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„Lisa, soll icy alter Soldat weniger tapfer em- finden, als Du junges Blut?" „Du bist noch leidend —, nicht völlig gesund —" „Gesund genug, um Ferdinand vielleicht noch mit Rat und Tat zur Seite stehen zu können. — Lisa, ver zage nicht!" — quoll es nun, da er ihr ins leidverklärte Antlitz sah, voll inniger Ueberzeugung von seinen Lippen — „einmal kommt unserem Vaterlande die Erlösung, wenn auch wir sie nicht erleben sollten. Der Tyrann ist doch zu Nein,' um em Volk zu bezwingen, das solche Seelen wie Schills und die Deine sein eigen nennt. Tie Welt erlebt seinen Untergang, — keine Offenbarung ist mir gewisser. — Komm! Uebermorgen sind wir in Stralsund!" (Fortsetzung folgt.) T a rr v. Sie vernahmen aber- nicht, baß er ihnen von dem Bater sagte (Joh. 8,27). SllS JesuS einst im Lande seiner Heimat von Ort zu Ort zog, um die Menschen durch seine freundlichen Worte und durch seine edle, reine Persönlichkeit zu Gott hin zuführen, um sie mit diesem großen, ewigen Gott in das wohl am meisten von Vertrauen getragene Verhältnis von Bater und Kind eintreten zu lassen, da galt von vielen das Wort: Sie vernahmen aber nicht, daß er ihnen von dem Vater sagte. Sie waren taub. In unsrer Zeit ist'S nicht viel anders. Wohl ist das Christentum ein Baum geworden mit'weiten Aesten, wohl zählen die Christen heute nach Millionen, aber wer sich und seine Umgebung wirklich kenut, der weiß, daß eS auch heute noch von vielen Tausenden gilt: Sie vernehmen nicht, daß er ihnen von dem Bater sagt. Aber ist eS denn so schwer, das zu vernehmen? Da wandern wir tief atmend durch die Hallen des Waldes, da sehen wir seine Wunder, da hören wir das Rauschen und Flüstern seiner Wipfel. Hören'S die Menschen wirklich? Bernehmen fle'S, daß auch diese Stämme, diese zitternden Zweige ihnen von dem Vater sagen? Da ziehen wir heim auf schmalem Feldrain, auf beiden Seiten wogt eS wie ein goldenes Meer. Wir hören da» Rauschen — aber hören wu's wirklich? Hören wir, daß eS unS von dem Vater sagt, der Samen und Ernte gibt Jahr um Jahr? Da sehr» wir mit freudigem Auge der Wiese Grün, einem Teppich gleich umsäumt mit vielfarbigen Blumen — hören wir, wa» diese schlichte Schönheit uns sagt, vernehmen wir, daß sie uns von dem Vater sagt? Da zieht mit finsterm Antlitz ein Gewitter herauf, da türmt eS die Wolkenberge mit starker, krachender Faust aufeinander, da umflutet unS deS Blitzes wilder Schein. Hören wir's, daß eS uns von dem Bater sagt, der segnen und vernichten kann? Da wandeln wir sinnend am blendend weißen Meeresstrand, unaufhaltsam jagen die Wellen herauf zu unfern Füßen, draußen aber braust eS auf der endlosen Wüste — ver nehmen wir da nicht, daß e» unS von dem Bater sagt, dem Wind und Meer gehorsam sind? Da führt un« da» Leben zusammen mit edlen, reinen Menschen, wie er quickende Alpenluft weht e» unS aus ihrer Seele ent gegen — vernehmen wir nicht, daß sie durch ihre Güte, durch ihren Friedcn von dem Bater Kunde geben? Da sehen wir spielend srohe Kinderscharen, so sorglos und un berührt von falschem Sinn — vernehmen wir'S nicht, daß auch sie un» von dem Vater sagen, dem wir sorgenlos vertrauen sollen? Ach, viele vernehmen'» nie und nimmer, sie sind so taub. Und wer so taub ist, bezeugt dadurch, daß noch kein Strahl von der Lichtgestalt Jesu in sein Herz gefallen ist — nur äußerlich find sie mit ihm in Berührung ge kommen, während ihrer Seele Tiefe ihn nicht erkannt hat. Wen aber auch nur ein solcher Lichtstrahl wirklich in der Tiefe de» Herzen» getroffen hat, der hört tausendstimmig überall da» große Lied von Gott dem Bater, der muß e» überall hören, well die ganze Welt um uns her seine Größe widerstrahlt, ja, der hört e» auch noch in den dunklen Tagen, der vernimmt e» selbst auf den Trümmern seine» Glücks, selbst am Hügel des Grabes, selbst dann, wenn der eigne Lebensfunke verglimmt, — aus allem ver nimmt «'S voll Trost: Der Vater! R. Herzog Albrechts Gelübde. Von Otto Heinrich Johannsen. Herzog Albrecht schon im Sattel Neigt noch einmal grüßend sich: Ewig Dank, mein Herr und Kaiser, Daß Ihr wieder sendet mich! Flanderns Trotz will ich Euch brechen, Kenne ja der Stolzen Art) Eh' ich's friedlich übergeben, Laß ich scheren nicht den Bart. — Kaiser Max von seinem Schlosse Schaut voll Sorgen in das Land: Sieh, da sprengt heran ein Bote! Wer wohl hat ihn uns gesandt? — Herzog Albrecht läßt Euch melden, Euer Auftrag ist vollführt) Huld'gen wird man jeden Ortes, Wie's dem rechten Herrn gebührt. Möget selbst hinab nun kommen, Zeigen Euch in allen Gau'n) lind damit auf beiden Seiten Reife völliges Vertrau'n, Bittet Euch Herr Albrecht, nehmet Mit auf diese Huldigungsfahrt Auch die Erbin jener Lande, Eure Tochter jung und zart. — Bis nach Maastricht zieht entgegen Seinem Herrn der Herzog risch) Schon ist dort ein Mahl gerüstet Bald sitzt jedermann zu Tisch. Lächelnd ruft des Kaisers Tochter: Wie nur sieht Herr Albrecht aus! Kaum erlennet man ihn wieder In des wilden Bartes Graus! Ach, fürwahr, versetzt der Kaiser, Ein Gelübde bindet ihn) Ernstlich also war gemeinst, Was er sprach beim Hcrwärtsziehn: Nicht den Bart wollt' er sich scheren. Bis ein friedlich Land aufs neu Er in meine Hand gegeben) — Nun, des Wortes ist er frei! Alle rings im Saale nicken: Sein Gelübde löst' er ein! Plötzlich an des Herzogs Stuhle Steht des Kaisers Töchterlein. In der Hand des Mägdleins blinket Einer kleinen Schere Erz; Zu Herrn Albrecht sie sich wendet, Halb im Ernst und halb im Scherzi Meinem Vater hast gedienet Du auch diesmal über Pflicht; Drum ein Dienst, den sie Dir leistet, Wohl beschämt die Tochter nicht. Laß den Bart, den Du getragen, Weil dem Kaiser half Dein Schwert, Von der Kaiscrtochter scheren, Die damit sich selber ehrt.— Herzog Albrecht der Beherzte Manche Ehre sich errang, Davon auf der Burg zu Meißelt Lang noch hohes Lob erklang; Aber was man sang und sagte, Nichts erfreute so sein Ohr Als die Mär vom Kaiserkinde, Das den rauhen Bart ihm schor. Denk- u«d Sinnsprüche. Was mühevoll ein Erster nicht bezwungen, Ist einem Zweiten leichtern Kampf'S gelungen) Ein Dritter hat'S dann auf den Schild gehoben, lind nun gilt's allgemein und hält sich oben. Feodor Löwe. Was einmal gut gedacht und gesagt ist, soll man beruhen lassen und nichts daran ändern. Goethe. Druck und Verlag von Langer t Winterlich, Riesa. — Für die Redaktion verantwortlich: Arthur Hiihnel, Riesa. CrMler an der Elbe. Belletr. Gratisbeilage zum „Riesaer Tageblatt". Nr. 35. ' Ries«, tze« 3«. August 1913 3«. Altzrg — Vorfrühling. Erzählung von M. von Witten. — Fortsetzung. „Guten Morgen, gnädiges Fräulein!" „Guten Morgen- Mädel! Fein geschlafen?" Freudig und mit feiner Galanterie erhob sich der Vater. „Geschlafen, Väterchen?!' Nach solcher Botschaft gestern?! Schau mich doch an!" Sie trat zu ihm und bot ihm den Mund zum Kuß. „Ausgeritten! O ich sage Dir, herrlich war's! Selbst Antigone schien das Glück über diesen Sieg in allen Adern zu spüren." „Das glaub ich, solch sensibles Tier! Wenn es der Herrin in allen Nerven zuckt!" lächelte der Vater stolz. Glückselig blickte er die Tochter an. Wohl erschien sie fast überschlank in dem schwarzen schleppenden Reitkleide, das ihre edle Gestalt eng umschloß; aber ein zartes Rosa lag heut wie ein Hauch auf ihren sonst immer so bleichen Wagen, ihre dunklen Augen blitzten und sprühten, und die kurzen Locken und Löckchen hatte der Morgenwind keck durcheinandergeweht. Der Vater schmunzelte. Ein süßer Drost kam über ibn. Vielleicht wurde doch noch alles gut. „Komm! Wenn es Dir recht, setz' Dich mit mir, so wie Du da bist, zum Frühstück," kam es aus dem Wunsche heraus, sie nicht gleich wieder entbehren zu müssen, über seine schmalen Lippen. „Wenn Tu erlaubst, Väterchen — gern!" entgeg nete Elisabeth. „Ich habe mich schon draußen am Brun nen gesäubert, weil ich mich verspätet hätte. Gestatte nur, daß ich Hut und Handschuhe drinnen ablege." Leichtfüßig wie eine Gazelle eilte sie davon. Rüchel ließ sich indes wieder «im Tische nieder. „Gustav," sagte er dabei, „rasch, sieh einmal nach ob die Post schon dagewcsen. Vielleicht, daß heute der Major —" Gustav machte sich spornstreichs davon. Indem kam Elisabeth zurück.' „Vater," rief sie eintretend, „weißt Du, vom Erz herzog finde ich's einfach großartig, sofort Boten an unfern König und an Blücher zu senden. Und Blücher! Daß der bei seiner Unzahl von Geschäften gleich an uns gedacht!" „Ja! Ter Blücher !" „Wart' einmal!" sagte sie, sich niederlassend. „Heut ist schon der 29. Mai. Eigentlich könnte von Königsberg heute schon eine Nachricht bei Blücher eintreffen, wie der König über den Krieg denkt. Blücher ließ doch sagen, daß er an Gneisenau deshalb einen Boten gesandt." „Könnte schon, könnte ,chon," erwog Rüchel schmun zelnd. „Aber nur Geduld! Einen Tag später oder früher! Ich habe jetzt wirklich Hunger. Und der Kaffee wird kalt." Er reichte ihr Weißbrot und Butter. „Komm! Bediene Dich! .heute tust Du hoffentlich dem Morgenimbiß mal wieder mehr Ehre an!" Wirklich sprach Elisabeth dem Frühstück tapfer zu. Der alte General aber tat es ihr noch zuvor. Licht und behaglich war es in der durchsonnten Veranda. Tie Nachricht von des Erzherzogs Sieg bei Aspern, die gestern ein von Blücher gesandter Meldereiter gebracht, bildete das ebenso freudige wie unerschöpfliche Ge sprächsthema. Nur der eine Name, der in Elisabeths Herzen klang, von dein ihr ganzes Wesen durchdrungen war, der eine Name kam nicht über beider Lippen, als fürchteten Vater und Tochter instinktiv, damit die fleißig geschürte Hoffnung einer glücklichen Wendung der Dinge zu zer stören. Jetzt hörte man Gustav eiligst über den Lies des Parke» zurückkehren. Die beiden lauschten auf. Mit angstvoller Span nung blickten sie ihm entgegen. Ja, die Post war da gewesen. Da lag die große Brieftasche in seinem Arme, die der Postillion auf dem nächsten Postamt für den Gutsherrn von Haselei ausgeliefert erhalten. Nu» legte sie Gustav neben seinem Herrn auf den Tisch. Elisabeth zitterte heimlich vor innerer Erwartung. Alle Farbe war wieder aus ihrem schmalen Antlitz gewichen. Dem Vater, der nur zu gut in der Seele seiner Tochter zu lesen wußte, erging es nicht besser. Er zog den Schlüssel aus der Westentasche und steckte ihn in» Brieftaschenschloß. Dabei kirrte das Schlüjselchen heim lich gegen die kostbaren Ringe an seiner Hand. „Ta, Elisa, Tir bricht's doch sonst das Herz ab —", versuchte er zu scherzen — „da ist ein Brief von Deinem Major." Elisabeth griff totenbleich, aber völlig beherrscht, nach dem Schreiben, das der Bater ihr hicveichte, auf dem Schills große, kühne SchriftzeichM ihr entgegen leuchteten. Schweigend erhob sie sich und suchte ihr Zimmer auf. Rüchel kramte weiter in der Tasche. „Alles für die Gutsangehörigen! Hier, Gustav, geh, teile die Briefe aus! Halt — da ist auch noch ein Brief für mich! Sapperlot? Das ist ja Gneifenau» Hand!" Gustav stampfte mit den Briefen von dannen. Ter General griff zum Krückstock, erhob sich, schritt durch das EWmmer in einen anstoßenden kleinen Raum — sein Arbeitszimmer —, wo auf dem Schreib tisch ein in Silber getriebener Brieföffner lag, öffnete oas Schreiben sorgfältig und kehrte wieder zum Kaffee tische zurück. Ta nahin er noch einmal aus dem goldenen Döschen umständlich eine Prise, was bei ihm stets das Zeichen innerer Erregung war, strich noch einmal über seine tadellose Zopffrisur hin — lehnte sich in den Lehn stuhl zurück und las — und la» Oder las er nicht? Minuten verrannen — immer größer wurden ,c,ne Augen — sie starrten auf das Blatt, als könnten sie den Inhalt nicht fassen. Und nun, als müsse das Ohr mit helfen, seinen, Geiste das Verständnis zu vermitteln, murmelte er ein paar Zeilen vor sich hin. Mit einem Male sprang er auf und schleuderte das Schreiben auf den Tisch. „Himmelkrcuzdonncrwetterbombenele . ..?" brüllte er geradezu heraus, im nächsten Augenblick ab brechend und sich mit, beiden Händen die Brust haltend. „Hurra, cs geht wieder, Exzellenz!" rief eine Stim me hinter ihm. Gustav war wieder eingetreten. „Nichts da!" keuchte Rüchel. ;,Es geht eben nicht?" „Wie?" Ter alte Liener trat rasch und ganz besorgt heran. „Will sie's Kommandieren noch immer nicht leiden, das verdammte Biest, die Kugel, die dem Herrn General die Stimme bei Jena geraubt?!" Rüchel fuhr wütend herum. „Tas siehst Tu doch, alter Schafskopf, die Kugel