno-Verträg« bedeuteten bann nichts, wenn nicht -er nationale Wille vorhanden sei, am Rhein zum Friede» zu kommen. Durch den deutschen Eintritt in den Völkerbund und durch die Besprechungen in Thoiry seien die Dinge entschieden weiter gekommen. Er sei keineswegs ge willt. die Bedeutung -er Rebe zu überschätzen, die Briand vor dem Völkerbund gehalten habe, aber diese Briandsche Rede sei doch entscheidend gewesen dadurch, daß Briand sie halten konnte, ohne von der französische» öffentlichen Meinung ge steinigt zu werden. Minister Stresemann knüpfte an die Feststellung, daß cs keine andere Möglichkeit eines Vorwärtsschreitens gebe, als die der Verständigung, die Mitteilung, daß sich an eine deutsch-französische Verständigung andere SierständignngSversuche knüpfen werden und können. Diese Tatsache, daß eS nicht allein bei einer bentsch-französische» Verständigung bleibe» solle und bleiben könne, sei der Gesichtspunkt, von dem er ans seine Politik getrieben habe und weitertrcibcn wolle. Man könne zwar über die Methode seiner Politik ver- schiedener Meinung sein, der Gegenbeweis sei aber noch zu führe», ob man auf andcren Wegen zu besseren Ergebnisse» kommen würde. Auch di« Opposition, wenn sie an die Negierung und zur Führung der Außenpolitik gelangte, würde schließlich nichts anderes tun können, als auf dem jetzt ein- geschlagenen Wege meiterziigchen. Der Minister ging dann nach einmal ans seine Ansprache ein. die er beim Empfang sab cnd der deutschen Kolonie in Gens gehalten habe. Er habe da nichts weiter als Selbst verständlichkeiten gesagt. Es sei doch töricht, anzunehmcn, daß. wenn eine Sache so gut gehe, wie es mit der Tätigkeit der deutschen Delegation in Genf der Fall war. sich dann deren Führer hinterher hinstell«, um sämtliche Fensterscheiben ein zuschlagen, Dke Reform -er sächsischen höheren Schule. Der Entwurf -es VolksbildnngSministersnms. Jahrelang hat die höhere Schule in Sachsen unter de« unheilvollen Druck gestanden, daß mit einer Reform wo» möglich eine grundstttrzcnde Aenderung des Bestehenden ge» plant sei. Dieser Druck hatte eine allgemeine Abwchrfront hcrvorgerufen. als unter dem Ministerium Fleißirer tatsäch lich ein Nesormentwurf bekannt wurde, der vfscnbar anS gänzlicher Unkenntnis der Verhältnisse entsprossen war, zu^ mal sein Verfasser nie in persönlicher Beziehung zur höhere« Schule gestanden hatte. Seitdem beschäftigten sich nur Fach» verbände und Politiker mit -cm Gedanken an eine Reform» indes eine Phalanx frei entstandener Vereinigungen de« Schutz des Bestehenden als ihre Aufgabe wahrnahm. Jetzt endlich tritt das Ministerium Kaiser mit einem Referenten- Eutwurf vor die Oeffeiitlichkeit, dessen Schöpfer der Professor an der Technischen Hochschule zu Dresden, Ministerialrat Tr. Menke-Glückert ist. Drei lange Jahre hat sich das Ministerium Zeit gelassen, um seine Pläne voll zur Reif« zu bringen. Und wenn man jetzt das Geschaffene überblickt, so wird man ihm die Anerkennung nicht zu versagen brauchen. Die Schulreform ist von dem Willen zur Beruhigung ge» tragen: sie will sachlich sördersame Grundsätze entwickeln, sie will keine Mciiiungsstrcitigkeiten entfesseln, keinen Stand punkt oktroyieren, keine zeitgcbiindcne» Einflüsse maßgebend sein lasten, sondern sie will sortbanc» a»f dem Vorhandenen. Was wäre in der Tat wohl auch kurzsichtiger, als wenn man Gedanken, die eben mit der ganzen Ungcklärtheit der J-ugend ins Leben getreten find, beute schon irgendwie „verankern" wollte. Kein einziger in Deutschland hat heute das Gefühl, daß mir nnö bereits auf festem Boden befinden, daß sich die Gärung schon gesetzt habe. Es dürfte demnach das Klügste sein, was die Unterrichtsverivaltliiig beabsichtigt: nämlich alle vorhandenen Entwicklungen zu schonen, keiner von vornherein das Lcbcnsrccht zu versagen nnd Altes und Neues i« Wettbewerb seine Kraft bewähren zu lassen. Die Entwicklung des sächsischen Schulwesen- ist erstaunlich. Tie Denkschrift des Ministeriums spricht da von. daß sie. verwaltungsmäßig, sogar regellos geworden sei. Schon unter dem Ministerium von Beck hatte eine blühende Mannigfaltigkeit der Ansätze begonnen. Und an Stelle der 13 sächsischen Gclchrtenschnle» von 183i> haben wir heut« 34 sechsstufigc und 87, „cuiistufige höhere Lehranstalten, -te Privatichnlcn niigerechnct. Wir haben Realanstaltcn, huma- nistische Anstalten. Oberschulen, Anfbayschulen, eine höhere Bersuchsichiile usw. Beinahe jede der einzelnen Tchulsormen ist in sich noch einmal vcrmannigfaltigt; wir haben Gymnasien und Realgymnasien mit einer neueren oder mit einer alten Fremdsprache im Anfang; zumal in den Obcrklasscn gestaltet sich die Vielheit der Verästelungen verwirrend, Der Ne- ferenten-Eiitwurf vermehrt diese Vielheit nicht: er beengt auch nicht die drängende Fülle. Er versucht allein, aus Nütz- lichkcitserivägungen die Verästelung nach oben zu verlegen, den Unter- und Mittelbau aber möglichst gleichartig zu ge- stalten. Damit soll erreicht werden, daß Eltern und Kind Zeit gewinnen, die bindende Entscheidung über die Schula« zu treffen. Bis ins 13. Jahr des Kindes bleibt die Möglich, keit eines Tausches dort zwischen Gymnasium und Real gymnasium. hier zwischen deutscher Oberschule und Gymna sium oder Realgymnasium, und auch zwischen deutscher Ober schule und Oberrealschule erhalten. Maßgebend für die Müg- lichkeit zu Uebergängen sind allemal die Fremdsprachen, die auf den einzelnen Schularten zu Anbeginn getrieben werde». Gymnasium nnd Realgymnasium können bei Latein bleiben; die zweite Fremdsprache beginnt bei ihnen dann schon in Quarta, damit eben auch hier Möglichkeiten des UcbergangcS geschaffen werden; im übrige» steht überall Englisch an erster Stelle. Die Untcrrichtsvcrwaltnng sieht — mit ihre» eigene» Worten — das Z i e l der Entwicklung in der ge gliederten höheren Einheitsschule, die auf einem möglichst weitgehenden gemeinsamen Unter- und Mittelbau eine im wesentlichen nach BerufSkom- plcxe» gegliederte, aber dnrch eine Reihe von Kcrnfächern zu- sammengchaltcne Oberstufe trägt. Der Gedanke an eine Er» Weiterung der Volksschule — wie er früher einmal spukte — wird entschieden abgelehnt. Das Ministerium kann es nicht verantworten, die -Hand zu einer Herabsetzung der wissen schaftlichen Leistungen an den höheren Schulen z» bieten, wie sie durch eine Dehnung -eS Bolksschnlbesnches bedingt würde.