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Nummer ISS — 27. Jahrgang Srlcheinl Lmai wSchentl. mit den llluslr. Wratisbeilagen .Die Well" und .Mr innere kleinen Leute', sowie den Tertbeilaaen ,LI. venno-BIatt'. „idtterdultiniq und Wissen'. .Die Well der 'srnu'. .AerzlltKer Ratgeber'. „Dar gute Buch', .ssilmnmd- chau'. Monatlicher BezugSüreiS S MI. einichl. veitellgeid. kinzelnummer I« Sonnabend» u. Sonntag,inmmer itv Hauptichrislictter: Dr. <S. Desczhk. Dresden. Sonnlag» den 22. Juli 1928 VcrlagSort! Dresden Slnzcigenvretfe, Die lgelvaitene Peti'zefte .1«» z. a.niiilien- ailzeigen n.Siellengeinche Z. Die Pctitreüamezeiie. 8Nmm breit. Mir Anzeige» ankeriialb des BerbreitungSgebieteS lO^.diePeiitrek.'nniezsile > .:»<».«/.sl.s-'er>ettucb.Lt» Z.ImZoll« höherer Gewalt erliicht iede Vervilichtnng ans Liesenmg sowie ^rfüilnng b. Anzeige»-Nnflrögen n. Leisinn, v. Schadenersatz, Geschäftlicher Teil, Slrtur Lenz. Dresden. weschäftSfteN«. Drackn.Berla«; Germania. A.-G. chrBerIaaimdDnicker-t.MIIaIeDreSdett.DreSden.A.1. PolierstraszeN. psernn,1210,2. Postscheckkonto Dresden 0700 Ra„kkon«o Skndtban' «Dresden Rr »Nid Für christliche Politik und Kultur Redaktion der Dresden-Altstadt l. Sächsischen Volkszettuua Polterstrahe 17. .Ternrin 2,1711 >„>d S1M2 6i Ä Politik des »»Als ob" „Die Welt will getäuscht sein" — dieses derbe Tvrichwort besagt in grober Form dasselbe wie jenes so gelehrte und erfolgreiche Buch Vaihingers Uber die „Phi losophie des „Als ob". Wo der Mensch an: Ende seines Wissens oder Könnens ist. tut er. als ob es anders wäre. Die Wissenschaft nennt das „Fiktion", der Volksmund ..Schwindel" Mit solchen Fiktionen hat man sogar die Reliaion zu ersehen »ersucht, in Wissenschaft und Technik, in (Gesellschaft und Unterhaltung spielen sie eine höchst wichüae Nolle. Besonders groß aber ist die Bedeutung des „Als ob" für die Politik. „Politik des Als ob" — das wäre ein kübscher Titel für eine zeitgemäße Bro schüre Es wäre nicht schwer, mit diesem Motto eine rechte beträchtliche Reihe politischer Zeiterscheinungen. wie der Polksmund sagt durch den Kakao zu zielzen. In der Zeit der Ferien ssl es vielleicht ganz angenehm und nützlich, die Dinge einmal so anzusehsn. Fangen wir der Höflichkeit halber mit der hoben N e i ch s r e g i e r u n g an. Aus Seiten oewisser Par teien tut man c>srig so. als ob wir eine Mebrheitsrcoie- runa hätten. Als ob nichts sicherer wäre, daß diese Ne gierung wer Fahre im Amts bleiben würde. Man kosit la. vergessen zu macken, dak liberale und sozialistische "'^chtansorüche das Zustandekommen einer wirklichen Mrhrkeitsreaierung verhindert birken Daß große renu- klikaniscbe Parteien sich nicht gescheut haben, das Anlebon der republikanischen Negierunasform schwer herabzuset- zeu durcb sine wockcnlango Schiebung um die M'v.ister- pasten Nur wsi! diese „sachlich" eingesielsten Männer das „schwarze" Zentrum an. die Wand drücken, wollten Welche Angriffsfläche hätte hier eine O »Posi tion! Wenn nämlich eine starke, zlelbeivnkte Oppo sition da wäre Aber es wird auch hier nur so getan, als ob.. . Graf Westarp hat den verzweifelten Bersuch ge macht. in seiner großen Neichstagsrede grundsätzlich den Gegensatz zwischen der Negieruna Müller und der „natio nalen" Opposition darzulegen. Aber in Wahrheit ist ja gar kein Nnreri'chstd in der Außennolitik des Kabinetts Marx-Hecgt und des Kabinetts Müller-Senering. Aber in der Innenpolitik? Ja. da willen die Dsut'-chnatio- nalen selber nicht was sie wollen Lambach-Westarp- Suaenberg: dieser Dreiklana entbehrt der .Harmonie. Die Opposition ist zu sehr mit sich beschäftigt, als daß sie der Negierung ernstliche Schwierigkeiten machen könnte. Ist es in unserem Sachsen anders? Man möchte fast meinen, die Politik des „Als oh", die jetzt im Reiche großzügig zur Anwendung kommt, sei ein sächsisches Patent. Die Negierung Müller ist gebildet worden mit einer Kündigungsfrist: Bis zum Herbst muß das Kabinett umgebildet sein! Das gleiche Kunststück hat man in Sach sen schon Anfang 1627 zustande gebracht, wo ein Minder heitskabinett Heldt geschaffen wurde unter der Voraus setzung. daß bis 1. Juni den Teutschnationgsen ein Mini stersitz bewilligt würde. Und wie steht es in Sachsen mit der Festigkeit der Regierungsmehrlzeit? Auch hier droht das schwanke Fahrzeug altstündlich die eine oder anders Planke zu verlieren und zu versinken. Aber man tut so. als ob man stolz den Stürmen noch vieler Jahre trotzen könnte. Gewiß, soweit es auf die Opposition ankommt, wird der Negieruna kein Leid geschoben. Denn auch die Oppo sition im sächsischen Landtag gibt sich nur den Am'-"in. als ob ihre Kritik an der Regierung und Wille zum Ves sermachen die Hauvtsache wäre. In Wahrheit Kat dis sächsische Sinke im Landtage genau so genug mit sich selbst zu tun wie die Rechte im Reichstaae. Kom munisten und Sozialisten sind vollauf beschäftigt mit ihrem brüderlichen Streit, man hat manchmal den Ein druck. daß sie herzlick froh sind, wenn inzwischen andere Leute Sachsen realeren Welchen ernsthaften Versuch Kat die SPD nach dem Zustandekommen des neuen Landtages Ende 1626 gemacht, lim die Rechtskoalitian zu verhindern? Keinen! Was Kat die SPD. getan, um nach dem Spruche des Staatsgericktshofes vom 17. Dezember 1627 die Gültigkeit de»- Landtages anzusechten? Keule; Die Welt (Illustrierte Wochenbeilage) Unterhaltung und Wissen Filmcundscha;» Turnen, Sport und Spiel Kellogg komm! nach Europa Der Kriegsüchlungspakl soll Ende August in Paris unterzeichnet werden Die Rolle Sowjek-Rutzlands Neuyorr, 20. Juli. In politischen Kreisen Washingtons ist man der Auffassung, daß, falls Somjetrußluud den Kellogg-Vertrag zu unterzeichnen wünscht, die Bedingungen dieses Vertrages eine Einkreisung Nußlands trotz der europäischen Gegnerschaft nicht gestatten würden. Staatssekretär Kellogg begibt sich im Lause des Monats August »ach Paris. Wie verlautet, ist die Aniiahme- erktärung Japans bereits unterwegs. Konino, 21. Iuü. Wie aus Moskau gemeldet wirs, sott die Frage der Be teiligung der Sowjetunion am Kettogg-Pakt erst nach dem Eintreffen Ketloags in Paris aufgerottt werde», da eine direkte Verbindung zwischen Kellogg und Sowjetuertreteru nur durch Vermittlung Japans ooor Frankreichs erfolgen konnte. Paris, 21. Juli. Die letzte» Meldungen ans Washington besagen, daß der Kriegsverzichtsrmkt Ende August in Paris unterzeichnet wer den soll. Kellogg dürfte sich am 22. August nach Europa be geben. Der französische Botschafter in Washington, Claudel, dürste ihn begleitet«. Weiterhin sott die Zusage mehrerer euro päischer Außenminister bereits vorllsgen, sich zu dem genannten Zeitpunkte in Paris einzusinden. Tie „New Park Times" er klärt. daß der Pakt schon Mitte August <?s in Paris unter zeichnet werden dürste. Etwa 1Z Staaten würden ihre Unter schrift unter den Pakt setzen. Die anderen Negierungen wür den sich dieser Kundgebung durch eine sssätcr gegebene Erklä rung anschiießen. Alan hoffe, onß auch Rußland zu ihnen ge hören würde. Nach der An?worl Englands VsnSon, A>. Juli. Zur britischen Antwortnote schreibt „M o r n i n g v o st" -n einem ausgesprochen ironisch und skeptisch gehaltenen Leitartikel: Kellogg muß nun nur noch den Senat überreden, diesen „viel seitigen" Vertrag anzunehmen. Am meisten fürchten die Ver einigten Staaten alles, was „verwickelnden Bündnissen" ähnlich sieht. Da jedoch dieser Vertrag niemand zu irgendeiner Tätig keit verpflichtet, die er je zugestehen würde, so ist kaum anzu nehmen, daß der eifrigste „Nichteinmischer" Einspruch dagegen erheben wird. „Times" schreibt: Die Annahme der Vorschläge Kettoggs durch Großbritannien scheint vielleicht etwas spät, ist aber nüchtern und aufrichtig. Die britische Antwort stellt in nicht mißzuverstehendec Weste dis L e b e n s i n t e r c s s e n des Lan des sicher, ohne Zuflucht zu juristischen Spitzfindigkeiten zu nehmen. Kein Zweifel wird darüber gelassen, wie die britische Negierung den Pakt auslegt. „Times" erwähnt, daß ebenso wie Großbritannien auch die Vereinigten Staaten „und auch noch andere Unterzeichner" ihre besonderen Landstriche, deren Wohlfahrt und Unverletztheit ein vitales Interesse süc ihren Frieden und ihre Sicherheit bildet, Halen. Das Blatt fragt, worin bei der so sorgfältigen Wahrung bisheriger Rechte und Vervflichtnngen der „bemerkenswerte Fort schritt", von dem Thamberläln ln seiner Note spricht.'besteht und findet die Antwort in der Tatsache, daß jetzt das Recht, zwecks nationaler Vergrößerung oder eigensüchtigen Ehrgeizes Krieg zu führen, aufgehoben wird. Nur gedankenlose Optimisten werden, so fährt das Blatt fort, annehmen, daß es nach der Unterzeichnung des Vertrages nie wieder einen Krieg geben we>'dc. Was der Pakt jedoch verhindert, ist die Anwendung des Krieges als diplomatische Methode. Nachdem das Blatt be merkt hat, die Landsleute von Klausewitz und Bismarck seien nicht die einzigen Leute, die in einer nicht sehr weit zurück liegenden Vergangenheit den Krieg als eines der Neservewerk- zcuge der täglichen Diplomatie ansahen, schließt es mit der Feststellung, es gäbe gewisse Teile der Weit, wo in der Ent wicklung zurückgebliebene Rassen bestehen, für die Krieg immer > .<ch die natürlichste Methode zur Regelung eines Streites das einzige überzeugende Argument sei. Dis britischen Staaten werden ost in Berührung mit diesen primitiven Zivilisationen gebracht. Durch die Annahme, daß die Grundsätze des Kellogg- paltes schon allgemein Anwendung finden können, wird daher nichts gewonnen. sngn,me Ainmorrnore an Kellogg wiederholt mit — gemeint sind vor allem Aegnpten und der Suezkanal — zu sprechen, die für England lebenswichtig seien und für weiche es sich die Handlungsfreiheit vorbehält, eine Verlaut barung der britischen M o n r o e d o k L r i n. welche Völkerbund und Locarno als nicht im Widerspruch mit dem Pakt bezeichnet, nachdem in der neuen Präambel des Paktes ausdrücklich die Entbindung der Mitglieder von ihren Verpflichtungen im Falle eines Vertragsbruches fest-, gestcltt worden ist. Kellogg ist bekanntlich der Dellnierung des Angriffs krieges sorgfältig aus dem Wege gegangen, und oie englisch französischen Vorbehalte lassen diese als bedenkliche Ver säumnis erscheinen. Praktisch hat der Keilogg-Palt, be lastet mit den Einschränkungen und Vorbehalten Englands und Frankreichs, kaum eine Bedeutung, das muß mau den jenigen Optimisten gegenüber seststelle», welche der Ansicht sind, daß der Unterzeichnung des Kellogg-Pakies eine Aera des ewigen Friedens folgen werde. Ob der Palt zu mindesten m orali > ch e u Wert gewinnt, wird davon ak>- hängcn, in welchem Sinne man ihn anslegen wird, und ob er wirklich zur Unterdrückung des Krieg geistec zur Absage an die Waffen und zur A b r ü >st n u gder W e Itvölker führt. So, wie der Pakt vorli-egr. verpflichtet ?' den Juristen und Stae.tLma.ru in alter Feierlichkeit — zu nichts. Einführung der neuen Schriki-oiche» in der Türkei. "Die mit der Reform der türststken^ Schrick e: steil befaßte Kommission bat den Gcruvst inner SBrinzelsten, .e dem lateinischen Alphabet entnommen und, best imsta. All nofa Keniat Pascha verwendet die lateinischen Bucw'.aöeu bucens in seiner Privatkorrejpondenz. Sie hat Lärm in der Presse gemacht. Sie hat schon im Dezember 1927 eine eigens Klage beim Staatsgerichtskos angekündigt, aber ans diese Klagoerhebung verzichtet, noch ehe die Klage des Zentrums bekannt war. Jetzt im Juli 1628 kommt endlich die SPD.-Klage. Zu einem Zeitpunkte, da sie menschlicher Voraussicht nach völlig zwecklos ist. Kurz, die sächsiscke SPD. tut so, als ob sie Opposition machen wollte. Man denkt, wenn man die ses Spiel betrachtet, unwillkürlich an das freche Gedicht des begabten Joachim Ringelnatz über das Parlament: „Sie wollen sich in Wirklichkeit Nur großtun und vertagen Und freu'n sich auf die Ferienzeit, Wo wir die Steuern tragen." G Nicht aus Geringschätzung des Parlaments haben wir diese Beispiele für die heute übliche Politik des „Als ob" gewählt, sondern gerade weil wir der An sicht sind, daß es für unser Volk kaum etwas Wichtigeres gibt als zweckmäßiges und erfolgreiches Arbeiten der Volksvertretung. Wir haben deutsche Parlamente als Beispiele gewählt, weil diese uns schließlich näher nngehen als jene des Auslandes. Aber nicht etwa, weil man im Ausland die Politik des „Als ob" nicht mit gleicher Kunst und Lust übte! Man braucht nur an No bile zu denken, dessen Expedition aller Welt angepriesen wurde, als ob sie wiüeu'chaststcho:'. Zwesten diente lind die doch nur ein Dutzend M-wststen d.'m T-de mw"n Eis überliefert hat. Oder man betrachte den Prond-enten Ealles. der beute den Anschein erwecken will, als ob die katholische Kirche Mestkos schuld st" am Tobe Obre wns. Während' in Wahrheit diele Kirche nur Schaden 'mden wird von diesen: Mord, dessen ein Ziger A-,'-,, c-er — Calles sein wird, den: iekt eine neue Vras'de'ck'mafl winkt. Man erinnere sich weuer an die ströme Geste des Völkerbundes, der feit Fahre.: dir geem zste Men>e"keit ^em Wahne wieat. als ob zur Erfüllung des Ab- , an Kellog stiften gefährliche Drohung der ständia wachsenden Nu'a men in Man sieht' ,t. als ob zur Erllillu -na des irgendeti v a s o e > ä: e k e Oder ,en Pakt der Krieasäck: :una Fr' man durch eine:: wich en B'k der ständig waeickende- i Null.- könnte! Politik des . Als ob" w'rd l N - mrmias- uu.d Each'en überall in der Welt, obne Unterstined de form oder Nation, gepflegt. DeutPstaad sind nur auf der Höbe der Zeit, w :n sie dicke MoK mit- machen. Aber ist es ::n:n-er von Borte:., .stre zu sein? In der Ferienzeck hätten wir alle Muße, st ünd lich zu überlegen, ob une wenigstens in un e mner» deutschen Politik um unteres Po'.ue-tnn:-' wst.en inchr etwas weniger Politik des ..Als ob" gut niste und dallir etwas mehr Politik der Wahrheit. Ausrnaztigkeil und Ehr. lichkeit.