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wütt nicht leide», und der König will'S auch nicht leiden." „WaaaaS?" ,Frieg mit dem Ungeheuer aidt'S nicht : »er standen?^ »Wer " , »Ader? Da gibt'S lein Aber! — Was stehst Tu und gaffst mich an, mir die Kuh da- neue Tvr?! Bin ich etwa Minister? — Rechtsum lehrt! Marsch! marsch!" „Aber " Gustav folgte gehorsam dem Befehl und führte ihn mit einer Gewissenhaftigkeit aus, als ob er auf dem Exerzierplatz stände. Dabei summte es ihm in den Ohren: „Es gibt leinen Krieg! Es gibt leinen Krieg!" wie eine Melodie, die sein altes Herz todtraurig macht. Und doch war ihm auch wieder so freudig, so warm zu Mut, als hätte ihm der Herr General von seinem besten Kirsch präsentiert. Schockschwerenot! Das kam eben daher, weil die alte Exzellenz heute endlich wieder ein mal geflucht und gewettert hatte. Herrgott noch ein mal! Wie war er immer so ruhig und still an sich haltend gewesen, seit ihm das Unglück da auf dem Kapellen berge passiert! Wer weiß, wenn ihm die Kugel da mals nicht die Sprache geraubt, — die Sache wäre ganz anders gekommen! Aber nun! Nun konnte er ja wieder donnern. Gott sei Lob und Dank! Tenn was sä'« rechter Soldatengeneral aus der guten, alten Zeit deS seligen Fritz war, der mußte doch ein bißchen weitern können. Es gehörte doch nun mal dazu. Und was die Sache mit dem Kriege betraf, — das mußte ein Irrtum gewesen sein, das müßte sich irgendwie aufhellen. Gewiß, ganz gewiß! So stapfte Gustav, immer frohgemuter werdend, davon. Nüchel aber ging mit großen Schritten in der Veranda auf und ab. Es gibt keinen Krieg! Es gibt keinen Krieg! summte eS auch ihm wie eine töd- tranrige Melodie in den Ohren. Und sein Krückstock, der schlug den Takt dazu. Plötzlich hörte er einen leichten und doch festen Schritt im Eßzimmer. Elisabeth! » Jetzt galt'-, sich zusammenreißen I So schnell als nur möglich, begab er sich wieder zu seinem Platz am FrühstückStisch und ließ sich im Stuhle nieder. Ta war sie auch schon neben ihm. „Nun?" «achte er und wagte sie doch nicht an zublicken. „Hast Du was Gutes von Deinem Schatz?" * „Was Gutes? — Rein, Bater!" Ihre Stimme vibrierte ganz leise, wie geschliffenes Glas, wenn es zerbricht. „Ader — er hat noch festen Mut und weiß doch noch nichts von dem Siege bei Aspern! — Ach, daß ich ihm einen Boten senden dürfte ," halb fragend blickte fie den Bater an. „Einen Boten? — Was schreibt er oenn? — Gib einmal her!" Er griff, immer noch ohne seine Tochter anzusehen, nach dem Briefe. ,Ader darf ich nicht? Stehe« Liebesgeheimnisse darin? " Jetzt fand er, zu ihr hinaufblinzelnd, doch ein Lächeln. Doch er erschrak. Blitz und Hagel! Wie sah sie aus! „So weiß wie ein Engel," hörte er Gustavs Stimme im Ohr. Sie er widerte sein Lächeln nicht einmal. „Ta, Vater," entgegnete sie ruhig. „Diesen Bogen kannst Du lesen. Sein Inhalt ist auch für Tich bestimmt. Er berichtet über das Gefecht." „Heber welches Gefecht? Das von Dodendorf?" „Nicht doch! DaS ist ja schon so lange her." „Na, Sind — noch keine vier Wochen." „Ach!" Mit ihrer edlen Hand, deren schöner, ener gischer Form man eS wohl ansah, daß sie gewohnt war, mitzutün im Haus und Garten, strich sie sich über die stolze Stirn. Dabei stand ein Ausdruck in ihren Zügen, der nur zu deutlich sagte: „Mir sind eS Ewigkeiten ge wesen!" Doch sie bezwang sich schnell. „Nein! Bel Dam garten ist ein Reitergefecht gewesen —" „Bei Damgarten?" Rüchel blickte in höchster Verwunderung auf. „Wie kommt Schill dahin? An die Mecklenburgische Grenze?" „Er schreibt eS eben, Bater," entgegnete Elisabeth, indem sie auf den Bogen wies, den der Vater in Händen hatte. „Ferdinand wollte oder will doch nach Stralsund. Um die Feinde, die sich um ihn her zusammenziehen, den an der Weser kommandierenden General Gratien und Michaud, über seine Absichten zu täuschen, zog er sich nach der mecklenburgischen Feste Dömitz, die er besetzte; sandte von hier Quistorp mit einer Abteilung nach Lüneburg, um eine Wiederbelebung der Dörn- bergschen Erhebung zu versuchen. — Ohne Erfolg. Gleichzeitig wurden der Rittmeister von Bornstädt und Herr von Bothmer nach England geschickt, um von den Engländern Hilfe zu erbitten. Dann brach Ferdinand nach Rostock auf, das ebenfalls ohne Mühe besetzt wurde, und entsandte abermals von hier verschiedene Abteilungen, um den Feind irrezuführen. Barsch ist nach Warnemünde geschickt worden. Er soll sich nach Rügen einschiffen, wo er eine Schwadron Ulanen er richten und die Landwehr aufbicten soll. Ferdinand selbst wollte, von dem dänischen General Ewald und von Gratien verfolgt, mit den übrigen Truppen mög lichst schnell Stralsund erreichen, wurde aber von General Kandras, dem Kommandeur von Stralsund, der ihm ent gegenzog, bei Damgarten gestellt." Elisabeth hatte das alles in eintöniger Art ge sprochen, fo, als bete sie ein eingelerntes Gebet her. „Aber —unterbrach sie sich nun, wie zu sich selbst kommend, indem sie ihrer Stimme eine größere Modulation aufzwang, „ich erzähle Dir das alles so im Chronikenstil. Du mußt es schon selbst lesen. Bei Fer dinands brillantem Stil ist's einem, als hätte man alles miterlebt." Der Bater nahm schweigend den Brief zur Hand. Langsam durchlas er die Zeilen. In sein feines aristokratisches Gesicht kam mehr und mehr ein Aus druck, als ginge irgendwo hinter Wolken die Sonne auf. „Potz Blitz! Prächtig! Prächtig! Solch ein Tausendsassa, Dein Major!" rief er endlich. „Und dabei willst Du noch sagen, der Brief enthalte nichts Gutes? Wahrhaftig, Du hast einen Staatskerl, Elisa!" „Ja, Bater, er ist ein herrlicher Mensch," entgeg nete das Mädchen aus tiesinnerster Ueberzeugung her aus. Ihre dunkeln Augen leuchteten wie zwei Sterne. „Nun, nun, das sagt schließlich jede Braut," ver suchte der Vater wieder zu scherzen. Als er aber in der Töchter Antlitz sah, dessen beinahe andächtiger Ausdruck ihm verriet, wie sehr sie von dem Gedanken an den Geliebten beherrscht war, fügte er ernst hinzu: „Du aber kannst es, bei Gott, mit vollem Rechte sagen. — Ich muß ihn wahrhaftig noch einmal lesen, den Brief." Er senkte die Augen wieder auf das Schreiben. „Wahrhaftig, großartig!" rief Rüchel, nachdem er zu Ende gelesen. „Der echte Schill! Da hätte unser alter König Fritz selber seine Helle Freude daran ge habt!" ,/Ja, es war wirklich ein Ruhmestag für Ferdi nand," nickte Elisabeth mit einem verklärten Ausdruck, sich vom Berandafenster, an das sie leise während des Lesens getreten, zurück zum Vater wendend. „Mir scheint die Attacke bet Damgarten die glänzendste seiner Waffentaten." „Und, Kind, die ersolgre'chste dazu," fiel Rüchel schnell ein. „Bedenke doch! Um 5 Uhr begann das Ge fecht, und schon vor Einbruch der Dunkelheit war Ge neral Pressenthien mit zwei Stabsoffizieren, 7 Kapi- tarns, 21 Leutnants, zusammen etwa 30 Mann, 4 Fahnen und die beiden Geschütze in Schills Gewalt, DU vnchdruckeret von Langer LVinterHed »icsK Goctheftratze Nr. 5- hält sich zur Anfertigung nach stehender Drucksachen bei sauberer Ausführung und billigster Preis- stellung bestens empfohlen. 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Hab Dank für dieses Wort," rief Elisabeth mit überströmendem Gefühl. Impulsiv trat sie zu ihm heran und legte beide Hände um seinen Nacken. „Vater —" leuchtend und doch wie mit heimlich bangem Flehen blickte sie ihm in die Augen — „Vater, es muß doch noch alles gut werden! Ter König muß jetzt zu den Fahnen rufen! Ganz Norddeutschland muß unter seinem Befehle losbrechen und Oesterreich die Hand reichen, — ein heiliger Krieg wird entstehen, der den fremden Eroberer und seine Scharen für alle Ewigkeit weg fegt wie leere Spreu von unserer treuen Heimaterde!" Mit Wangen, die aufglühten wie dunkelleuchtende Pur purrosen, mit Augen, strahlend wie die Sonne, stand sie vor dem Vater. Der verfärbte sich. Er senkte den Blick und preßte wie in körperlichem Schmerze die schmalen Lippen aufeinander. „Vater — was ist's?" schrie Elisabeth auf, jäh lings totenbleich werdend. Die heiße Todesangst, die ihr ahnendes Herz doch heimlich und unablässig er zittern gemacht, trotz der Siegesnachricht von Aspern, diese heimliche Todesangst, die sie nicht mehr hatte fühlen, nicht mehr empfinden wollen, — sie brach sich in diesem Aufschrei gewaltsam Bahn. Der Vater hätte aufschluchzen mögen vor Weh. Wer mit einem gewaltsamen Ruck riß er sich förmlich innerlich und äußerlich zusammen. Er legte, zurück greifend, seine Hände auf die seiner Tochter, um sie von dem Nacken zu lösen. Fest blickte er ihr ins Auge. „Elisabeth, Du bist Deines Vaters echte Töchter, bist ein Soldatenkind —" „Vater, was fragst Du das erst," entgegnete sie gequält. „Ta gilt's oft hart sein, hart gegen sich selbst. Zähne zusammengebissen! Nicht gemuckst!" „Bater — hast Du etwas an mir zu tadeln?!" ent gegnete sie, das Haupt zurückbiegend, in edlem Stolze. „So sage mir's ohne Umschweife!" ,>Jch an Dir etwas tadeln?! An Dir?!" Blick und Tön des Vaters sagten mehr als alle Worte. Er hatte ihre Hände von seinem Halse gelöst und hielt sie nun fest in den seinen. „Vergib Deinem alten Vater, mein stolzes Kind, daß ich Dich an Deine Pflicht zu erinnern wagte, — an Deine Pflicht, die Du stets so tapfer er füllst," sagte er mit kaum verhaltener Rührung. „Meine Sorge um Dich ist daran schuld. Du warst allezeit der Sonnenschein meines Lebens. Und — Elisabeth — Schweres steht uns — steht Dir bevor!" „So mach es kurz!" „Da — lies den Brief!" Er nahm das Schreiben vom Tisch aus. „Bon Gneisenau. Mer — nimm Dein Herz in beide Hände." Ohne zu zittern, ergriff fie den Brief, trat mit festen Schritten vom Bater fort, zum Berandafenster und las still für sich: „Königsberg . . . Auf einen Krieg von unserer Seite warten Sie nicht ferner. Unsere Gegner — ich meine die in unserem Lande — sind zu zahlreich und erheben ihr Haupt und umgarnen unseren un glücklichen König zu sehr, als daß von dieser Seite noch etwas zu hoffen wäre. Ms ich im Monat März Königsberg verließ war meine Ansicht der Dinge sehr trübe. Wer um wieviel schlechter ist es seitdem geworden! Indem ich unterwegs durch Estafette den Befehl erhielt, hierher zurückzukehren, konnte ich wohl nicht anders glauben, als daß der König sich endlich ent schlossen habe, gegen Frankreich den Schild zu er-- heben. Ich eilte Tag und Nacht, um hierher zu kommen. Aber wie fand ich den Zustand der Dinge! Der General von Scharnhorst verfolgt, verleumdet, denunziert, noch krank von einem Gallenfieber, war im Begriff von keinem Posten abzutreten. Die Finanzen In grausamer Verwirrung, so baß man schon seit geraumer Zeit die stipulierten Zahlungen ay Frankreich nicht mehr leisten könnte. Me Geschäfts leute mutlos und kein kräftiger Entschluß von oben. Man sieht das Verderben hereinbrechen, ohne etwas zu tun, um ihm einen Damm entgegenzusetzen. Tie Gutgesinnten geben den Kampf auf; und diejenigen, die aus Bequemlichkeit-liebe, Genußsucht oder Feig herzigkeit immer gegen den Aneg sprachen, trium phieren. Alles, was nur den geringsten Anschein einer Rüstung hat, ist hoch verpönt, und ich muß Sie daher mahnen, hierin behutsam zu sein. Ter Sieg der Oesterreicher hat diese Friedens stimmung nicht ändern können. Einer der Herren Minister äußerte gegen mich: Wenn die Oesterreicher noch eipen zweiten, dritten und vierten Sieg erfochten, und man sich dann von der Redlichkeit ihrer Ge sinnungen überzeugen könnte, dann wäre es für Preußen immer noch Zeit, hinzutreten, und Oesterreich würde es immer noch mit hohem Dank erkennen müssen. So sprach ein Mann, dessen Redlichkeit we nigstens im guten Rufe steht. Was kann man von den anderen erwarten?!" Elisabeth ließ die Hand, die den Brief hielt, sinken. Sie lehnte die Stirn gegen die Scheibe — ein heim liches Zittern ging durch ihren Körper. „Elisabeth, Müt! Mut! Schill muß sich nach Eng land flüchten!" Da wandte sich das Mädchen herum. Geisterblcich war ihr Antlitz, wie versteinert. Nur ihre Augen brannten. „Zu spät! Und wär's auch nicht zu spät, Fer ¬ dinand wird sich nicht feige ins Leben retten. Er siegt oder stirbt für seine Ueberzeugung." Rüchel fühlte nur zu gut, wie sehr seine Töchter recht hatte. Es erfüllte ihn mit heißem Schmerz und doch auch wieder mll stolzer Freude. „Elisabeth," rief er aus, „wolltest Du ihn anders haben?" „Vater! Wär's möglich? Könntest Du an mir zweifeln? — Mag die ganze Welt auf Schill mit Fingern weisen und ihn als Aufrührer, als Deserteur verdammen, — ich halte zu ihm! Er ist ein Held! Vater —" schwerflüssig, wie Blutstropfen kam das Bekenntnis von ihren Lippen — „er ist die erste — die einzige Liebe meines Lebens. Ich gehe zu ihm. Mit ihm — an seiner Seite will ich sterben!" , „Und an mich — an mich denkst Du nicht?" Tie ganze grenzenlose Liebe, die der Wann für dieses Kind im Herzen trug, brach sich zitternd in seinen Worten Bahn. Das Mädchen fühlte es. Ein schmerz, liches Lächeln glitt über ihr weißes Gesicht. ,Zch stehe am Wend meines lebens, wenn Du mich verläßt —" „Vater," — liebreich trat die Tochter auf ihn zu und legte ihm die Hand auf die Schulter — „halte mich nicht für undankbar! Wer was gilt jetzt ein einzelner, was gelten Du oder ich?! Wenn ein Rann wie Ferdinand von seinem Volke, von seinem König in seiner höchsten Not verlassen und verdammt wird, dann, meine ich, müssen wir am Ende aller Dinge stehen." ' Sie richtete sich auf. Mle Wehmut war verflogen, edelste Begeisterung leuchtete aus ihren dunklen Augen« „Laß unS vergehen für unser Vaterland, für unsere Freiheit, aus daß Deutschlands Enkel einst ein freies Land bewohnen!" Tränen traten in Nüchels Auge. Sie liefen ihm die gefurchten Wangen hinab. „Kind, so tue denn, was Du für Deine Pflicht hältst," sagte er voll edler Fassung, indem er ihr Haupt in. beide Hände nahm und fie, auf die Stirn küßte, „ich begleite Dich." „Bater — Du ?!"