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l.ripLig unrl Umgebung Eine Ibsen-Sammlung für die Universitätsbibliothek Leipzig, 29- Dezember. Wie wir kören, hat der Deutschamerikaner Henry Lewis Menken, ein bekannter Schriftsteller und Kritiker, aus treuer An hänglichkeit an die Heimat seiner Familie der Universität Leipzig eine reiche Ibsen-Bibliothek geschenkt. Sie enthält säst 1000 Bände und Broschüre» und gilt als die bedeutendste Ibsen. Sammlung in Europa. Es sind die Erstausgaben von fast sämtlichen Werke» und säst alle Briese Ibsens verlrctc». Besonders zahlreich sind die Uebcrsehungen in englischer und deutscher Sprache. Die Bibliothek enhält auch Ucbcrlragungcn Jbsenscher Werke in die schwedische, holländische, isländische, sranzösischc, italienische, spa nische, portugiesische, tschechische, polnische, russische, rumänische, ungarische, sinnische, griechische, chinesische und japanische Sprache. Auch ist in dieser Bibliothek eine reiche Sammlung von Literatur über Ibsen vertreten. ) Verband Deutscher Ströhen- und Kleinbahner im Zen- tralverkand der Arbeitnehmer öffentlicher Betriebe und Ver waltungen, Leipzig, Dittrichring 3e, Donnerstag, den 3. Januar, abends 7.30 Uhr im Versammlungsraum, Dittrichring 3e, wichtige Mitgliederversammlung. In dieser Versammlung sollen die Mitglieder einen abschliessenden Bericht über den neuen Manlellarrsvertrag Straßenbahn V erhallen und Stel lung dazu nehmen. Berufskollegen als Gäste willkommen! Zahlreicher und pünktlicher Besuch wird erwartet. ) Schiuhlicht für Krastsahrzeuge: Gelbrot. Das Polizei präsidium Leipzig weist erneut daraus hin, dass Kraftfahrzeuge bei Verwendung eines Schlußlichtes oder einer Einrichtung zur Anzeige der Absicht des Anhaltens oder der beabsichtigten Aen- derung der Fahrtrichtung nur gelb rotes, nicht dunkelrotes swie z. B. bei den Signalen der Eisenliahns verwenden dürfen. Fahrzeuge, die diesen Anforderungen nicht entsprechen, müssen von der Zulassung zurückgewiese» werden. ) Selbstmordversuch. Am Donnerstag in der 12. Nachtstunde sprang der lu Leipzig-Kleinzschocher wohnende 20 Jahre alte Schuh- inachcr Georg B. von der Autonicnbrückc au? etwa 6 Nieter Höhe aus den darunter liegenden Bahndamm. Mit schweren Verstauchun gen und Vcrlehnngcn des Rückens und der Ricrengcgcnd wurde er ins Diakonisscnbaus gebracht. Liebeskummer soll die Ursache zu seinem Selbstmordversuch gewesen sein. ) Ein Motorrad gestohlen. Am Donnerstagnachmittag gegen 7 Uhr wurde ein arif dem Hauptbahnhofsvorplatz unbeauf sichtigt stehendes Motorrad, Marke DKW,, Kennzeichen IV 17805, Fabriknummer 62 049. Fahrgestellnummer 113 382, schwarz lackiert, gestohlen. Zweckdienliche Angaben erbittet das Kriminalamt Leipzig oder die nächste Polizeidienststelle. » ch Vom eigenen Gespann überfahren. Als der Geschirr- sührer Stöckel in Penig am Montaanachmittag in der Uhlandstraste seine Pserde vor einen leeren Kohlenwagen span nen wollte, wurden die Pserde durch das Herannahen eines Zuges scheu und gingen durch. Stöckel wurde zu Boden gerissen und von dem schweren Kohlenwagen überfahren. Mit einem schweren Bruch des linken Oberschenkels und anderen Ver letzungen mutzte er ins städtische Krankenhaus eingeliefert werden. 80 Jahre Postscheckvcrkehr. Am 1. Januar 1909 wurde der Postschcckverkehr in Deutschland eingeführt. Er Hot sich während seines jetzt 20jährigen Wirkens hervorragend bewährt und seine Aufgabe, den bargeldlosen Zahlungsverkehr zu för dern, glün'end erfüllt. Mehr als 80 v. H. seines rund 150 Mil liarden RM. betragenden Jahresumsatzes werden bargeldlos ausgeglichen. Rund 600 Millionen RM. auf de» Konten stehen des Guthaben können zum größten Teil für die Allgemeinheit nutzbar gemacht werden. Diese Zahlen beweisen schlagend die hohe volkswirtschaftliche Bedeutung des Postscheckverkehrs, der aus dem deutschen Wirtschaftsleben nicht mehr wegzudenken ist. Zu der günstigen Entwicklung hat nicht zuletzt der non der Deutschen Neichspost von Ansang an verfolgte Grundsatz bei- getrogen, die Gebühren des Postselzeckverkehrs niedrig zu halten und durch Vereinfachungen und Erleichterungen den Bedürf nissen der Benutzer enlgegenzukommen. Die Üeberweisung der Beträge von Konto zu Konto ist gebührenfrei. Da außerdem auf dem Abschnitt des Ueberweisungsauftrags auch Mitteilungen für den Empfänger gebührenfrei zugelassen sind, stellt sich die Üeberweisung als die vorteilhafteste Geldübcrmittlung dar. zu deren ausgiebiger Benutzung die vorhandenen fast 1 Million Postscheckkonten die günstigste Gelegenheit bieten. Die Form blätter für Anträge auf Eröffnung neuer Konten sind bei jedem Postamt erhältlich. Eine wirkliche „Aufklärungs-Versammlung" Seitendorf, 23. Dezember. Eine öffentliche Versammlung, die „höchste Bedeutung sür das ganze deutsche Wirtschaftsleben (!) besitzt" — nach den Einlei tungsworte» des Referenten — veranstaltete am Donnerstag die Oberlausitzer Wirt schastsgcnosscnsch oft. Als will kommener Grund zu dieser Werbeversammlung waren die Vorgänge in der letzten Gemeindevcrordnetensttzung genommen worden. Ein mal halte di« OWG. — nach dem Bcrichi der soz. „Volkszeitung für die Oberlausitz" — es als ein« „Gcschüstsschädigung" empfunden, das; die bürgerlichen Gemeindevcrlretcr die Warenlieferung nicht nur in der OWG- getätigt wissen wollten, sondern in allen Geschäften, zum andern l>alte ein Zwischenruf des G.-V. Stange, daß wohl auch die Partei davon Vorteil habe» werde, die Herren in Harnisch gebracht. Gcschästsjührer Stolle-Zittau hielt deshalb einen langen Vortrag, in dem er die Vorzüge der OWG- darzulegen versuchte. Er stimmte ein Klagelied a» über die lwhcn Steuern, die sie zablen müßten und behauptete, das Wirtschaftsleben würde völlig ncu- gestaltet, wenn sie erst einmal steucrsrci irstiren. An Behauptungen fehlte es überhaupt nicht. Dafür war von Beweisen nichts zu hören. So z. V- operierte er mit 16 bis 21 Prozent höberen Preisen der Geschäftsleute herum uns wollte den Beweis erbringen — wenn man ihn mal besuche! Den Geschäftsleute» solle man Unterstützung in bar geben, aber keine Wftircn abkauscn! Sie sollten zweckmäßig arbeiten und nicht Hände'»! Tie ganze Unkultur des jetzigen Wirt schaftslebens würde überwunden sein, wenn einmal alles sozialisiert sei. Diese lliopie des Sozialistenprogramms spukt also »och immer in den Köpfen dieser Minner, und doch behauptete der Redner im nächste» Tatze politisch völlig neutral zu sein! Die einzige Kon kurrenz, die si« fürchteten, seien die Konzerne. In der Aussprache betonte Kaufmann Klaus, daß bei der Ware »ich! der Preis, sondern die Qualität entscheidend sei. — G.-V. Stange ging dann aussührlich aus die Beschlüsse in der letzte» Sitzung der Grmeindcvcrordnclcn ein und stellte die Ver drehungen des sozialistischen ZeitungSberichters richtig. Allerlei ge. hässige Zwischenrufe ließen erkennen, wie unangenehm d«n Gegnern diese sachlichen Darlegungen waren. Als Herr Stange dann gar noch eine Anzahl Gerichtsentscheidungen und Aussprüche sozialisti scher Parteigrösien über dir Verwandtschaft zwischen Konsnmverci» und SPD. vorlaS, wurde er als Demagoge beschimpft! Jeder, der die ivahren Zusammenhänge ausdcckt. wird verschrien, das Volk zu verhetze», weil die Masse» eben »ur hören sollen, was ihre Führer wolle»! Seinen Zwischenruf aus der Sitzung nahm Herr Slang« zurück, weil die Gegner sich an den Wortlaut klammern und ihm «inen Strick daraus drehe» wollen Dann wies Herr Kaufmann Kahlert nach, daß das Prinzip der Genossenschaften in der jetzigen Form schon überlebt sei. Der Rückgang der Mitglicderzahl — der Geschäftsführer entgegnetc: das seien Verstorbene oder Witwer! — zeig« deutlich, daß die OWG nicht das geleistet habe, was man erwartete. Seien die Vorteile so groß, erübrige sich auch die Nicsenrcklame, und wozu die großen Zuschüsse in manchen Genossenschaften und die Erhöhung der Ge schäftsanteile? Um diese Fragen ging der Referent im Schlußwort sehr vor sichtig herum. — Mit dem Aufwand bedeutender Stimmittel ver suchte daun Genosse Buchelt die Darstellungen Stanges zu ver wischen, indem er die Bürgerlichen in gröbster Weise verdächtigte. Zum Beweis aufgesordert, erklärte er, öftcnltich nicht mehr sagen zu können, weil die Dinge in nichtöffentlicher Sitzung besprochen worden seien. Man verdächtigt also öffentlich, waS man nicht beweise» kann — ein billiges und verwerfliches, aber bekanntes Rezept! Znm Schluß strick' er die „Fortschritte" der Gemeinde seit der Linksmebrhcit heraus und hielt eine der bekannte» Wahlrede». — Nach weiteren Reinwaschnngsversuchen zweier sozia. Ilstischer Vertreter schilderte ein Stadlrat Weise den Segen der Konsumvereine und gab seiner Freude Ausdruck, daß man im „schwarzen" Scitendorf nun bald an dem Ziel wäre, daß man sich bei Einsuhrnng des Konsums ge st eckt habe! Hoffentlich rüttelt dieses offene Geständnis all« Gutgesinnten aus tödlichem Schlafe! Im Schlußwort versuchte der Referent einzelne Eimväude zu entkräften, da ec aber viel Sachliches nicht vorzubringen wußte, operierte er mit allerlei persönlichen Ausfällen, die man sonst nur in sozialistischen Wahlversammlungen gewöhnt ist. Auch eilt Beweis sür die Scclcnverwanotschast! Zum Schluß wurde eine Resolution zur Annahme empfohlen, daß die Gemeinde »ur dort kauft» solle, wo es am billigsten sei. Ta aber die 'Absicht gar zu deutlich zu wer. keu war, wurde kein eiuwaudsreies Ergebnis erzielt. Wenn auch die Versammlung keine weltgeschichtliche Bedeutung hat, dürfte sie aber mancher» der zahlreichen Besucher die Angen geönnei haben, wohin die Fahrt gehen soll. Okemnilr, Ivicksu, ?Isurn Chemnitzer Wohnungssorgen Chemnitz, 29. Dezember. Nach den Feststellungen des hie sigen Wohnnngsiiachiveises hat Chemnitz von den sächsischen Großstädten und Mittelstädten am schiversten unter der Woh nungsnot zu leiden; nicht nur, daß ein starker Zugang täglich ans den Wohnungsmarkt drückt, auch die Eheschließungszissern sind sehr hoch und noch im Wachsen begrifft». In Chemnitz gibt es zurzeit rund 11 000 Haushaltungen, die noch keine eigene selbständige Wohnung habe», also eine erschreckend hohe Ziffer. Sehr groß ist auch das llcberfiillungselend, da Chemnitz im Gegensatz zu Leipzig und Dresden besonders viel zweiräumige Wohnungen aufweist, während Dresden und Leipzig Zwei- Zimmerwohnungen fast garnicht kennt und einen guten Mittel und Großwohnungsvorrat besitzt. Zahlreiche kinderreiche Familien sind hier noch entsprechend unterzubringen, dazu kommt u. a. noch die Unterbringung der Tuberkulösen, sowie Kriegsbeschädigter, ferner auch der durch gerichtliche Urteile zur Räumung gezwungene Familien, die gleichsfalls immer schwieriger geworden ist. Tausende von Haushaltungen sind noch in Notwohnungen untergcbracht, in Kasernengrundstücken wohnen allein noch rund 400 Familien. Nur eine ganz ener gische Förderung der Neubautätigkeit wird die Not einiger maßen lindern können. Die Erkaltung der bestehenden Woh nungen und die Beschaffung möglichst vieler neuer ist unbedingt notwendig denn die Wohnungsnot bedeutet schwerste Gefähr dung der Dolksgesundheit. tz. Selbstgcstclliing des Plaucucr Totschlägers. Die Ermiti- lungcii nach dem Täter, der in Plauen mährend der Schlägerei am Daiincrktag früh in der dritten Stunde an der Ecke der Johann- und Nähnisstraße de» 25 Jahre allen Kauiuian» Erhard Frick er schlagen hatte, fanden ein schnelles Ende durch die Sclbstgcstellung des Schuldigen. Freilag vormillag erschien bei der Kriminalpolizei der 33 Jahre alte Arbeiter Rindfleisch und stelllc sich vcn Behörden zur Verfügung mit der Erklärung, daß er der Täler sei. Er habe von dem unglückselige» Ansgang de? Streite? crst in der Zeitung ge» lesen. Er gab an, daß er und der Verstorbene nickt mehr ganz nnchtctn gewesen seien. Er gebäre keiner politischen Partei an. tz Fabrikbrand. In der Spinnerei und Färberei von Roben Sarfert in Crimmitschau entstand am Donnerstag abend ein Brand, der in dem großen Lager an Rohbaumwolle reiche Nahrung fand. Das Feuer war vermuilich durch Selbst, entzünduug entstanden. Trotz starker Rauchentwicklung gelang es der Feuerwehr, die Gefahr in kurzer Zen zu beseitigen. tz. Tod durch Gasvcrgistnng. Freitag früh gegen 6 Ilbr wurde in E h e m n i k in einem Hause der Zwickauer Vorstadt ein 36 Iabr« alter Angestellter gasvcrgistet tot aufgefiinden. Wie die Ermitt lungen ergaben, liegt ein Unfall vor — In einem Hause der Vor stadt Allchciiinitz bat sich an, DoiiiicrStagvormiUag ein 58 Iabre alter Schlosser mit Gas vergiftet. Lebensüberdruß dürste das Motiv zur Tal gewesen sein. — Kohlenförderung kn Sachsen. Im November wurden in Sachsen 358 747 si. B 347 741s Tonnen Steinkohlen, 1 035 921 l9I9 915s Tonnen Braunkohlen. 19 852 l17 326s Tonnen Kaks. 6910 <4551) Tonnen Preßkohlen aus Steinkohlen und 271043 s249 511s Tonnen Preßkohlen aus Braunkohlen gefördert. In den ersten elf Monaten dieses Jahres beirug die Förderung an Steinkohlen 3 703 011 <3 679 811s Tonnen, an Braunkohlen 16 923 478 <9 787 6611 Tonnen, an Koks 208 746 <207 698) Tonnen, an Preßkohlen aus Steinkohlen 62 203 !47 862s Ton nen und an Preßkohlen ans Braunkohlen 3 109 930 >2 822 023) Tonnen Es ist also überall eine Steigerung eingetreten. Weihnachken an flandrischen Kaminen Eine Erinnerung Von Marc N. Breyne. Der Weihnachtsbaum mit seinem langbärtigen Weihnachts mann in den nördlichen Teilen und dem halben Christkindlein in den südwestlichen ist Erl»qut unserer deutschen Vorväter Und wenn wir ihnen irgendwo in der Wett begegnen, dann haben sie deutsche Pioniere im Lause der Zeiten dorthin gebracht So seit 1870 nach Frankreich, wo man jetzt „I'ardes cts blovl' und „l.s von komms bloöl" ebenso feiert wie hier bei uns. Und sicher seit dem letzten großen Kriege in alle» Ländern, wo deutsch« Truppen standen. So auch in Flandern! Auch dort in meiner Heimat Flandern wird seit dem Kriege der Weihiiachts- buum gewiß an manchem Herd jetzt angezündct und dock) Hab« ich den Baum vor vielen Jahren bereits daselbst erlebt. Wie ich die deutsche Wcihnachtstanne mit ihren Lichtern and ihrem Schmuck ihren vielen flimmernden Ketten und Kugeln und den schönen lockenden Süßigkeiten kennen lernte, davon will ich erzählen. Diesen Baum, der dort links, hoch ragend aus dem Podium, in der kleinen Volksschule der Kannl- gegeud stand, vergesse ich niemals mehr Meine Eltern waren Flamen, ich selbst in Westflandern geboren. In diesem ural.cn Lande ruht das Hauptinteresse der Kinderwett, wie meistens in den westeuropäischen Ländern, nicht auf dem Weihnachts-, sondern aus dem St. Nikolaustag am 6. Dezember, An diesem Tage kommt der große Heilige mit brokatener Mytra und in steifem, goldenem Ornat aus dem Himmel durch den Schornstein herein und wird zitternd und zagend von den Kleinen erwartet. Sie haben ihr§ Strümpfe, ja sogar Waschkörbe an den offenen Kamm gestellt mit dem Bündelchen Heu und den Mohrrüben für das brave Lasttier, das das viele Spielzeug der artigen Kinder trägt. Und andern Tags morgens haben sie ihre Mühe und Not, die vielen Sächelchen aus dem großen Tisch zu ordnen und das wundervolle Spielzeug, die letzten Erfindungen der Neuzeit in Betrieb zu setzen. Es sind mehr als dreißig Jahre schon her ... da nahte das Wcibnacktsfcst. ..bet kerktmisieekt . das in der durchaus landwirtschaftlichen Bevölkerung Westflanderns einen reln reli giösen und tief poetischen Clmrakler trägt. Der Weihnachts abend spielt sich im Kreise der Familie ab, intim, gemütlich, unter einem Hauch dichterisch-religiöser Stimmung, Nach alt- flämischen Brauch werden auf der groszen Bratpfanne im offenen, flatternden Herdseuer die „Pannekockcn", Eierkuchen, und die „Waftls", Waffeln, gebacken, die dann mit Butter und Zucker gegessen werden, während die Männer den Kornschnaps kreisen lassen; denn in Flandern ist es üblich, daß zu jeder Feierlichkeit gut gegessen und getrunken wird, Flamen sind naturliebende, aber begehrliche Menschen, An Stelle des Weihncichtslwumes kennt man dort oder kannte nian wenigstens „de kerstmisblol" den Weihnachts- stubl^n, einen zu dieser Feier nuserwählien Eichen- oder Wei denstumpf. der im Lause des Jahres getrocknet, am Abend im offenen, breiten Kamin a »gezündet wird und über die Weih nachts- und Neujahrstage brennen bleibt In seinem trauten Scheine versammelt sich seden Aben-d dir Familie und lauscht den Geschichten aus der Jugend des Großvaters, der seine lange Bfeife raucht und zur Abwechslung die Meihnachtsliedcr an- siimmt, wvrin der Dichter die Geburt Jesus in Flandern irgendwo in eine Scheune oder ans einen einsamen Hof iibcr- iraaen bat; wo z, B, der heilige Joses, der im nake gelegenen Fluß das nötige Wasser holt, gezwungen ist, die Eiskruste mit seiner Tabaksbüchse erst aufzuschlagen, Sint Josef moest om waterke gaan, De Leie was toegevrozen, Sint Josef moest er een lommeke slaan al met zijn toebakdo.ze . . . In stiller Erwartung rüsten sie sich alle zur Mitternacht, und wenn dann plötzlich die Glocken durch die klare, frostige Mitternacht ertönen und den Menschen, die guten Willens sind, di« frohe Botschaft, die Botschaft vom Frieden auf Erden ver künden. dann ziehen di« ältesten Mitglieder der Familie hinaus und schreiten durch die knirschende Schneemasse, die Dächer und aunpsähl« schmückt und Straßen und Weg« mit einem dichten äcppich deckt; die flämischen Frauen in ihrem schwarzen typischen „Kapinantel" dem Haubcnmantel, wie spukartige Gestalten in stummer Ehrfurcht zur Weihnachtsmessc, um in der geschmückten Dorfkirche, am Fuße des Bcthlchemstallcs, die Geburt des Thristkindleins zu feiern, Adeste fidelisl Es sind nun mehr als dreissig Jahre her . . . Unter uns Kindern war es bekannt acworden. daß cs tm kleinen Städt chen, ziemlich weit ar> an, Kanal, trgenvwo ein Haus gab, wo man das Lveihnachtsfest so ganz anders seien, sollte als ge wöhnlich bei uns. Feiern um einen Daum herum, uni eine Tanne, die, geschmückt mit Lichtern und Gebäck, am Ende der Feier für die anwesenden Kleinen geplündert würde! Es war das Fest der kleinen evangelischen Gemeinde, die Weihnachten nach deutscher Sitte feierte. Von Neugierde getrieben, wurde der Plan geschmiedet, mit einer bekannten Familie sich heimlich mitten unter deren Kinder hineinzuschleichen Wir zogen an dem kalte» Winterabend durch den Schnee, an den langen Häuserfronten entlang, die sich im blaß-gelben Gaslicht« spukhaft erhoben, in östlicher Richtung, in die rote Kanalgegend, wo man sonst abends vor Angst keinen Fuß hingewagt hätte. Aber der unbekannte magische Baum strahlte in unendlichen Dimensionen vor unseren kleinen neu gierigen Kinderaugcn durch den schwarzen Schiefer dieses Weih nachtsabends. Im Kanal lagen die Frachtboot« und Schlepp kähne in einem Eispanzer sestgeschraubt, der bei jeder kleineren Bewegung, bei jedem Anschwellen des Wassers knirschte und kohl stöhnte. Ein blasser Mond warf rostgelbes Licht ans den schwarzen Rumpf dieser Fahrzeuge, die dort wie Gefängnisse lagen. Mir krampstc sich das Herz zusammen, als wir über di« Brücke schritten, die hohl unter unseren Stieseln tönte und endlich zu der ersten Häuserreihe Zugang gab. Neben hohen Speichern und schweigenden Backhäusern, wo es nach Pech und Schwefel roch, befand sich das kleine Schulgelwud« der evange lischen Gemeinde, Ich war erst herzlich froh, daß ich über diese Brücke war, wovon ich so oft gehört hatte, daß sie einstürzte, wenn man gelogen! Wir waren am Eingang, Ein langer schmaler Gang mit einer zur Feier des Tages von Tannengrün geschmückten La terne führte in einen kleinen Hinterraum. Ein« junge Dame an der Eingangstür grüßte feierlich die Familie, nahm weiter von den Kindern und auch von mir keine Notiz, rechnete mich wahrscheinlich wohl zu den andern und — ich war drinnen, Znm ersten Male starrten mein« weit aufgerisseiien Augen auf diesen Baum, der mir aus einer fremden Welt erzählte. Und, von der feierlichen Stimmung so erfüllt, daß ich kein Wort hätte sprechen können, ließ ich mich auf einen der Hinteren Stühle, di« in Reiben dieses kleine, etwas kahle, unfreundlich)« Zimmer füllten, nieder. Meine Erwartung war groß, nun tonnte die Sache losgchen! . . . Mehrere Stunden mögen wohl vorbei gegangen fein. Daß ich von Lau!« fort, ohne einen Ton »u iaaen daran dqchle^ch