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176 mischser Sprache offenbar als guter Bekannter begrüßt- Als Friedrich die Pistolen aus den Sattcltaschen zu sich steckte, machte der Wirt ein unzufriedenes Gesicht und Koblinsti lachte spöttisch: „Tas ist nicht nötig, lieber Freund, hier ist keine Räuberhöhle, doch wie Sic wol len, gebrauchen werden Sie die Dinger nicht" In der Gaststube trafen sie zwei Herren, die ähnlich wie Koblinsn gekleidet waren, den sie lebhaft begrüßten- Tiefer stellte sie Friedrich als Gutsnachbarn vor und dem Fremden zu Gefallen wurde die Unterhaltung in deutscher Sprache geführt. Am Schenktisch des verräucher ten, nur mit den nötigsten Möbeln ausgestatteten Lokals lehnte eine hohe »veiblich Gestalt, ein junges Mädchen von etwa 20 Jahren- Troß ihrer einfachen duntleu Kleidung hatte sie etwas hoheitsvolles an sich In ihrem edlen, blassen Gesicht, das von glänzenden braunen Haaren beschattet wurde, lag eiki Zug tiefer Schwermut- Ihre großen braunen Augen hatte sie sin nend auf Friedrich gerichtet, der seinerseits mit Er staunen das Mädchstn betrachtete, das so wenig in diese Umgebung paßte- Er glaubte, nie ein so schönes Weib gesehen zu haben und mit der raschen Empfänglichkeit der Jugend fing er an, sich alten Ernstes in sie zu ver lieben- Sie beteiligte sich nicht an der Unrerhaltung, brachte schweigend den geforderten Wein und beantwor tete direkt an sie gerichtete Fragen nur kurz, aber ihre klangvolle Altstimme tönte in Friedrichs Ohren wie Musik. — Ter wirklich vorzügliche Wein tat bald seine Wirkung- Koblinski erzählte übermütige, lustige Ge schichten, dröhnend hallte das Lachen der Männer von den Wänden wieder und auch Friedrich, in dem das letzte Mißtrauen beim Wein schswand, trug durch allerlei Schnurren zur Unterhaltung bei- Nur wenn sein Blick dis Augen Jlka's, so hörte er dsas Mädchen rufen, tra fen, wurde er stiller, denn in ihnen lag ein rätsel hafter, fast warnender Ausdruck- Als sie wieder einmal die gefüllten Gläser brachte, raunte sie ihm leise, nur ihm verständlich zu: „Vorsicht, trinken Sie nicht zuviel, bleiben Sie Herr Ihrer Sinne" Friedrichs ganzer Arg wohn, der beinahe eingeschläfert war, wurde bei dieser Warnung wieder lebendig, er beschsloß auf der Hut zu sein und war der schönen Retterin im Herzen innig dankbar. Er stand auf. „Ich bin müde, Herr Wirt, wol len Sie mir, bitte, mein SchjlafzimMer anweisen?" Kloblinski suchjte ihn zum Weitertrinken zu bereden, aber er blieb standhaft. Tor Wirt führte ihn eine Treppe hinaus, schloß ein kleines Zimm'er auf, in dem sich außer einem Bett nur ein kleiner Tischund zwei Stühle befanden, setzte ein Talglicht auf den Tisch, wünschte gute Nacht und entfernte sich Friedrich beschloß, der Warnung Ilkas eingedenk, den Ledergurt, in dem er sein Geld bewahrte, am Leibe zu behalten- Er legte sich zu Bett, dis Pistolen legte er schußbereit auf den Tisch, den er dicht ans Bett gerückt hatte- Ein Riegel war nichit an der Tür, doch der Schlüssel steckte von innen im Schloß und Friedrich hatte ihn zweimal herum gedreht, bevor er sich niederlcgte- Lange lag er schlaf los- Als aber nichts' verdächtiges geschah, schlummerte er endlich ein und Ilkas blasses ausdrucksvolles Ge sicht folgte ihm in seinen Träumen- So mochte er etwa eine Stunde in leichtem Schlaf gelegen haben, als er plötzlich durch ein kommendes' Geräusch geweckt wurde. Er fuhr auf und. sah, daß sich eine Tapeten- tür in der Wand, die er vorher nicht bemerkt hatte, öffnete- In ihren Rahmen stand Ilka. Ihr Gesicht war gerötet und zeigte eine tödliche Angst- „Schnell, fol gen Sie mir ehe es zu spät ist, es geht unt ihr Leben!" stieß sie hervor. Schnell warf er. seine Kleidung über. Ihm war, als höre er draußen dumpfe Stimmen und leise Tritte- Tas Mädchsen faßte ihn bei der Hand und zog ihn hastig mit sich fort. Sie stiegen auf einer Leiter hinab, Ilka öffnete ein Pförtchsen und trat ins Freie- Turch eine Handbewcgung hielt sie ihn zurück, ihr zu folgen- Vorsichtig sah sie sich nach allen Sei ten um, dann führte sie leise Friedirichjs Pferd, völlig gesattelt und gezäumt, sogar her Musterkoffer fehlte nicht, herbei- Nun zog sie den in der Tür Harrenden heraus. „Gott sei Tank, es war noch Zeit. Schnell aufs Pferd und dann fort, auf dem Wege den sic gekommen, dies Haus ist cm Mördernest!" „Nicht ohne Dich, teures Mädchpn, Tu gehörst nicht unter dies Gesindel, komm mit mir," bat Friedrichs „Ich darf nicht. Mich fesselt hier die Pflicht, meine schwer kranke Mutter, die Frau des schuftigen Wirts, meines Stiefvaters, bedarf meiner- Toch um Gotteswillen eilen Sie, sonst sind Sie verloren" Er riß sie an seine Brust und sie litt, daß er einen heißen Kuß auf ihre. Lippen preßte- Tann drängte sie ihn zu seinem Braunen und verschswand in der Dunkel heit- Bon einem Sturm widerstreitender Gefühle be seelt, schwang. sich Friedrich in den Sattel- Da wurde cs oben hell. Ein Fenster öffnete sich „Er darf nicht entkommen, hörte er Koblinski rufen, Feuer!" Ein Schuß krachte und er fühlte einen heftigen Stoß vor der Brust- Er schwankte, hielt sich aber im Sattel und jagte in rasender Eile davon- Alle Augenblicke glaubte er die Verfolger hinter sich zu hören und wagte nicht die Schnelligkeit zu verändern- Erst als schon der Mor gen dämmerve hielt er sein kcuchjendes' Pferd an- Wohl behalten -erreichte er die Stadt, die er gestern morgen verlassen hatte und erzählte sein Abenteuer- Er war dem berüchtigten BöhMcrhans, her sich ihm als Kob linski genähert, in die Händ.e gefallen, nur der holden Ilka verdankte er seine Rettung, ihr und dem Talis man seiner Mutter, an dem sich die Pistolenkugel, die ihn sonst sichjer getötet, platt geschlagen hatte- Aus dem lebenslustigen Jüngling aber war ein ernster Mann ge worden. , i Noch oft ist er als Musterreiter hinausgezvgen, aber nie ist ihm wieder ein Abenteuer zugestoßen- Später wurde er erster Prokurist bei Bohn u- Heuer. Trotz des Drängens seiner Mutter, die sich -eine Schwieger tochter wünschte, ist Friedrich unvermählt geblieben- Ein einziges Bild, das kein anderes'neben sich litt, stand bis zu seinem Ende vor seiner Seele, das seines Schutz engels, der holden Ilka! Denk- ««- Siimsprüche. Tas Brot, das mein Kind aus meiner Hand isset, bildet sein Kindergefühl und nicht sein Staunen über meine Nachtwachen und meine Sorgen für seine spätern Jahre- ' Pestalozzi- Cin freier, lustiger Sinn gleicht süßem Wein; Ein Trank, den du nicht trinken sollst allein; Schenk nur davon auch andern fleißig ein, So wirst du selbst nur umso heit'rer sein- Keine nützlichen Reformen wurden jemals ausge führt, ohne ihren Urhebern Gegner, Feindschaften und bittere Unannehmlichkeiten zu bereiten- Cavour. ' Genieße still zufrieden - Ten sonnig heitern Tag, ' Tu weißt nicht, ob hinieden ' Ein gleicher kommen mag- JuliusSturm. Druck und Verlag von Langer t Winterlich, Mesa. — Kür die Redaktion verantwortlich Hermann Schmidt, Riesa. ErKhIer an der Elbe. Belletr. Gratisbeilage zu« „Riesaer Tagetlatt". Rr. 44. Mesa, des 3. November ISO«. LS. Jahrg. Tie gnädige Frau. Erzählung von A. Burg. Fortsetzung. Und da war noch Karl Gregor, der an seine Stelle rücken konnte — er verzichtete dann Aber da sah er den stillen Knaben über den Garten platz daherkommen, das geliebte gelehrte Buch im Arm- Hatte er dem Bruder nicht mit Hand und Mund ver sprochen, dafür zu sorgen, daß -er einst nur seinen Studien, seiner Wissenschaft leben sollte, fern von den Pflichten fürstlicher Repräsentation? Es war gut, daß Marie Luise in ihrer lebhaften Art auf den großen Bruder losstürzre- „Tu — Henrik — der „Odysseus" lahmt nicht mehr — morgen reiten wir zusammen aus- Tu sollst sehen, ich nehm's mit jedem Deiner Garde-Ulanen auf; den Graben mit der Hecke drüben, den nehme ich Dir — hui — Tu sollst mal scheu " „Mit Freuden, Schwesterchen — ich werde am Ende gar zurückstehen gegen Deine Fertigkeit" Der schlanke Ulan reckte die geschmeidige, schön gebaute Soldatengestalt. i ' j Marie Luise war hoch befriedigt, daß Henrik sofort auf ihren Vorschlag cingina- D er Vater und Jutta ritten immser so still andächtig in gemessenem Tempo; mit dem Ulauenbruder reiten — das war doch eine angenehme Abwechselung- Der Fürstin wurde das'Soupor gemeldet, und bei der angeregten Unterhaltung, die es verschonte, und die ganz in allgemeinen Geleisen sich bewegte, da die Hofdanhe, Juttas Gouvernante, Miß Right und der Hofmeister daran teilnahmen, fand Henrik für kurze Zeit den Gleichmut seiner Seele wieder. * * O Ter Wagen des Forstmeisters fuhr durch das hohe Parktor am Torwärterhause in den stillen Park von Som- mercck ein und hielt vor dem Hauptportal des Schlößchens still. Frau von Sommereck hatte die Forstmeisterin nebst Sophie und Inge zum Nachmittag zu sich geladen- Heut sah Inge die Tame zum erstenmal in 'Haustoilette und ohne Hut- Sie wußte sich nicht Rechenschaft darüber zu geben, weshalb der gebleichte Scheitel und die Augen, die „nach innen geweint hatten", ihr so rührend, erschienen- Es war, als läse man eine lange Geschichte von Leid und Kampf daraus. Und doch! lächelte tpr feine Mund so lie benswürdig, als sie die Gäste in der Halle begrüßte- „Endlich" sagte sie, „können wir uns einmal wieder für einige Stunden angehören- Und die jungen Tomen wollen wirtlich so lieb sein und mir ein Duett singen?" „Gewiß!" Sophie klopfte auf die mitgebrachste Noten kapsel. „Hier sind sogar welche zum Aussuchen drin. Ings und ich haben fleißig geübt, gnädige Frau " Frau von SomMereck erkundigte sich artig nach Inges Eltern und meinte erfreut, daß die guten Nachrichten ge wiß auch auf Inges Aufenthalt hier ihren Hellen Schein würfen. Indessen hatte der alte Diener den Damen die Hüllen abgenommen, man sch>ritt, der vorangehenden Hausfrau folgend, durch die prächtige, getäfelte Halle in den kleinen. kühlen Cpeisrsaal, wo bei der urgemütlichen Kaffee maschine Fräulein Reiter die Tomen erwartete- „Ich, liebe nichts so sehr," meinte Frau von Svm- mereck, die ein hellgraues, mit weißen Spitzen garniertes, einfaches Sommerkleid trug, „als eine gemütliche Kaffee stunde- Beim Tiner bringen Reiterchen, Doktor Meder und ich nur kurze Zeit zu, selbst wenn Mamsell uns mit einem auserlesenen Extragange bedenkt, aber beim Kaffee lassen wir uns Zeit". „Wir auch" meinte die Forstmeisterin lächelnd, „und Inge, bei der daheim, da in Berlin so spät gegessen wird, keine Kasfeestunhd ist, hat sich bei uns ebenfalls sofort und leicht daran gewöhnt-" „Besonders, da es bei Tante Natalie immer so gute kleine Kuchsen gibt, für deren raschen Konsum ich in ge radezu unerhörter Weiss sorge," scherzte Inge- „Toktor Meder läßt sich für heute entschuldigen," meldete ein junger Tiener, der ebenfalls, wie der alte Gebhard, in schwarzen seidenen Strümpfen, Sammetknie hosen, roter Weste und braunem, mit goldenen Armfang schnüren besetztem Frack erschien- „Tas sieht ihm ähnlich" meinte die Hausfrau/ ,stvenn er einen fremden Gast wittert, komfMt er nichit zum Vorschein" „Sollte er sich etwa vor mir fürchten?" fragte Inge erschrocken- Nun lache Sophie- „Ach Inge, Tu bist zu köstlich — fürchen vor Tir —" , l Tas war eine herrlich Kaffeestunde- Inge sprach wenig, aber sie war desto mehr Mit ihren Gedanken beschäftigt. Tie Prachst der Einrichtung, d-i-e reich livrierten Diener, die Art, wie sie her Gebieterin begegneten, das alles gab ihr zu denken. Dazu kam, daß sie sich entsann, wie Trine ihr auf ihre Frage am ersten Abend gesagt hatte, Commereck sei ein sürstlichs SoMmerschloß gewesen- Tennoch konnte sie keinen rechten Zusammenhang fin den, und so nahm sie sich fest vor, selbst auf die Ge fahr hin, von Sophie für bodenlos'neugierig gehalten zu werden, heute abends noch danach zu fragen- „Ich denke, ich zeige Fräulein Inge erst noch meinen Garten," fragte Angelika von Sommereck in ihrer lie benswürdigen Art, als die Kaffeetafel aufgehoben war- Sie nahm in der Halle einen einfachen Sonnen schirm aus einem Ständer und forderte die Tarnen auf, ein gleiches zu tun- Tann ging es in den Garten, der bedeutend größer, als" es den Anschein hatte, von einem nach der nördlichen Seite hin sich langstreckenden Park begrenzt wurde. Tort war ein Ziergarten, tveiterhin der Nutzgarten mit herrlichem Spalierobst in größtem Stile- Seitlich versteckt in dichtem Gebüsch auch ein kleines, allerliebstes Gärtnerhaus. Inge dachste an den armen Hans Egon, den sie ball spielend vor ach Tagen hier gesehen, aber Frau von Sommereck richjdete ihre Schritte nicht nach jener Stelle- Sie zeigte, nur mit der rechen Hands, an deren Ringfinger ein schmaler Trauring blitzte, in die Richtung und sagte leise: „Tort ist meines Sohnes Spielplatz, dorthin gehen wir nich, er läßt sich nicht gern stören" „Aber auf den Turm djarf Gebhard uns führen, nicht wahr, gnädige Frau?" fragte Sophie- „Tie Aussicht ist