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12 Der 16. Psalm. Ein Kleinod (mikhtam) Davids. Unter dieser treffenden Ueber- schrift haben die Sammler der Psalmen uns dieses Lied des frommen Sängerkönigs überliefert. Es führt mit demselben Recht diesen Titel, wie die Psalmen 56 bis 60. Ausgezeichnet durch Kraft der Sprache, Kürze des Ausdruckes und Frische der Bilder mag es wohl unter den Schätzen der heiligen Poesie als ein Lieblingslied seine Stelle erhalten und behaupten. In vier Absätzen ergiessen sich die Empfindungen Davids. Der erste spricht nach einer kurzen Bitte um Schutz die innigste Hin gebung an den Ewigen aus. Im zweiten erklärt er, dass er bei der Ueberhandnahme des Götzendienstes dem wahren Gott treu bleiben wolle, von dem sein Geschick allein abhängt. In dem dritten rühmt er sein Glück und preiset darum den Ewigen, und in dem vierten frohlockt er über die Fülle der Freuden die ihm im Umgange mit Gott, der sein Leben gnädig bewahrt, zu Theil werden. Diese vier Absätze bilden vier Strophen von 10, 11, 12 und 14 Zeilen, eine nicht gewöhnliche Form. Die Kürze des Ausdrucks macht den Sinn vieler Verse schwierig. Hierher gehören besonders die Verse 2 bis 4. Weder die LXX noch die Vulgata, noch die späteren Uebersetzer (Luther, Hitzig, Meier, Vaihinger und Andere) haben ihn richtig erfasst. Daher sind sie zum Theil ganz unverständlich. Meine Uebersetzung, welche sich streng an die Worte hält, bringt erst Klarheit und Zusammenhang in das Ganze. Merkwürdig ist dieser Psalm noch dadurch, dass Petrus in seiner ersten Rede an das Volk zu Jerusalem und Paulus in seinem Vortrage zu Perge (Apostelg. 2, 25—Bl. 13, 34 — 37) die Stelle y. 8 —11. auf Jesum anwenden.