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..Die verlorene Erde." Jahrp hinburch ringt Alfred Brust tu Dramen und iboZjchen Spielen von merbiollp-iger. doch echter Abseitig. um gchührense Anerkennung seines dichterischen Wesens .. .seines reinen ethischen Willens. Er ist in den Ost- piovtlucu beheimatet: in seinen Dichtungen schwingt imnurr Lsti Stückchen Nußlau- mit. Leinen Willen setzt er. aus Mer Schau unserer Gegcmvart. idealistisch bewußt gegen M ^Jheaie" unserer Zeit ein. gegen Materialismus und N-UoNaliöenuS. sür die Erkenntnis des ewig Wesentlichen, für. «tu« geistige Erneuerung nicht aus Grund eines ..Pro« ghammß". sondern aus grundsätzlichem Bekenntnis zur Seele, zur Erde, zur Allmacht, zum Schicksal. Er ist eine ticfreligiüsr Rasur — ohne Doktrin, »ersteht sich:,in jenem Sinne, den er tn dem „Drama i» Christo": „Der ewige Mensch? mit fslaeiiden Worten ausspricht: „Ein halbes Christentum ist s Ms immer als ein ganzes Heidentum. Denn ein halbes Christentum ist keine stteligtvn. aber ein ganzes Heidentum ist D.rs Ganze ist immer das Wahre." .Bum ersten Male nun tritt Brust mit einem Noma» her- bar. „D t c v e r l o r e n e Erde" lim Hvren-Bcrlag, Berlin. NtuneMaldl, in dem er, was in scinep bisherigen Bühnen- werkcn vielfach noch gestaltlos und scheinbar auch zusammen, ßcknglv». ans' der Blthne zudem uiilcbcndig verborge» bli.b, mitzgrdßcr «rast zusammenschivcißt zu einem erschiitternd weit nsth M erschlossene» Abbilde deS Lebens. Es ist so. als ob er hierin erst sein reines Dichterwese» ganz entbunden, als ob ,r tn der Bewältigung des großen Romans erst die eigene Hülle stanz entdeckt habe. Und es sei zuallererst betont: daß »hm da eine herrliche Prosadichtnng geglückt ist, die in viel stärkeren, Maße als altes, was man bislang von Brust kannte, seine hohe Berufung bestätigt. Bom Gegenständlichen, von der .Handlung'" des Romans in Kürze zu sprechen, ist unendlich schwor — ungefähr genau so schwer, wie aus die Krage, was daS Leben sei, eine runde und glatte Antwort zu finden. Nur iävtel sei gesagt: es haiidelt sich »m die Erlösung eines Menschen auS tiefer Zchnld. Eines Grasen ans alle», prnzzi- ickroi, Geschlecht im Memellande, der tn trunksüchtiger, brutaler Jugend unter manchen rohen Taten die roheste vollbracht hat: einem Anden die Haare vom Kopse z» brennen. Der dann »rach schwerer Krankheit z» ersten seelischen Erkenntnissen ge- ncst und von dem noch viele unheilvolle Berstrickungen a»S. gehen» ehe er aus langer Pilaerschaft. die ihn gar mit lenem Anden verbindet und ans der er selber zum altgläubigen Judentum Übertritt, seiner Leelc Erlösung im Tode bei einer Iubeiivcrsvlgiing findet. Aast alle Mensche», deren schicklal- Iiastc Aneinanderkcttung in diesem Buche dargcstellt Ist. haben die Erbe Vektoren, haben sich selbst verloren: sie unterliegen bösen Mächten und Trieben, oder sie kommen schon, aus tragischer Lust gezeugt, von der Gemalt des Bösen gezeichnet, zur Welt, Und sie gehen unter In den triebhaften, miistisckv» Geschehnisse», deren sie nicht Herr werde» können, oder sie finden I» der Erkenntnis der Allmacht die Erlösung zu einem neuen Lein. „Die Erde ist verloren! Aber der Herr de, Welt lammest die, so ihn erkennen! Lebt, blüht, wachst, gedeckt zur Ernte! Was kümmert'» uns. wohin wir sausen!" Das sagt der ,s»de AsinS am Schlüße zu drei MeiE^n. die nach unsäglichem Schicksal die Kraft des Glaubens. die Einsicht in das Lei», dem »ns«« gstcr Leben bedingungslvtz verwoben ist, wieder- gcwvnn-), haben. Das ist nur eine ganz ungefähre Umschreibung des Kerns, ans dem Brust sein im vK-danklichc», in der Aüblbarmachung alles Seclisckxn und -Schicksalhaften großes und IteseS. im Stilistischen noch nicht ganz sckckackciifrcies Werk entwickelt. Ei» Werk, von de>^ — ohne eine» Berglcich hcrbcisüliecn zu wollen aesagt werde» mag. daß cs in seinem Wesen, in seine», Besten, wie ein russisches Buch eines deutschen' Dichters „»- mittet.' HansTeßmcr. Woldemar Kolkenrolh, „Das Leben eines Malers". (1892 bis 1894.) _ Aus der Welt Kügelge-ns, Ludwig Richters und Caspar David Krlodrichs taucht «in neue» Erinncrungswerk ans, da» sich bald dir Herzen aller derer erobern wird, die »och Are»de haben an der verschlungenen Romantik und alten Kunsthoch- zielen. an Künstlers Leid und Lust: Wol-omar Hottenrolhs ..Leben eine» Malers". Die Bilder, die er schuf, sind wohl nur noch eurem kleinen Kreise bekannt: sie traf daS Loa der Werke vieler Meister, die ihrer Zeit in Können und Wollen genügten, dt« vollek' Begeisterung manch Schönes schufen — und die vo» ihren Enkeln nicht mehr verstanden wurden. Erst tn dem letzte» Jahrzehnt fangen sie an. wieder zn Ehren zu kommen: die Zeit hat genügend Abstand zur würdigenden Betrachtung geschossen. Wir lerne» verstehen, wieviel echtes und tnniacs Küiisilertvri, tn den „Klcinmcistern" steckte, mit wieviel Ehrfurcht vor großen Vorbildern - heute fast ein überwundener Sta»dpmskt! — sie an die Arbeit gingen. Erinncrungswerke. wie die Kügelgcns und 'Ludwig Richters, neuerdings auch die sehr lesenswerten Bekenntnisse Caspar David Friedrichs, bahnen uns den Weg znm Ver- stän-dnis der romantckchn Kunst' und ihrer nachfolgenden .seit. Zn ihnen gesellt sich jetzt Hottenroths Buch, bas aus Beranlassung und »Kt Unterstützung des. Berlins sür Gc- sthicbie Dresdens In vorzüglicher Aüsstottiiiv, und mit 32 Bildern geschmückt im Berlage von Paul Aretz soeben er schienen ist. Woldemar Holtenroth wurde.am 20. August 1802 kn Blasemitz als dritter Sohn des damaligen Ltadlgntsbcsitzers Kranz A>v„S Hoiicnroth und. seiner aus dem Kawmergme Haselberg bei iKottleuba stammenden Gattin Josephe-Buselli geboren. Der Baicr halte sich, nachdem er einige Jahre Aktuartus des Ztstcrzicnsersttfts Newzellc bei Girben gewesen war, der Landwirtschaft gewidmet und in Blasewitz zunächst gute »nd heitere Tage gelesen, bis der Krieg 1813 Elend nnd Not brachte. Die sranzviischen Kulturträger hausten fürchter lich in den sächsischen Lande», die bald in Kummer und Kammer verarmten. So »inßtc auch Kranz AloyS von Haus und Hol, der Akademiker wurde, um seine Familie zu crnätzr«!» — Kammerdiener der Königin Amalie. Leine «Mtfeee uvb immer heitere Ara» und die Krcwde an der Na»«, und den zahlreichen Kindern hals ihm über alles ipeg.z In engen 9Ii»»me» eines kleinen Hauses des Ifalie- »Ischek DürschevS wuchsen die Kinder heran. Woldemar ging mit Ludwig Richter in die Schule. Aber während die voiEnroGs. In»'«» sich aus dem Hein,»rege licrnmbirlgte» aiih >M Winter Ihre Schneeballschlachten schlugen, wurde der s-'.rzärleite Lu-nsig Richter »vm Brctzcliungc», der ihn auch ür sie Schule gebracht hatte, sorgsam lreimgchvlt. Die wilden Hostenrdthe verkehrten aber viel in Richters Hanse. Hier verdienten sie Ihr erstes Geld mit „Illuminieren", d. h. bunt AusiMlrn von Nürnberger Bilderbogen und Dresdner An sichten, < Ais die Schulzeit zu Ense ,oar. schickte Batcr Holtenroth sctue Jungen, „weil es nichts kostete", in die dleichenschulc. in. der ein geradezu idyllischer Betrieb herrschte, der zu aller- lock W!g«n Strelck»en Geleaenhcit bot. Mit Sckirtstmalcret aWKikmenschilder» un- mit Nnterrlchl luchte sich Woldemar ans G»«r zu desreie«. »m de« Vater zu enrlaüvn. Ln- ziehend ist «S. wie sich die Jugend jener Zeit selbst weiter- zubiiden sucht. „Literarische Abende" bei denen inan die Klassiker las. wurden etirgerlchtet' und jede GolcgeiHcit, das Theater zu besuchen, ausgenützt. Der Bizeps spielte noch nlibt die Hauptrolle, aber bei allem Streben wurde picht ver gelten. zu schwimmen, zu laufe,,. Schlittschuh zu fahren oder sich sonst der Jahreszeit entsprechend körperlich au»zu- arbeitcn. Im Hause des Masors S-exr« leinte Woldemar drei Kräulctn v. Gablenz kenne», dcuc» er Unterricht gab. Es kam ihm nicht daraus an, dazu den Weg nach ihrem Gute Bärenktanlc hin un- her,zu Kuh zurnckzulegen. Dabei wurde skizziert und „farbig angelegt": die Arbeiten müssen schon damals recht gut gewesen sein, denn Clanßen Dahl und Caspar David Friedrich liehen sich die Studien. Kaum hall« sich Woldemar ,durch eigen« Arbeit seine» Lebensunterhalt gesichert, als er sich flügge fühlte zu», Aus slug in die Welt. Als eines Tages die Ellern »ach Hause tarnen. fanden sie kein Bet» nicht inehr vor, sonder» nur an dessen Stelle einen Zettel: „Aenßere Rampische Straße Nr. 2», III. Stock." Dorthin ivar Woldemar tn zwischen anS- gczogen. > Reizende Geschickten erzählt er von de>» Besuche der Akademie, in der es doch zieuvlich streng zugtng. „Die oft tanbe» Blütchen wurde» nicht wie schöne reise Arüchte ge priesen." Der bekannte Hosrat Völliger machte keinen riesen Eindruck au» ihn. - „er salbaderte wöckicntlich einmal im Anlrkenlsaale über Kunst und kritisierte auch Gemälde, die er nie gesehen hatte". > . Die erst«, groß« PMe ins Meseiigobirge errveltert den Blick, ein paar Prämien schassten die Mittel dazu. Ta kam eine ungeahnte Frcubenbotschäft: Woldemrar erhielt am 11. dkpril >828 ein Slaatsstipcnidiuim von 250 Talern jähr lich auf >8 Monate. Eine romantische Wanderburschenzeit beginnt, die groß«, wolle Welt tut sich ans, der Seele wachsen Altigel. Mit der Post geht cs bis Hof. dann wird Kranken durch:va»dert, Nürnberg besucht, über Augsburg wird München erreicht. Hier besucht er Cornelius, der seine Arbeiten im Skizze »buche lang« betrachtet und dann sagt: „Sie wolle«, nach Parts? DaS ist das Grab der Künste. Bleiben Sie hier bol uns!" Allein so lehr ihm der Münchner Künstlcrkreis mit seinem Lchutzherrn. König Ludwig, auch gefällt, es zieht lh» weiter. Aus Umwegen ««langt er nach Paris. , Die Stipendiaten hatten die Pflicht. Berichte an Gra,' Bitzthum, den Generaldirektor -er Akademie, über ihre Tätigkeit und als Beweis« Bilder und Skizze» nach Dresden zn senden. Es ist für die damalige amtliche Kainstansfassung und für die „moderne" Jugend jener Zeit bezeichnend, was da in den Schreiben zu lesen ist So hatte Hottcnrolh ein Bild „Macbeth" gcmait, des Helden Roß schaudert daraus vor den Heren zurück. Wir finden dies« „Hexen" heute un natürlich, sie sehe» aus wie Primadonnen in einer Lper. Graf Bitzthum aber meinte, sie wären „km höchsten Grade mißlungen und machten einen widrigen Eindruck ans den Beschauer". Wen» er einmal Hexen von heute sehen würde! Bon Paris nach Rom. dem Mekka der Künstler von damals! Hier machte sich Hottenroth End« 1833 „selbständig". Er dankte für weitere Ltaotsunterstützung, um sich nicht irgendwo in Lachsen als Zeichenlehrer aaistcllep lass«» zu müssen, war allerdings .««nötigt, ein« Mästigkeltsepochc dnrchziimachen". Aber valo gtnlg'S' anfmätts im freien Künstlcrlcben. Ausirägc kamen, Beziehungen zu vornehmen Kreisen wurden augoknüpst, es war ein herrliches Leben mit Bruder Eduinnd zusammen, der ebenfalls Maler geworden war, in der Ewigen Stadt, in Neapel ini>d t» der Campagna. Anfang >843 verlobte, er sich Mit Agnes Willen, der Tochter eines Hamburger Grvstkansiiianns. di« mit ihrer Mutter seit einigen Monaten In Ro», weilte. Damit begann da» «roste Glück seine» Lebons, ein inniges Kamilienlebcii tn nngclrübtcm,gege irsei tigem Verstehe». esirar wechselten dis Gatten verschiedene Male ihre» Wohnsitz. Wir finden sic kn Hamburg und viel aus 21 eise». Aber immer wieder zieht es sic nach Dresden, und schließlich wird ein schöner Besitz in Wach Witz dauerich ihr Heim. Die guten Verhältnisse erlaubten oiike» gastfreien Verkehr, und so blieben ft« denn Immer mit vselc» bedeutenden Menschen tn engen Beziehungen. Wir lese,, von Hpltei, Dingelstedt. Robert Waldmüllör, Richard Waguer, Kerdinaud Hitler, dem Mliuzgravepr Krüger, dem Mthnenschrisisteller W- Kricbrich. Malör- Ser re, Thormaldscp uud vielen anderen, die mit ihnen verkehrten und voy besten -as Buch manches zu er zählen weist. Woldemar Hottenroth ist llL, IaHre alt geworden Ihm war ln Schauen und Schassen etu relchgeseguettS Dasein bc- schioden- Das Buch, das schlicht „Das Leben eines MalcrS" heißt, läßt uns von dem in Arbeit uud Kunst. Kamille und Krennbichäst begründeten Glück gar vieles mitgeuießc». Die frische, humorvolle Darstellung lvivd joden Leser fesseln uud erfreuen. ' Dem Herausgeber, -dem Sohne des Künstlers, Herr» Oberst a. D. Jost iin Edmund Hottenvokh, der die Lebelisaus-eichnunge» seines Vaters mit Briefen, Berichte» nud eigcnrii Evinncninge« «»gäiiztc, lei sür die» Buch. daS ein sächsisches Hausbuch werde» sollte. Dairk uns Anerkennung ausgeivrock»e»r. ^ Dr. Artur Brabant. Die Memstrea-er Olero. Von Louise Krcisrau vopReibnitz-Maltzan. Es war im Mai, der schönste -ller Monate, wenn man in Parts lebt. Die Kastanien blühten, der Kliener dnslete und das „Bpis? schimmerte im ersten zarten Grün. Die Abende waren schon jo warm, daß die Terrasse des Restaurants Armcnonvtlle. das so lieblich tumitte» des „Bois" liegt, mit fröhliche» Menschen, die dort soupierten, besetzt war. Ich saß ln heilerer Gesellschaft an einem der vielen kleinen blnmengeschniückten Tische. Der Italiener Poldi dirigierte seine Kapelle, der Champagner perlte in den Gläsern. Reizende Kranen in entzückenden Toiletten soupierten mit eleganten Kavaliere» um uns herum. Ich liest meine Augen über die bunte Menschenmenge gleiten, bi» st« gebannt an einer wnnder- schönrn Krau hasten btiebcn. Sic säst im Kreise mehrerer Herren: einer vvn ihnen ivar ein russischer Großfürst. „Das ist die schöne Otcro," flüsterte mein Nachbar, „und dort in der Nische sitzt Lina Cavalieri. Es sind -ie beiden schönsten Kokotten von Paris." v«ihc waren sich ihrer Schön heit beivtißi und wetteiferten miteinander, wer die schönsten Steine und Perle» besäße. ES wurde erzählt, sobald Madame Otero eilten neuen Schmuck ans Smaragden getragen hätte, wäre Lina Cavalieri am nächsten Abend mit Rubine» bedeckt erschienen und umgekehrt. Die Cavalieri hatte gerade de» Prinzen Bariatinsln ruiniert, und cS schien, als oh die schöne Otero den neben ihr sitzenden Großfürsten in ihren Bann ziehen wollte. An jenem Abend trug Caroline Oterv ein maissarbeneS, duftiges Spitzenklcid. ,Ueber de» tiefen Ausschnitt, der ihre herrliche Büste frei ließ, sielen lange Schnüre großer Pctlen. Ihren Hals umschloß ein Hobes Collier de chie» au» Perlen mit einem Brillant,chloh. Ihre wunderbare» Augen leuchtete» nntcr dunkle» Wimpern, ihre weißen Zähnc-glanzten zwischen Leu roten Lippen, die malt« Haal ihres ovale« Gesichtes schimmerte in jenem warmen bräunlichen Ton, -er den Andalusierinnen und Kreolinnen etgentllmllck, ist. Sie saß unter ihre» Verehrern wie eine Königin, lebhait jprechend. doch ohne die Stimme zu erhebe». Ihre Haltung war die einer große» Dame. Als sie sick, iMer erhob, lcgtt einer der Herren einen schweren Brokaimantel um ihre Schulterni Keine KÜrstin hätte ihre» Purpur stolzer trage» können als diese Krau, die mit sieghastem Blick durch den Raum schritt, uch ihren Wagen zu besteigen. Am nächsten Abend, dann noch öfter, sah ich die schöne Otero in den Kvlics Bergeres, wo sie ein mchrmonatlichetz Gastspiel absolvierte. Sie sang spanische Lieder und tanzte im spanischen Naiiviialkostü»,, de» berühmte» grauen Hut auf dein Kops. Ihr Tanz mar Vollendung, Temperament, Bieg samkeit: Heraussorderiingcn wechselte» mit hingehenden, an- ichmiegendcn Bewegungen. Niemals sah ich eine Tänzerin so rhythmisch mit Kastagnetten tanzen, niemals bin ich einem so triumphierenden Blick begegnet als dem a»S den »achlschwärzen Augen der Otero. Am fabelhaftesten war wohl ihre Tarän'- tella. Dieser Tanz endete i» einer vollkommenen Auslösung ihres Seins und wirkte wie überschäiimender ChäniPagneL. Als Schluß pslegie sie mit jauchzenden Rusen ihre» Hin in hie Luft zu werfen, sing ihn wieder aus, rückte ihn schräg über das dunkle Haar. Das Publikum raste nnd tobte. Blumenkörbe und Kränze tr»g ma» auf die Bühne zü ihrcü Küßen. Ebenso glng es überall, wo sie gastierte, in Moskau und-Petersburg, Neuyork und Berlin. Jetzt hat die berühmte Künstlerin nnd Amoureuse ihre Erinnerungen g-schrieben, die um so interessanter sntkh als Ne ihr Inneres hüllenlos zeigen. Dabei wird die Ver fasserin nie indezent oder plump. Schon gleich tm Anfang berührt dag Buch ungemein sympathisch. Caroline Otero er zählt ganz ungeschminkt von ihrer traurige», armsielige» Jugend, von ihrer Mutter, der wunderschönen Zigeunerin, die aus den heiße» Straßen Andalusiens tanzte, bis sie vo» ihrem Vater, einem österreichischen Offizier, entführt und später ge heiratet wurde. Stolz ist sie aus die Schönheit der Mutter» deren ärmliche Herkunft sie nicht verschweigt. Im Gegensatz zu anderen berühmte» Lebcdamen. die sich als Mutter zum min desten eine Künstlerin, als Batcr einen Prinzen andlchtcten. Bor allem anderen ist die zähe Energie der Otero zu be wundern. Denn schon mit zwölf Jahre» entflieht sie dem Elternhaus und findet ein Engagement als Tänzerin. Wie viel Kraft muß in dem kleine» Mädchen gesteckt haben, daß es ei» Hindernis nach dem änderen überwindet, bis es nach Paris komm! und dort den Grundstein zu seinen großen Triumphen legt. Eine ungewöhnliche Macht ist freilich ihre bc- strickende Schönheit, noch mehr das sinnliche Kcuer, das von ihr ansgeht, die Herzen der Männer verwirrt und heiße Leiden schaften in ihnen entzündet. Wer sic einmal tanzen sah, kann »ie wieder die Bacchantin mit den schmiegsamen Gliedern vergessen. Sie hat lcidenschastNch geliebt und tief gelitten. Tie konnte grausam in ihren Passionen sein, dann wieder htn- gebcnd wie ein Kind. Sie schreibt in ihren Erinnerungen über sich selbst: „Ich kann sagen, daß ich die Liebe geliebt habe. Wenn mein Herz einem Menschen gehörte, habe ick, ihn über alles gestellt. Ich habe ihn mit ganzer Seel« geliebt, ich habe mein Herz an ihn verloren." Sie war ganz Weib mlt allen Kehlern und Tugenden» allem Bösen'ünd Göttlichen ihres-Gc- schleckns. Aber noch etwas äußer ihrer külperlickwii Schönheit fenefte ihre Anbeter, ts ivar ihr großes, gütiges Herz. Sie. die selbst das Elend kannte, war stets hilfsbereit sür das Leid anderer. Großzügig stand sie ihrer Mutier bei, als diese ganz verarmte. Wie iveggewisckit waren die viele» bösen Stunde», die die jäh zornige Zigeiiucrmuttcr khr in der Jugend bereitet batte. Etu Lck'assncr hatte ihr bei der Klncht aus dem Elternhause ge- holsc» und ihr das Billct nach Paris vvrgestrcckt. Als sie die reiche Otero geworden war. vergalt sic es ibm tausendfach. Ihr Herz war freilich nur gütig gegenüber Bedürftigen. Ihre reiche» Liebhaber bat sie nach allen Regeln der Kunst aus- gcnnyt und sich nicht nur ei», sondern viele Vermögen ge macht. Kreilich schwand das Geld schnell unter ihre» Händen. Sic trieb wahnsinnigen Lurns, kaufte immer neuen Schmuck und war eine passionierte Spielerin. Aus dem grünen Tisck, in Monte Carlo verlor sie manchmal an einem Abend riesige Summen. ^ Bis zuin Jahre 1918 ist Caroline Otero öffentlich aus getreten. Tann mußte sie sich infolge eines Autounfalls von der Bühne zurückzieben. 'Nun möchte sie noch einmal dorthin zurückkehren,, denn sic ist wieder srisch und gesund. Heiß pulsiert das Künstlerblnt in ihr. Aber tn großer Selbst erkenntnis zögert sie, denn wie sie in ihrem Buch« einmal sagt: „Der strengste Richter werde ich mir immer selber sein." So ist sie inzwischen aus einem anderen Weg« wieder in die Oesscntlichkeit getreten: Sie hat ihre Erinnerungen verösseitt- licbt. Wer sie liest, dem tritt ibr Bild wieder vor Augen, -as Bild der göttlichen, hinreißenden, sieghaften Tänzerin und Frau. ——— lieber Kiwattns Eisselder. Bon Christian Leben. ,Salto! Hier Stuttgart ans Welle 379,7! Wir schließen das NachnilttagSkonzert. Auf Wiedcrhörcn 0,15 zum Vortrag.- lieber Kiwatins Eisselder." So konnte man es kürzlich im Ra-io bören. Wohl monch-r Rundfunkteilnehmer wird bei dieser AiAa-ae vergeblich in seinen geographischen Kenntnissen geforscht haben, wo Kiwatin liegt: vielleicht hat er damals gerade in der Schule gefehlt. Kiwatin ist nun freilich — und das mag zur Entschuldig»»» gesagt werden — ein Land, non dem man nicht alle Tags hört, ja bis vor einige» Jahren eigentlich verteufelt wenig mußte. Seine Eisselder bilden den höchsten Norden von Kanada und erstrecken sich vom »Nördlichen Eismeer bis zur Hudson - Bai: ein großer Teil dieses airsgedchnic» Gebietes ist auch heute noch völlig »ncrisr'cht. Seine Bewohner sind unter den kärglichsten -Verhältnissen lebende Eskniivstämme, die mit den Segnungen der ZivilGation. wahrscheinlich zu ihrem Glücke, noch nicht in Berührung gekommen sind und in ständigem Ringen mit den -Naturgewaltcn einen schwere» Kamps um ihr kümmer liches Dasein führen müsse». Dieses Polar laus behandelt ei» soeben im Berlage von K. A. Brockhaus. Leipzig, er schienenes Buch „lieber Kiwatins Eisfelder" aus der Koder des auch in Deutschland aus mehreren Vorträaeir bekannten norwegischen Kor'chers Christian Ledcn. Von Mitte Juli IM3 bis September 1916 hat der Verfasser in jener Elswüste bei sc» kanadische» Eskimos gelobt. Freud und Leid mit ihnen geteilt und während dieser an Gefahren. Abenteuern und Anstrengungen reichen Zeit interessante ethnographische Studien gemacht, deren Ergebnisse »m io ivertvoller sind, als sie die Feststellungen Rasmiisirns und Stefansions in mancher Hinsicht ergänzen nnd ein an schauliches Bild von -cm Lehen dieser urwüchsigen Bolks- siämme, Ihrer alten Kultur..ihrer Religion und ihrem 'Aber glauben, ihrer primitiven Hygiene, schließlich aber auch davon aeben, wft die fortschreitende Zivilisation langsam und sicher die Naturvölker vernichtet. So berichtet Loden beispielsweise, wie dir einst freien Eskimos nach und nach immer mehr tn di« Abhängigkeit von Pclzaufkäusern kommen nnd von ihnen nach allen Regeln der Kunst ausgebentet. wie -ukch -et» Beo- MH