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Nr. 225; Seil« 14 <SV>«rnig. oen o. r. Der »romantische Heilige^ Von Robert Grosche. ^Der heilige Franziskus von Assisi, ein Troubadour" — das klingt uns (offen heraus gesagt) heute sehr ver dächtig, und wir haben nicht sonderlich Neigung, auf das zu hören, was uns unter dieser romantisch-poetischen Ueberschrift gesagt wird — selbst wenn es von Josef Görres gesagt wurde. Wir haben die „Romantisie- rung" des heiligen Franz gründlich satt, denn wir kennen zu gut die harmlos bezaubernde Gestalt des Allerwelts- heiligen, dem selbst das aller wirklichen Ehrfurcht bare späte 19. Jahrhundert jene zu nichts verpflichtende Ver ehrung bezeigt hat, die man eben einer so „poetischen Er scheinung" bezeigen muß. Wir haben es satt, daß man die Heiligen ästhetisch betrachtet — und (wie gesagt) der Titel der Görres'schen Schrift über den heiligen Franz, die vor gerade einem Jahrhundert (freilich nicht als Iubiläumsartikel!) im Mainzer „Katholik" und kurze Zeit darauf als Sonderdruck erschienen ist, sieht so aus. als ob in dieser Schrift ein Wunder der Gnade mit ästhetischen Kategorien erfaßt iverden solle, und das eben macht uns bedenklich. Und doch täte man Görres Un recht, wenn man am Titel seiner Schrift hängen blieb und nicht auf das hörte, was er über den heiligen Franz in dieser Schrift selber sagt, von der Clemens Brentano geschrieben hat: „Der Troubadour hat viele Menschen entzückt. Sie nennen es, wie der Gegenstand verdient, deine beste Schrift: sie ist stigmatisiert, die anderen teils tätowiert." Görres hatte die Entscheidungsjahre seines Lebens gerade hinter sich. Straßburg hatte ihn zur Kirche zu rückgeführt. Die Zusammenarbeit mit den Herausgebern des „Katholik" stellte ihn mitten hinein in die Arbeit an der innerkirchlichen Erneuerung. Er selber war im In nersten der Seele bewegt und gewandelt. Da fielen ihm Hofrat Schlossers Uebersetzungen einer Reihe von Gesän gen, die man seit Jahrhunderten dem heiligen Franz von Assisi zuschrieb, in die Hände. Der effektiv-mystische Grundzug der Dichtungen reizte seinen für das Mystische und Geheimnisvolle stets empfänglichen Geist. Clemens Brentano kam und erzählte von der eben gestorbenen Nonne von Dülmen, las ihm am Abend auf der Terrasse des Münsters „im Frieden, hoch über den Menschen, vie les von der guten, seligen Emmerich". Beide zusammen besuchten bei Zabern ein stigmatisiertes Mädchen, und Görres äußerte beim Weggehen dem Dichter gegenüber: „Dies ist das Ernsteste, was ich im Leben gesehen habe." So war seine Seele innerlich bereitet, über Franz von Assisi zu schreiben, aber eben nicht über den Troubadour, sondern über den Heiligen. Dem jungen Franz stand, wie Görres sagt, die Welt offen: Reichtum, Kriegsehre. Dichterruhm — alles lag vor Ihm. „Aber mar er ein geborener Dichter, so war er noch höher und früher ein Heiliger geboren: als daher der An hauch des Geistes von oben ihm gekommen, ... da be griff er, er habe nun den rechten Schaß gefunden, und als ein kluger Kaufmann die unschätzbare Perle entdeckt und fortan verachtete er alles, was die Erde bietet, als nich tig und inhaltlos, und nahm aus allen ihren Schützen die Armut und Entblößung allein sich zu seinem Anteil." So hat er vor der Welt sich zum Narren gemacht, und hat die Witwe sich angetraut, die elf Jahrhunderte verschmäht gewesen. (Dante, Par. XI, 64 ff.) Den Brüdern aber, die um ihn sich sammelten, hat er „die Bergpredigt als Regel ihres Lebens", eine „neue evangelische Schule" gründend, in der „jeder ein Diener des anderen, und wer der Höchste in der Gnade, als der Dienstfertigste in Unterwürfigkeit, willig sich dem Geringsten unterordnete". Aber weil er alles dahingab, darum wurde ihm alles gegeben. Die schönsten Stellen des Görres'schen Aufsatzes sind die. an denen er die Erfüllung dieses christlichen Lebensgesetzes am heiligen Franz aufweist. Hier spricht Josef Görres auch zu unserer Zeit, die um eine neue Erfassung der „Welt" ringt, die ein Ja zur Welt sagen möchte in glühender Hingabe und sich verschenkender Liebe und nicht begreifen will, daß dieses Ja allein aus der bitteren Wurzel des Nein aufblüht. Franz fand die Welt aus diesem Nein der Entsagung heraus: „Zwischen dem Heiligen, der seine Wurzeln beinahe ganz aus der kreatllrlichen Welt herausgezogen, um sie alle ganz in Gott zu versenken, entspann sich in der Liebe, die ihn von dort durchdrang, doch wieder ein neuer Verkehr mit der Kreatur." Franz lebte in einer erlösten Welt. „Weil er die Sünde ganz in sich ertötet, war auch die Folge des Lündenfalles in ihm ausgelöscht: die Natur trat so be freundet an ihn heran» wie sie vor jener Katastrophe, in Eintracht seiner Willenskraft gehorckend, dem Menschen verbunden war. So hat die Naturliebe des Heiligen bei Görres nichts von schwärmerischer All-einsheit, sondern wurzelt ganz im christlichen Begriff der Erbsünde und Erlösung, wenn auch die Beziehung auf das geschichtliche Faktum der Erlösung in Christus nicht so deutlich zum Ausdruck kommt, wie man es wünschen möchte, und ein letzter Rest einer idealistischen Deutung des Christentums nicht ganz behoben scheint. (Jedenfalls fällt auch in die sem Aufsatz von Görres auf, welch geringe Rolle der ge schichtliche Christus spielt: nur im Schluß ist eigentlich davon die Rede, daß das Leben des heiligen Franz schlichte und einfältige Nachfolge Jesu ist.) Nur dem Heiligen ist die Welt erlöst: dem einfältigen Auge wird alles zum Spiegel Gottes: der reinen Seele wird alles „zur Leiter, um zum Allerhöchsten hinaufzu- stoigen": alle Kreatrrren werden „abgeleitete Brunnen, die alles aus jenem Urquell des Guten schöpfen". Gör res Sprache erbebt sich zu hymnischem Schwung, wenn er von diesem Wunder redet. „So wandelte der fromme Mann in der Naturwelt umher, und wo sein Fuß hintrat, war augenblicklich der alte Fluch von der Erde weg genommen: in dem Schimmer, der ihn selbst umgab, ver klärte sich der dunkle Fleck wie die trübe Wolke im Mor genrot: die Tiere umsvielten ihn vertraulich, die Blumen sahen mit liebendem Auge zu ihm herauf: selbst die Ele ments hoben schlaftrunken die Häupter aus ihrer dunk len Traumwelt und blinzten verwundert in den unge wohnten Glanz, der sie erweckt. Gebunden von der höheren magischen Gotteskraft, die von ihm ausströmte, taten alle willig sein Geheiß, und erst wenn er vorüber gegangen. und der letzte Strahl verglommen war, be hauptete die Verwünschung wieder ihre Rechte; das Pa radies versank, das Lehen verbarg sich auss neue hinter der harten Rinde, und der Cherub trat, mit dem Flam menschwerte wieder abwehrend, in die Pforte." In dieser Stelle liegt für uns heute — formal und inhaltlich — der Höhepunkt der Darlegungen von Josef Görres Ungleich fremder, weil in Svracke und Dentuno Die Anfänge des Franziskanerordens NN deutschen Lund von Di-, y. Schiffers Als im Jahre 1221 die Söhne des heiligen Franzis kus an den Rhein kamen, ließen sie sich inSpeyer bei denen nieder, die bisher jeder ängstlich gemieden, miß achtet oder gar verspottet hatte: bei den Aussätzi gen draußen vor der Stadt. Weshalb bei den Lepro seil? Achtete man die Söhne des hl. Franziskus bei ihrem Erscheinen auf deutschem Boden nicht höher als jene von der Gemeinschaft Ausgeschlossenen? So ist es in der Tat gewesen. Mit Spottliedern hat man die Fran ziskaner, wie wir das z. B. von Worms wissen, emp fangen, man stellte sie vielfach auf eine Stufe mit den sonderbaren Sekten, welche um diese Zeit das Land durch zogen, und namentlich der Klerus eiferte gegen diese Neuerer im Gewände der Armut, welche in der Seelsorge ganz neue Wege gehen wollten und auf solche Weise der Weltgeistlichkeit sogar die wirtschaftlichen Lebensmöglich keiten nehmen würden; noch weit schlimmer war es den Mitbrüdern zwei Jahre vorher ergangen, als sie ein erstes Mal nach Deutschland gekommen, sogar Mißhand lungen hatten sie damals auf sich nehmen müssen. Nun kehrten sie bei den Aermsten der Armen ein, wuschen ihnen — wie der Arme von Assisi es durch Wort und Beispiel gelehrt hatte — die Wunden und sorgten für ihre religiöse Betreuung. Und auch sonst suchten sie allenthalben jene auf, um die sich bisher keiner beküm mert hatte, gingen in den übelriechenden Gassen der mit telalterlichen Städte der Armut, der Seuche, dem Laster, dem Verbrechen nach, um überall zu heilen, zu trösten, aufzurichten. Das mar etwas Unerhörtes, was die Men schen von damals nicht begriffen. Aber man gewahrte bald, daß diese merkwürdigen Brüder in den ärmlichen Kleidern das alles nur um Gottes willen taten, und so gewann das kleine, arme und entrechtete Volk die Min derbrüder lieb, scharte sich um sie, wenn sie auf den Stra ßen und Plätzen der Stadt oder draußen vor den Toren oder in Scheunen und Hütten predigten, und vertraute diesen selbstlosen Männern alle leibliche und seelische Not an; nicht nur offene Ohren fanden die Armen bei den Brüdern, sondern auch immer wieder Rat und Hilfe. So wurde diese Schar derer, die sich den Söhnen des hl. Franziskus aus der Masse des Volkes anschlossen, von Tag zu Tag größer, und die Franziskaner hatten damit bereits den ersten und sicheren Schritt zum Sieg, zum Ziel getan, und dieses Ziel hieß: „Pax, Friede!" Diesen Frieden hatte das Abendland zu Beginn des drei zehnten Jahrhunderts nicht mehr. Wir finden die Menscl)- heit damals in Erregung, Unruhe und Niedergeschlagen heit. lieber jenen Zeiten steht das Wart Kampf geschrie ben: die Großen des Reiches Kämpfen gegeneinander und das Kaisertum Kämpfe mit dem Papsttum: überall ge wahren wir eine tiefgehende soziale Zerklüftung: die Kreuzzüge hatten nicht nur zu einem Mißerfolg und zu bitterer Enttäuschung geführt, sondern sie hatten auch durch die Berührung mit dem Orient einen allgemeinen religiös-sittlichen Niederbruch herbeigeführt, von dem selbst die Kirche nicht verschont blieb. Allenthalben Verzweiflung! Das Gespenst der Re volution schwebte über der Menschheit. Ließ sich denn die furchtbare Gefahr nicht bannen? Wo blieb die Kirche? Sie hatte den Einfluß auf die Massen verloren. Was mochte da anders zu tun sein, als daß man zur Fackel des Aufruhrs griff! In einer solchen Zeit erschienen im schlichten Kleide der Armut, die Söhne des hl. Franziskus, predigten den Frieden und lebten ein Leben des Friedens, das trotz aller Entsagung ihre Herzen und Gefichter stets fröhlich und zufrieden machte. Diese franziskanische Friedens predigt durch Wort und Beispiel war eine soziale Pre digt, und deshalb mußte sie in den unsozialen Jahrzehn ten des 13. Jahrhunderts gewaltiges Aufsehen erregen. Aber war diese Predigt des Friedens nicht ein Hohn auf die Not von Hunderttausenden? Machte sie denn die Armen zu Reichen, die Entrechteten zu gleichwertigen Gliedern der Gesellschaft? Nein und Ja! Aufheben konnte und wollte die franziskaniche Bewegung nicht die gesellschaftlichen Unterschiede, aber sie erstrebte eine tie fere Wertung des Lebens an, und dieser neue Geist mußte, wenn er siegte, die ganze Menschheit weit über das Religiös-Sittliche hinaus erneuern, mußte vor allem auch einen wärmeren, liebevolleren Ton in das Verhält nis der MensclM zueinander hineintragen. Eine solche innere Reform und friedliche Umwälzung konnte man freilich nicht von der Predigt des Hasses erwarten, nur Liebe vermochte sie zu bewirken. Dafür mußten erst die breiten Schichten des Volkes gewonnen werden. Hätte man den Anfang mit einer mühsamen Reform der oberen Schichten in Kirche und Staat gemacht, diese Erneuerung wäre, selbst wenn sie Erfolg gehabt hätte, nicht zeitig genug in den Mittelstand und das Proletariat herabgedrungen. Das erste war: die Armen mußten zunächst einmal mit ihrem Schicksal ausgesöhnt werden, ohne daß sie damit freilich das Recht und den Anspruch auf Besserung ihrer Lebenslage aus- gaben. Die Franziskaner zeigten Armen und Reichen, daß Armut keine Schande ist. Hatten sich doch Franzis kus und seine Söhne gleichsam mit der Armut vermählt und so bewiesen, daß die irdischen Güter nicht die höch sten sind, daß der Verzicht auf manches den Menschen nicht unzufrieden mit sich selbst und nicht freudenrm macht, daß vielmehr der i n n e r e N e i ch t u in dem Men schen das Glück bringt. In ihren Reihen gab es keine gesellschaftlichen Unterschiede: auch die Aermsten konn ten in den Franziskanerorden eintreten, konnten Prie ster werden und selbst zu den höchsten Ordensämtern ge langen: in dieser Tatsache lag für die unteren Volksklas sen etwas Tröstliches und Erhebendes. Aber damit allein gaben sich die Minderbrüder nicht zufrieden. Sie suchten auch in jeder Not der Seele und des Leibes zu helfen, und deshalb wurden sie wieder be sonders die Freunde der breiten Volksschichten, weil diese solcher Hilfe am meisten bedurften. Es ergab sich ja auch durch die enge Verbindung des Ordens mit den kleinen Leuten von selbst, daß die Franziskaner die Volksseele verstanden, und in der Seelsorge, bei der Predigt und im Beichtstuhl den Weg zu ihr fanden; so wird denn viel berichtet, daß damals die Kirchen der Minoriten die Gläu bigen nicht zu fassen vermochten, während die Pfarr kirchen leer blieben. Und wohl keine Not gab es, um die sich die Minoriten nicht gekümmert hätten. Wir wissen z. V. aus den Predigten Bertholds von Negensburg, daß er sich wiederholt zum Beschützer der Untergebenen auf warf. daß er eine menschenwürdige Behandlung der Dienstboten verlangte und daß er sich weigerte, in einer Stadt zu predigen, wo man das Volk durch zu hohe Steuern bedrückte. Wir haben auch zahlreiche Beispiele dafür, daß die Franziskaner im Streit den Vermittler spielten zwischen einzelnen Personen, zwischen dem ge werblichen Bürgertum und der Aristokratie, die sich häu fig zu Verhandlungen im Frieden des Franziskaner klosters vereinten. Und unermüdlich ivaren die Mino riten im Betteln für ihre Armen; auch so wurden die Söhne des hl. Franziskus Vermittler zwischen Reichen und Armen, indem sie vom Ueberfluß jener an diese aus teilten, und daß sie nicht ohne großen Erfolg bettelten, sieht man schon daran, daß sich oft Betrüger in die Kutte der Minoriten steckten. Freilich lag es den Franziskanern fern. Arbeits scheuen auf solche Weise das Leben zu erleichtern. Im Gegenteil haben sie die Pflicht zur Arbeit immer scharf betont; aber sie verlangten, daß die Arbeit dem Menschen Zeit und Kraft zum menschenwürdigen Leben lasse. Man hat nicht ohne Berechtigung darauf hingewiesen, daß die Franziskaner, um diese Forderung leichter durchsetzen zu können, in enge Beziehungen zu den Zünften und In nungen getreten sind, welche ja ihrem ganzen Wesen nach Standesaufgaben und religiöse Betätigung miteinander verknüpften. Ueberhaupt fand gerade auch der gewerb liche Mittelstand an den Minoriten stets bereite Helfer; sie sind es ja gewesen, die in späteren Jahrhunderten durch die Gründung der „Montes pietatis", der Vorläu fer unserer Darlehnsbanken, den in Not geratenen Klein- gewerblern aus den Klauen des mittelalterlichen Geld wuchers befreiten. Durch das Zusammenwirken mit den Zünften gewannen die Franziskaner auch einen starken Einfluß auf das öffentliche Leben; daß sie eine Stütze der bürgerlichen Demokratie gewesen sein sollen, entspricht ganz dem Geist der Ordensverfassung und ihrer eigenen Einstellung. Das alles waren Mittel, um den Menschen den Frie den wiederzugeben: an die Stelle von Haß und Entfrem dung trat unter ihrem Einfluß bald Versöhnung und Bruderliebe. Dieser geläuterte Geist baute sich auf dem Fundament einer neuen hinreißenden Religiosität, der Frömmigkeit des gotischen Menschen auf. Diese fran ziskanische Frömmigkeit riß bald auch die höheren Schichten in Kirche und Welt mit sich fort, welche zunächst noch abseits standen. Nunmehr umschlang wieder ein Band der Liebe und des Vertrauens Hirt und Herde. Wir beobachten, wie die Vornehmen den Minoriten frei gebig für ihren Klosterbau und für die Armen spenden, wie der Adel schon während des 13. Jahrhunderts sich Kirche und Friedhof der Franziskaner zur Begräbnis stätte wählt, wie viele Söhne der vornehmsten Geschlech ter das Ordensgewand des Armen von Assisi annehmen — alles untrügliche Beweise für das Ansehen, das sich der Franziskanerorden auch in den höheren Gesellschafts kreisen erobert hatte. Und wie man im Orden arm und reich auf eine Stufe stellte, so betonten die Franziskaner auch in der Welt unter selbstverständlicher Wahrung der gesellschaftlichen Unterschiede das Gemeinsame. Don diesem Gesichts punkte, .aus muß der dritte Orden des hl. Franziskus für Weltleute gewertet werden: durch ihn konnte gleich sam „jede Kammer eine Zelle und jedes Haus ein Klo ster" werden. „Knechte und Mägde, Ehemänner und Ehe frauen, Jünglinge und Jungfrauen, Edellcute, Fürsten und Könige nahmen seine Regel an". Eine wie tiefe soziale Wandlung inzwischen eingetretcn war. erkennt man am deutlichsten daran, daß damals in der bildenden Kunst an Stelle des triumphierenden Christus der am Kreuze sterbende Christus tritt: die Franziskaner haben die Andacht zum leidenden Heiland mit größten, Erfolg gefördert, weil dieser dem Volke menschlich näher steht und er menschliche Not leichter tragen lehrt. Das alles war also das Verdienst der Söhne des hl. Franziskus: sie hatten die proletarische Gefahr, welche Gesellschaft, Staat und Kirche bedrohte, beseitigt, und sie hatten der zerklüfteten Menschheit durch den Geist einer himmelstürmenden Frömmigkeit wieder etwas Gemein sames gegeben, das eine Grundlage der Versöhnung sein konntet Man wird den gewaltigen Sieg der franziskani schen Bewegung nicht verstehen können, wenn man nicht das soziale Moment in den Vordergrund rückt. Vieles mag man sonst noch über die Gründe anführen, die zum Siege der franziskanischen Bewegung führten: aber das Erste und Tiefste lsieibt doch der Geist der Liebe, den der Arme von Assisi seinen Söhnen mitgab und von dem sich noch heute die Menschheit ohne Unterschied des Bekennt nisses in Bewunderung und Dankbarkeit neigt. zeitbedingter, erscheint er uns da. wo er über die Stig matisierung des Heiligen redet. Da ist uns die barocke Verquickung mit mythologischen Bildern und Vorstellun gen unerträglich, und wir vermögen es kaum mehr zu lesen, wenn Görres über dieses Wunder sich äußert: „Jener Seraph, der auf lichtglänzendem Gefieder aus den Höhen des Aethers niederkommt, ist ihn, der goldgeflü gelte himmlische Amor, der Sohn jener höheren Urania, deren Haupt die Sternenkrone umfängt, und die zu ihren Füßen die Sichel des Mondes hat. Nickt, gleich jenem alten heidnischen, sucht er mit seinem Geschosse neckisch die Menschen in irdischer Liebe zu entzünden: sondern da er gleich dem Pelikan den Pfeil zuerst gegen die eigene Brust aewendet. so will er alle, die er mit dem quellen den Blut getränkt, dadurch in jener höheren Liebe zur einwohnenden Urschöne entflammen, um so im eigenen Opfertod das Leben, und im Leben die Gegenliebe er werben . . ." Auch Görres hat seiner Zeit den Tribut bezahlt. Wir vermögen seine Schrift Uber den heiligen Franz als Ganzes nicht mehr so hoch zu stellen, wie es Brentano getan hat — ganz abgesehen davon, daß die historischen Grundlagen heute nicht mehr stimmen. Was uns aber noch heute hemerkenswert erscheint, ist dies, daß Görres nickt im Aestbetischen befangen geblieben ist, so sehr ihn sein Ausgangspunkt dazu hätte verlocken kön nen, sondern daß er die religiöse Persönlichkeit des hei ligen Franz, das Wunder des Heiligen, zu er fassen versucht hat.