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— 174 - so köstlich, daß ich sie Inge gönrv^ und! sie ist so durchaus schßvindelsrei" „Aber selbstverständlich liebe Sophie, ich schlage vor, Eie gehen sofort nach Sonnenuntergang, dann, in den Gluten ihrer letzten Strahlen, ist die Gegend besonders malerisch Reiterchen, Sie sind so freundlich und sagen Gebhard Beschütz." TaS freundlich anheimelnde Wohnzimtznler der Haus frau nahm nun die Tamjen auf, es, hatte ein Fenster mit erhöhtem Fenstersitz und eine hohe, breite Flügeltür, die sich auf eine schöne, ganz wohnlich eingerichtete, blunien- gescktnückte Veranda öffnete- , Ter daneben liegende, zierlichje ruudgebaute, Helle Musiksaal mit dem kostbaren Bechssteinflügel, den treff lichen Bildern berühmter Komponisten, dem reichen, die Musik und ihre Trabanten darstellenden Iuries erschien Inge, die viel schsöne Einrichtungen gesehen hatte, ein wahres Kleinod. Und in diesen Räumen, bei dieser Frau wohnte das Leid, Has täglich neue Leid herbsten Schmerzes- Inge mußte Angelika von Berlin berichten, sie hatte - einst selbst dort gewohnt, vor mehr als zwanzig Jahren, und seitdem hat sich viel geändert- Tann sangen die Cousinen: Inges Heller, gutgeschul ter Sopran paßte vortrefflich zu dem prächtigen Alt Sophies , und wach diesem vielleicht an Schule fehlte, wurde durch ein ganz außerordentlich seines musika lisches Gehör und Verständnis ersetzt- Angelika blätterte in den Notcn- „Ach!" rief sie erfreut, „da haben Sie mir meinen Liebling mitgebrachst: Mendelsohns „O süh ich aus der Heide hort" —" , „Tas ist unser neuestes Studium, gnädige Frau," er widerte Sophie, „sollen wir es singen?" Frau von Sommerck antwortete nicht gleich — sie kämpfte anscheinend mit einem Entschlüsse- Tann sagte sie leise: „Ja — Sophie — singen Sie es mir " Und während Sophie, die auch sicher begleitete, am Flügel Platz nahm, Inge sich seitwärts an die Längsseite des Flügels stellte, nahm hie Forstmeisterin neben Fräu lein Reiter auf dem runden Ecksofa Platz- Angelika rückte einen niedrigen Sessel fort aus d-em Bereich des Fen sters, mehr in den Schotten des Salons, schmiegte ihre schlanke Gestalt hinein und beschattete die Augen mit der Hand. Tie wohlbekannten Töne der Melodie und die wohl bekannten Dextesworte klangen wider in der Seele der einsamen Frau und zauberten ihr, einer Fata Morgana gleich jene Stunden vor ihr geistiges Auge, wo der Mann, der ihres Lebens Ziel unds Inhalt war, dem jeder ihrer Gedanken, jedje Regung ihrer Seele und ihr ganzes, volles, treues Herz gehörte, dieses Lied treuester und zärtlichster Liebe ihr gesungen hatte- „Und wär' ein König ich und wär' die Erde mein — die Erde mein — Tn wärst in meiner Krone doch her schönste Stein — der schönste Stein —" Wie abwehrend wollte Angelika die Hände ausstrecken bei dieser Stelle —oh — wie sie diese Stelle kannte — und wenn der Mann ihrer Liebe auch keine Königs- Kone getragen hatte — in seiner Fürstenkrone — so hatte er ihr oft gesagt — glänzte sie als' kostbarster Stein — < Und mit den letzten, verhallenden Worten des Tuetts zog ein langer, schmerzlicher Seufzer durch das stille Gemach Aber nur einen Augenblick — dann erhob sich Angelika und streckte zum Tank Sophie und Inge ihre Hände entgegen. „Nun ist's wohl genug für heute — Ich danke Ihnen herzlich — diesen Eindruck meines' Lieb lingsliedes möchte ich mir »ich gern verscheuchen lassen " In der Tür erschen der junge Ti euer: „Geb h ard meint, es wär' nun gerade Zeit zum! Turm," meldete er, „er wartet drüben mit den Schüsseln-" Sophie und Inge gingen hinüber zum TurmhäuSchn, Frau von Sommereck, die Fvrstnteisterin und Fräulein Reiter zogen vor, unten zu bleiben, da die vierhnndcrt- stusige, rech schmale eiserne Wendeltreppe, die hinauf führte, sie nicht lockte- Tie jungen Mädchen erklommen sie unter Scherz und Plaudern. Schon h?r Blick, den Inge jedesmal bei Wen dung der Treppe durch chie schmalen Turmsenfter hin aus und hinabwerfen konnte, entzückte sie, dennoch stieß sie einen Rus größter Neberraschmg aus, als sie, end lich oben angelangt, den sicher unh Höch umfriedeten Söller betrat. Welch herrliches Landschaftsbild lag da vor ihr ausgebreitet! Hin und wieder drang das Bellen eines Hundes ganz gedämpft zu den jungen Mädchen herauf, sonst Frieden und Stille rings 'umher, geheimnisvolle, schweigende Feierabendruhe- Sophie mußte die Cousine erinnern, daß es Zeit zum Abstieg sei. Gebhard verschloß Has Söllertor und bil dete wieder die Spitze des kleinen Zuges- „Es ist zwar leichter hinunter als hinauf," meinte Sophie, „aber ich 'ziehe das Hinaufsteigen vor, nicht wahr, Inge?" Inge war, als hie erste, schpn etwas weiter vor, aber sie hatte Sophies Worte doch! verstanden: „Ich auch Sophie — jetzt ist's nicht mehr lang — dann sind wir unten —" Aber noch War das letzt: Wort nicht verklungen, als drunten im Turmflur sich ein- kreischende Stimme hören ließ, die anscheinend- ein wahres Fveudcngeheul aus drücken sollte- In demselben Augenblick antwortete ein Schrei, so ängstlich und verzweiflungsvoll, daß Sophie fast gelähmt vor Schnecken stehen blieb. Tas war Inges Stimme- Und mit dem Schirei zugleich ein Stürzen, ein Pol tern, ein schwerer, dumpfer Fall — Sophie hastete den Rest her Stufen hinunter — da lag auf den Steinen des gemauerten Fußbodens, von Gebhards Arm gehalten, Inge, blaß — mit geschlossenen Augen — bewußtlos, und — tief in eine Nische gedrückt, den starren, taten Blick seiner blauen Augen auf die seltsame Gruppe richtend — stauch Hans Egon- Gebhardt deutete mit der Hand, die er frei hatte, auf den Jüngling. „Hans? Egon hat mich gesucht, ist Dok tor Meder fortgelaufen — hat wohl die Turmtür offen gesunden und durch seinen Freudenausbruch meiner an sichtig zu werden, pjas gnädige Fräulein erschreckt- — Sie hat jedenfalls eine der schmalen Stufen verfehlt — Gott sei Tank, daß wir schon so weit waren —" Sophie war vorläufig keines Wortes fähig, auch! ihre sonst so entschlossene Art war durch den Schreck voll ständig gelähmt. Ta erschien — zu ihrer größten Erleichterung — der Gärtner nebst seinem Gehülsen im Rahmen der Tür- „Hier Ebert — faß mal mit mir das gnädige Frau- lein vorsichtig an, daß wir sie drüben zum Schloß krie- gen — Tu, Hermann, redest Kem Junker gut zu und ver suchst, daß Tu ihn in seine Wohnung bekommst oder wenigstens, bis Ihr Doktor Meder findet; die gnädige Frau wird einen furchtbaren Schreck bekommen —" „Ich. laufe voraus," erklärte Sophie, „Frau von Evmmereck und weine Mutter vvrzubereiten-" Sie wollte — I7L durch die schmale Tür das Freie gewinnen, da wurde das einsallende Licht durch einen Schatten verdunkelt- , Angelika stand, wie hergeweht — im Rahmen der Tür, und ihre zitternde Stimme fragte: „Was ist ge schahen?" Gebhardt, her mit dem Gärtner gemeinsam Inge jetzt auf eine von letzterem schnell aus deut Garten herbeige holte Trage gelegt hatte, gab kurzen Bescheid- Angelika sagte kein Wort — sie erbleichte jäh, dann trat sie aus die Gruppe zu, nahm den kostbaren Schal, den sie umgehängt hatte, ab, legte ihn zusamfmen und schjob ihn Inge so behutsam als möglich unter das Köpf chen: „So — Gebhard — nun tragt das gnädige Fräu lein ins Schloß — in mein Ankleidezintmer — ich komme sofort." Ter Gärtnerbursche stand scheu zur Seite, als Frau von Sommercck auf Hans Egon zuschtritt, der sich unbe wußt irgend etwas Ungewöhnliches empfindend, ganz in die dunkle Mauerecke geflüchtet hatte- — Sie strich mit ihrer zarten, kühlen Hand dsie blonden Haare aus seiner heißen Stirn und redete ihm begütigend zu: „Geh mit Hermann wieder hinaus — Hans Egon — siehst Tu, Hermann nimmt Dich mit — er wird Dir zeigen, wie groß die Birnen schön sind —" Hermann, sonst nicht der Gescheiteste, hatte mit einem Mal einen klugen Einfall. Er griff in die Tasche seines blauen Arbeitskittels und brache einen noch unreifen großen grünen Apfel zum Vorschin — Hans Egon wurde aufmerksam!, er nahm den Apfel in dre Hand, lächlbe und' schickte sich an, mit Hermann zu gehen. „Sie bringen den jungen Herrn sicher zu Doktor Meder, nich wahr?" Hermann lachte über das ganze Gesicht, so erfreute ihn sein Sieg und das Vertrauen der gütigen Herrin- „Aber gewiß hoch, gnädige Frau, ich werd's dem Junker schön verständlich Machen, wenn nicht, gehen wir erst in den Spaliergarten —" Fortsetzung föW. Ein unvergeßliches Erlebnis. Erzählung aus der Zeit vor 10ü Jahren von Emil Kirchner. Schluß. II. Ter ganze Jugendmut seiner 22 Jahre und eine über- nräßige Wanderlust regte sich in Friedrich Mit fröhlichem Zuruf begrüßte er am Stadttor hie schläfrig an ihrem ! Strickzeug arbeitenden Stad'tsoldaten und freundlich er widerte er die Grüße der ihm auf der Landstraße begeg nenden Landleute und reisenden Handwerksburschen- Es war ein wundervoller, klarer Herbsttag- Die Wälder prang ten in allen Farben, vom dunklen Grün bis zum hellsten Gelb und sattesten Tunkelrot, wolkenlos wölbte sich der blaue Himmel über der Erde- Friedrich ließ seinen Brau nen in Schritt fallen und stimmte ein munteres Reiselied an- Wie herrlich war es' doch in hie weite Welt hinaus zu ziehen. Sein erstes Nachtquartier bezog er in einem Land städtchen an der böhmischen Grenze- Ter von ihm! gewählte Gasthof war nicht elegant nach heutigen Begriffen, aber sauber, die Speisen und Getränke gut bürgerlich Bis in den späten Abend hinein saß er am Stammtisch der Bürger und erzählte den Staunenden von den Großtaten Napo leons, dem aufgehenden Stern des Jahrhunderts, der in jenen Gegenden, die einige Jahre später den Gewaltigen in eigener Person als Geißel, der Völker erblicken sollten, noch wenig bekannt war- Am anderen Tage er ledigte er die Geschäfte seines" Hauses mit der ihm eigenen Gewissenhaftigkeit und dann ging die Reise weiter- lieber« all wohin er kam, wurde her stattliche junge Mann freund lich ausgenommen- Er schloß Geschäfte mit allen Kunden ab, knüpfte neue Beziehungen an und war mit sich und seinen Erfolgen rechjt zufrieden- Er befand sich fjetzt im Anfang Kes' Böhmerwaldes Tie bisher freundlich^ Landschaft wurde ernster, düsterer- Bergauf und bergab ging es, bald durch großartige Fels partien, bald durch endlos scheinende finstere Wälder- Friedrich war soeben in einen dunklen Fichtenwald einge ritten- Nichts regte sich um ihn her, nur das ein tönige Klopfen der Spechte und zuweilen der heisere Schrei eines Raubvogels ließen sich hören- Unwill kürlich dachte er an die Schauererzählungen von den Räuberbanden, die in dieser: Gegenden Hausen sollten und von denen ihm dir Stantintischgäfte in den letzten Nachtquartieren nicht genug zu erzählen wußten- Für alle Fälle lockerte er die in den Satteltaschen stecken den Pistolen. Ta hörte er plötzlich Hufschlag hinter sich. Er griff nach den Waffen, dpch gleich darauf schämte er sich der furchtsamen Angst die ihn beschleichen wollte- Tie Pistolen blieben an ihrem Ort, er hielt sein Pferd an und ließ den fremden Reiter näher konünen- Tie fer war ein junger Mann, der einige Jahr mehr zählen mochte als Friedrich Ter Fremde, aus dessen lühnge- schuittenem Gesicht zwei dunkle Augen strahlten, ritt einen feurigen schwarzen Hengst- Gekleidet war er in einen grünen, mit Schwüren verzierten Samwetrock, Reit hosen und Stulpstiefeln, er wachste den Eindruck eines Landjumers aus der Umgegend. Als er Friedrich er reicht hatte, hielt er sein Pferd an, grüßte höflich und bot dem Musterreiter an, ihn zu begleiten- „Es kann für Sie von Nutzen sein, mein Herr," sagte er mit tiefer, wohlklingender Stimmv- „Man kann sich in diesen Wäl dern leicht verirren. Mn doch ich, des Landes kundig, heute auch in die Irre geritten und muß statt in meinem Gutshause in einer etwa 2 Meilen von hier entfernten Schenke übernachten. Auch Ihnen würde ich raten, dort Halt zu machen, denn bei embrechendfer Dunkelheit wird das Reisen hier gefährlich Tie Wälder stecken voll licht scheuen Gesindels." Friedrich nahm die angeborene Be gleitung des Fremhen, der sich Koblinski nannte, und sich als ein unterhaltender Gesellschafter erwies, dank bar an Offenherzig erzählte er dem Reisegefährten, daß er für ein Leipziger Haus, reise und gute Geschäfte ge machst habe- Noch einige Tage habe er zu tun, dann ge denke er in tsie Heimat zurückzukehren- Koblinski er zählte dagegen, haß er in der Umgegend ein statt liches Gut besitze. Heute morgen habe er sich bei der Verfolgung eines Wolfes, die in dieser Gegend zu Pferde und mit Pistolen gejagt würden, verirrt und sei nun gezwungen in der vorher erwähnten Schenke, deren Wirt ihm als zuverlässig bekannt sei, die Nacht zu ver bringen. Es sei nicht unmöglich, daß sich noch mehrere Gutsbesitzer dort einfinden würden, denn häufig bilde die Schpnke für solche, wenn sie sich auf der Jagd ver irrt oder verspätet, das Absteigequartier- Bei munteren Gcsprächjen verging die Zeit wie im Fluge und als es zu dämmern begann, sahen sie Has einsame Wirtshaus, ein ziemlich großes Gebäude mitten im! Walde vor sich liegen- Tas Haus, das gänzlich schwarz angestrichen war, machte einen unheimlichen Eindruck unds der Wirt, ein kleiner dunkler Ktzrl, der beim Herannahen der beiden Reiter in die Tür getreten war, sah auch nicht ver trauenerweckend ans. Ein unangenehmes Gefühl stieg in Friedrich! auf, aber wenn, er auf seinen Begleiter blickte, der durchaus vertrauenswürdig aussah, schämte er sich seines Argwohns. Koblinski wurde von dem Wirt, der sich her Wyche der Reifenden mmahm, in bötz»