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20 Der 90. Psalm. Ein Gebet Mose, des Gottesmannes. Dieser herrliche Psalm besteht aus fünf sechzehnzeiligen Stro phen und ebensoviel musikalischen Sätzen, deren Abschnitte sich leicht erkennen lassen. Die Reihenfolge der ersten Yerse ist in Unordnung gekommen. V. 4. muss vor v. 3. stehen. So erfordert es der Sinn, die Strophen abtheilung und die Melodie. Der fromme Sänger beginnt mit einer Anrufung Gottes, seines Herrn (Adonai), den er als seine Zuflucht (mäon) preiset, wo das Volk für und für, von Geschlecht zu Geschlecht (bedor vador) eine sichere Stätte gefunden habe, und finden werde, denn er ist Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit (meolam adolam). Das ist der Inhalt der ersten Strophe. In der zweiten wird dagegen die Ohnmacht, Nichtig keit und Vergänglichkeit des Menschen dargestellt, der so bald wieder zu Staub und von der Erde hinweggeschwemmt (saram) wird, der wie ein Traum schnell verschwindet und wie das Gras bald verwelkt, vor der Alles zerstörenden und verzehrenden Gottesmacht. Die dritte Strophe erklärt diese Flüchtigkeit und Hinfälligkeit unseres Lehens für die gerechte Folge unserer Sünden. Sie sind daran Schuld, dass unser Lehen wie ein kurzer und schmerzlicher Seufzer vorübergeht und wir es bei der kräftigsten Leibesbeschaffenheit höchstens auf achtzig Jahre bringen. Und wenn wir dann zurückschauen auf die vollbrachte Lebenszeit, wenn wir bedenken, was wir auf dieser Erde erfahren, gethan, genossen und gelitten haben — was ist’s denn so Grosses darum (rohbam, ihr Stolz, superbia, fastus)? — Wir haben uns müde gearbeitet um den Gewinn vieler eitlen nichtigen Dinge.