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90 Reise-Skizzen aus den brasilianischen Südprovinzen. die faktisch benötigten Gelder reduzierten sich auf ein Minimum im Vergleich zu den Schleudereien der letzten 2 Jahre, aber der Nachfolger von Herrn Pitanga mußte sich 50 Mann Militär von Santa Catharina requirieren, um aufrührerischen Bewegungen einer ganzen Reihe ita lienischer Kolonisten kräftig entgegenzutreten. In der That hatten alle die Kolonisten, die auf den großen Beutel der Regierung „arbeiteten" (d. h. für einen un verhältnismäßig hohen Lohn möglichst wenig, zuweilen auch gar keine Arbeit lieferten) unter Pitangas Direk torium goldene Zeiten, und das Versiegen der Regierungs gelder machte in der ersten Zeit einen begreiflichen Unter schied in der Lebensweise dieser Leute aus. Nachdem sie aber sahen, daß das Schlaraffenleben definitiv vorüber sei, legten sie sich, durch die Not gezwungen, fast alle auf soliden Erwerb, und die Kolonie kam erst seit dieser Zeit wirklich auf und lernte Vom Ertrage ihrer eigenen Hände leben. 1882 wurde die Kolonie in gewöhnliche brasilianische Verwaltung übernommen, Passage und andere Erleichterungen hörten auf, und bald kamen nach dem in Europa so unbekannten Brusque so gut wie keine Einwanderer mehr. Heute zählt das Munizip ca. 11 000 Einwohner, davon Deutsche 3700, Italiener 5000 und Brasilianer 2500. Am Stadtplatz wohnen fast ausschließlich Deutsche, deutsch ist der Haupthandel, deutsch sind alle sieben Munizipalräte, die denn auch ihre Sitzungen in deutscher Sprache abhalten und nur, wenn sie unangenehm werden, aufs Portugiesischsprechen über gehen, Schilder und Anschläge am Stadtplatz, die barfuß herumlaufenden, gesunden Kinder sind alle deutsch.