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2. Beilage znm „Riesaer Tageblatt". Aot-tbm«dmck >md B«I«g L««,«r » »inteelich ,« »,«!«. — jM btt Ard«Ntt« »«mwsrtach' «ritz», Hähnl in «iisa. 2V1 r»„«ve„, 80. 1918, «be«dS ««. Jehrg. Friede»StrSn«e. BD.^Der amrrikanisch« Kapitalmagnat Andrem Car- negl«, ver schon beim Regierung»jubiläum de» Kaiser» diesen al» „FriidenSfürsteu" feiert«, hat jetzt allen Ernste» bei der Eiawethang de» von ihm gestifteten Ari«d«n»palaste» im Haag Kaiser Wilhelm II. al» den Mann bezeichne», in dessen Macht «» liegt, der Welt den Frieden zu geben. Daß eia Amerikaner die Tätigkeit de» deutschen Herrscher» im Dienste de» Weltfrieden» mit so überau» warmen, überschwänglich warmen Worten preist, da» kann un» Deutsche ja nur freuen. Früher klang e» gerade von jenfeit» de» Ozean» manchmal ander» herüber; da galt der deutsche „Milttarttmu»-, von dem die so ganz unmilitärisch empfindenden Angelsachsen eine Vorstellung haben, wie ste etwa Kinder nach der Lektüre von Märchenbüchern sich von Menschenfressern machen, al» die stärkst« Bedrohung de» Weltfrieden». Carnegie urteilt offenbar ander». Er sieht tu dem trotz de» gewaltigen deutschen Heere» friedliebenden deutschen Kaiser den Mann, der nur zu wollen braucht, und der Weltfriede ist da. »Der deutsche Kaiser hält in seiner Hand di« Fackel de» Frieden»-, so rief er begeistert au». Und wie denkt sich der praktische bufineßman die Stiftung de» Weltfrieden«? Nun, wie eben ein amerika nischer Geschäft»mann denkt. Drei oder vier der Groß mächte, die gleichsam da» große Kapital in der Politik dar- stellen, tun sich zu einem Friedenrirust zusammen, der die Irieg«wütige Konkurrenz zum Frieden zwingt. Bon dem Spiel der Kräfte, di, in den Großmächten leben, hat er keine auch nur schattenhafte Vorstellung, obwohl gerade die jüngste Vergangenheit am Valkan ihn darüber belehren könnte. Da hatten die Großmächte auch in der Londoner Botschafterkonferenz rin« Art Frieden»trust geschloffen, und der verhinderte ja zwar den Krieg unter ihnen selbst. Aber die wildgewordenen Amokläufer am Valkan wieder in da» Hau» de» Frieden» zurückzubringen, da» war ihnen versagt. Und warum versagt? Weil ste einander nicht trauten. Sie taten sich zusammen, um unter einander, wenn möglich, ohne Krieg in» Rein« zu kommen, dazu reichte ihr Ein vernehmen nicht au», denn der eine sah in dem Türken den Friedensstörer, der andere in dem Bterbund, der eine in den Bulgaren, der ander« in den Serben und Griechen. Und woraus erklärt sich diese Verschiedenheit ihre» Stand- , punkte»? Au» dem, daß die Großmächte nur da» tun, wa« in ihrem Interesse liegen kann. Und diese Interessen sind eben nicht rein geschäftlicher Natur wie die bei Trust oder TyndikatSmännern; eS spielt da alle» hinein, was man im politischen Leben al» Fragen der nationalen Ehre und Würde ansieht. Rein geschäftlich hätte z. B. Oesterreich alle Ursache, sich mit Serbien gutzustellrn. Denn Serbien ist der gegebene Markt für Oesterreich. Aber Oesterreich al» Staat fühlt sich bedroht durch die serbische Agitation unter den Südslaven, und da eben der erste Zweck jedes Staate» ist, sich seine eigene Existenz zu sichern, so kann «» den serbischen Treibereien nicht ruhig zusehen. Und so wie zwischen Oesterreich und Serbien, ist e» in Hunderten von Fällen, und di« kann kein deutscher Kaiser >u» der Welt schaffen. Darum wird Carnegie» Traum von der Frieden«- Vereinigung der Großmächte ein Traum bleiben, und der Friede hat, wie auch Kaiser Wilhelm in sicher ungewollter Kritik an Carnegie» Frieden»r«de in vr«»lau au»führte, heut« noch kein« bessere Bürgschaft al» ein starke», krieg»- bereite» Heer. Denn Völker sind kein« tot«n Kapitalien, die man zusammenwerfen kann, um sie desto kräftiger zu machen. Je mehr Völker zusammenkommen, umso schwächer ist die SktlonSkraft dieser Bölkervereinigung nach außen. »Bündnisse find gut, aber eigene Kräfte sind besser- sagte der Große Kurfürst Brandenburg». Sein Urenkel wird nicht ander» denken. Tagesgeschichte. Deutsches Reich. Der empfindliche Herr Guilleaux. Ein französischer Flieger, namens Guilleaux, war bei Brackel in der Nähe von Hamburg noch auf preußischem Gebiet gelandet und, da er sich als französischer Offizier aus- wieS, in Obhut genommen worden, bis der Fall aufge klärt und festgestellt war, daß eine Gefährdung vater ländischer Interessen nicht vorlag. Diese Untersuchung wickelte sich mit außerordentlicher Schnelligkeit ab und bald konnte Herr Guilleaux die Heimreise antreten. Tie Neigung der Franzosen, sich theatralisch in allen Lebens lagen zu gebärden, scheint der französische Pilot in be sonders hohem Maße besessen zu haben. Denn kaum hatte die preußische Behörde ihn entlassen, da richtete er an den „Matin" einen Brief, in dem er sich zu einem wahren Märtyrer aufspielte. Enfin libre! (End lich frei!) begann der Brief und erzählte dann weiter hin von pöbelhaften Drangsalierungen durch die Behörde. Nichts schlürft der Pariser lieber als solche Schilde rungen und erhitzt damit sein Patriotenblut. Tie deutsche Regierung trat diesen Entstellungen mit einer Darstellung der amtlichen Untersuchung entgegen und konnte im einzelnen feststellen, daß der Landrat des Kreises dem Flieger sein Hcms angeboten habe, das auch der Böswilligste kaum als Arrestlokal ausfassen kann. In seiner Antwort auf diese Vorhaltungen er geht sich Herr Guilleaux in einigen ungezogenen Schim pfereien, die am besten den Mangel an beweisenden Tat sachen zeigen. Er erklärt, seine Anschuldigungen in vollem Umfange aufrechtzuerhalten und meint sogar, er wäre wie ein „Vagabund" behandelt Worden. Aller dings habe er- die Einladung des LandratS ansgeschla- gen und in einer kleinen Kneipe am Bahnhof gegessen, wobei ihm ein Polizist fortwährend auf den Mund ge sehen und sogar an seinen Lisch sich gesetzt habe. Merkwürdig klingt aber die Entschuldigung für die offen bare Unhöflichkeit, die er mit der Zurückweisung der landrätlichen Einladung zweifellos beging. Ter kühne Pilot der Lüste erklärt nämlich, als er die Einladung deS LandratS erhielt, sei er gerade durchsucht worden und demgemäß nicht in Stimmung gewesen, zuzusagen. Ter Flieger mit einer mimosenhaften,-überzarten Em pfindlichkeit, das ist eine ganz neue und ungewohnte Erscheinung. Ob ein französischer Flieger der Einla dung eines preußischen LandratS folgen will oder nicht, ist schließlich seine Sache, nur soll er sich nachträglich nicht beklagen, wie ei» «aaabund behandelt worden zu sein. Der Termin für die BermögenSerklä- rung zum Wehrbettrag. Ter Finanzminister hat nunmehr den Termin bestimmt, bis zu dem die Ber- mögenSerklärung -um Wehrbeitrag zu erfolgen hat. Darnach ist die Frist vom 4. bis 20. Januar 1914 festgesetzt, innerhalb der die Erklärungen abgegeben wer den müssen. Als Einkommen wird dasjenige steuer pflichtige Einkommen angesehen, das auf den Beitrags pflichtigen für das Jähr 1914 veranlagt wird. Tritt aus dem Wege des Rechtsversahrens eine Aenderung in der Steuerleistung ein, dann wird der Wehrbeitrag ent sprechend reguliert. Tie nach Mäßgabe deS Paragraphen 19 und 20 deS Einkommensteuergesetzes gewährten Er mäßigungen (wegen Kinderzahl usw.) bleiben außer Betracht Die Kaisertage in Breslau. Gestern abend fand in den Festräumen des Zwingers in BreSlau dje Paradetafel bei Ihren Majestäten statt. Anwesend waren u. a. der Kronprinz und die Kronprinzessin, der König von Sachsen, der Kronprinz von Sachsen- Prinz Friedrich Christian von Sachsen, die kaiserlichen Prinzen und Prin zessinnen, die Prinzen Moritz und Wolrad zu Schaum burg-Lippe, der Reichskanzler und der kommandierende General. Zur Täfel führte der König von Sachsen die Kaiserin, der Kaiser die Kronprinzessin. An der Täfel saß zur Linken der Kaiserin der König von Sachsen, zur Rechten des Kaisers die Kronprinzessin. Gegenüber den Majestäten saß der kommandierende General. Ter Berliner Korrespondent der „Köln. Ztg." tele graphiert seinem Blatte, daß dem Auswärtigen Amt eine Entschuldigung zugegangen ist, in der der Angriff der Rebellen in Nanking auf den Kreuzer „Emden" be dauert wird. Vesierrelch-Nngarn. Seit zehn Jahren hat man in Ofenpest die deutsch« Sprache au» den Unterrichtsfächern der Schule verbannt, Man glaubte, ohne ste au»kommen zu können; die madja- rtschen Laute genügen zur Ausbildung der hauptstädtischen Jugend. Neuerding» aber scheinen den Stadtvätern Ofen pest», denen die Sorge um die Schule obliegt, doch erheb liche Bedenken über die Zweckmäßigkeit ihrer deutschfeind- Britta. Roman von B. von Winterfeld. Dann galt es, der Tante beim Zubettgehen behilflich zu sein, uno manch tadelndes Wort fiel, wenn Britta bei den ihr ungewohnten Handreichungen es an dem nötigen Geschick fehlen ließ. Endlich war sie entlassen, und sie sab sich allein in ihrem Stübchen am offenen Fenster, in das das volle Mondlicht flutete. Und tief unten schlugen die Wellen gegen die großen Steine und sangen ihr uraltes, gleich mäßiges Lied. Britta lehnte den Kopf an das Fenster kreuz und ließ den hervorquellenden Tränen freien Lauf. Ihr Herz hungerte nach einem freundlichen Wort, nach einem Tröpfchen warmer Liebe, an die sie daheim gewohnt war. Was half Tante Tina all ihr Reichtum, wenn ihr Herz so hart und kalt war, daß es doch niemand wohl tun konnte? Von einem Boot unweit des Ufers klang froher Ge sang, und vom Strande her antwortete Helle» Lachen junger Menschen. Der Mond warf eine zitternde Silber straße über da» Wasser, und auf der Promenade wanderten genießende Badegäste auf und ab. Morgen wollte Britta nach Hause schreiben. Heute abend war sie zu müde und suchte bald ihr Laaer auf. Im Einschlafen mußt« sie an Doktor Steinberg denken. Was mochte er jetzt treiben! Es war so lange her, seit er zuletzt geschrieben. Helle» Sonnenlicht und frohe Stimmen, die von draußen hereinklangen, weckten da» jung« Mädchen am nächsten Morgen. Sie bemerkte erschrocken, daß e» schon sieben Uhr vorüber war. Rasch kleidete sie sich an und atmete die Mtliche Luft ein, die durch da» offene Fenster strömte. Wenn nur die Tante nicht schon wartete! Um halb acbt Uhr hatte sie der Nichte befohlen, ihr bet der Morgen toilette zu helfen. Britta klopfte auch wirklich zur vorgeschriebenen Stunde an, und al» sie rosig und freundlich in ihrem frisch ge waschenen, Hellen Leinenkleid eintrat, huschte etwas wie Befriedigung über das strenge Gesicht Tante Tina», und sie murmelte: -Na, pünktlich bist du wenigstens, das muß man dir lassen l" Brittas Augen strahlten bei dieser kleinen Anerkennung. Sie küßte Tante Tina die Hand und half ihr dann, so gut ie es verstand, bei der umständlichen Toilette und lernte taunend die vielen kleinen und größeren Mittel und Kunst- zriffe kennen, mit denen das moderne Alter sich möglichst ! ange den Schein der Jugend zu erhalten strebt. Tadel und häufige Scheltworts über ihr Ungeschick mußte sie frei lich wieder hören. Während des Frühstücks, das man auf dem Balkon nahm, faßte sich Britta ein Herz, die Tante um Erlaubnis zu bitten, etwas an den Strand gehen zu dürfen. Diese sah sie verwundert an und erklärte dann unwillig: „Denke nur nicht, daß ich dich zum Herumflanieren mit hergenommen habe. Du hast nachher zunächst meine Kleider abzubürsten, die ich gestern trug. Ich liebe nicht, das von Hotelbediensteten tun zu lassen. Und dann mußt du noch mancherlei für mich nähen und einige Geschäftsbriefe für mich schreiben. Britta erschrak. Wie anders hatte sie sich diesen Seeaufenthalt gedacht l Freilich mußte sie ja froh sein, vom Balkon aus die See immer vor sich zu haben. Schweigend tat sie, wie die Tante verlangte. Del dem Diktat der Geschäftsbriefe staunte sie über die großen Summen, von denen die Rede war, und über welche spielend verfügt wurde. Da» waren Summen, die ihr zu Hause wie ein riesige- Vermögen erschienen waren und die hier nur einen kleinen Teil der regelmäßigen Einnahmen der Tante darstellten. So verging der Vormittag, und al» Britta glaubte, nun mit allem fertig zu sein, bat ste, nach Hause schreiben zu dürfen. . „Was willst du jetzt schon schreiben, du hast ja hiernach gar nichts erlebt! Eine Postkarte genügt vollkommen. Das viele Briefeschreiben ist Unsinn!" Das war Fräulein von Scharfeneck» Meinung, der sich Britta fügen mußte. Sie hatte sich mit einer Postkarte zu begnügen, die freilich eng beschrieben wurde. Aber ihr Herz konnte Ne darauf ihrem Muttchen doch nicht au», schütten, und da» tat ihr weh. Nach dem Diner unternahm man eine Spazierfahrt, worüber Britta glückselig war, wenn sie auch lieber zu Fuß an den Strand und in den Wald gegangen wäre, aber man bekam so doch etwa» zu sehen, und es war viel schöner, al» in dem eleganten Hotelzimmer zu kitren. Man fuhr nach dem schönen Park von Dwasidcn, vem herrlichen Landsitz einer reichen Witwe, in dem auch di« deutsche Kaiserin einst Wohnung genommen. Britta interessierte sich für alles auf dar lebhafteste und lieh ihrem Entzücken mit Begeisterung Worte. Dann ging es durch den uralten, schattigen Buchenwald nach Stubbenkammer, und mit stiller Andacht genoß da» junge Mädchen den wunderbaren Ausblick vom Königsstuhl auf da« weite, ewige Meer. Wie klein lagen tief unten die Dampfer, wie verschwanden die Menschen in dieser großen Natur! Wie rauschten und raunten die Buchenkronen ringsum von alten Zeiten, als wollten sie erzählen aus ferner, sagenhafter Vergangenheit! Tante Tina hatte für den Zauber, den Britta in ihrer schönen Umwelt sah, kein Verständnis. Nur ein halb mit leidiges, halb spöttisches Lächeln umspielte oftmals ihren herben Mund. Gern wäre Britta von Stubbenkammer aus noch an den Hertasee gegangen, aber das fand Tante Tina höchst überflüssig. „Es ist ein Waldsee, wie andere auch," meinte sie. „Du hast heute genug gesehen." Als der Abend mit D6ziquesplel zu Ende ging, der Tante Nachttoilette fertig war, küßte Britta die alte, be ringte Hand und flüsterte einen warmen Dank für die schöne Fahrt. Sie war heute wieder glücklich und hoff nungsfroh geworden durch all das Schöne, das sie ge sehen. „Du bist ein sonderbares Mädchen l" lachte Fräulein von Scharfeneck. „Ich habe immer nur erlebt, daß junge Mädchen einen Ball oder Gesellschaften und Partien mit Herren schön finden, aber eine gewöhnliche Spazierfahrt! Na, du bist wenigstens anspruchslos l" „Oh, es war doch eine Spazierfahrt durch die Stüb nitz, mitten durch den Sagenwald l" rief Britta froh. „Du bist noch ein rechte» Kindl" klang die Antwort. „Aber nun laß mich allein, ich will schlafen l" Noch lange stand Britta in ihrem Stübchen, vom Mond- licht umflossen, und sah auf die silbem glitzernden Wogen und hört« ihre immergleiche Melodie. Morgen wollte sie eine Postkarte an Doktor Steinberg schicken. Er sollte doch wissen, wo sie jetzt war, und daß sie auch «in Stück Welt kennen lernte.