Volltext Seite (XML)
Seite 6. — „Sächsische Dorszettung." - 8. August 1905. da- Gespräch mit jedem neuen Reigen mehr auf da persönliche. Die beiden „Brüderchen" waren auch schon nicht mehr ganz harmlos in ihren Bemerkungen und Ernestine wartete vergeblich, daß er doch auch mit „der Schwester von Ihr* einmal tanzen wllrde. In den Tanzpausen erging man sich im Garten. , „Warum erschraken Sie so vor mir?" fragte sie ihn da auf einmal. „Sie wurden auch feuerrot, Olga." „Ich? — Das glauben Sie selbst nicht." „Fragen Sie Ihr Schwesterchen, Fräulein." „Die braucht doch nichts davor, zu wissen", eiferte Olga nun. „Sie sollten übrigen- einmal mit ihr tanzen. Ich meine, r- fiel so auf — am Ende." Und sie schmiegte sich fester an ihn. . „Was kann da ausfallen? Wir tanzen halt gern zusammen!" sagte er in luftigem Tone. „Sie tanzen gern mit " Da- letzte Wort verschluckte sie zaghaft. „Und Sie, Fräulein Olga?" „Wissen Sie eS nicht mehr vom Arminenball her? — Warum haben Sie uns eigentlich nicht besucht, Herr Berger? Galt Ihnen meine Einladung nichts?" „Fräulein Olga, lassen Sie mich offen reden. Ich war damals gewiß Feuer und Flamme für das süße Mädchen, dann dachte ich aber, die hat dich vergessen und du mußt sie auch vergessen, und dann kam die strenge Arbeitszeit. — Wenn man so mitten in der Ernte steht, Fräulein Olga!" „Mitten in der Ernte schon?" fragte da auf einmal die tiefe Stimme des einen Brüderchen. „Ja, im Examen!" entgegnete Olga hart und bestimmt. „So? — Ich glaubte an Schöneres!" Und er war weg. „Das ist einer!" sagte nun Olga empört. „WaS der wohl glaubt?" „Als ich Sie aber heute wixj>n„sah. ,sg. plötzlich, so frisch wie der Lenz, da, da wurde mir klar, nur klar —" „Ich glaube, Mama ruft," warf sie da ein und wollte fort. „Bleib, Liebling, bleib!" Berger schloß sie stürmisch in die Arme und sie wehrte sich nicht, fragte aber zerstreut: „Was wurde Dir klar?" „Daß ich danach ein Esel war, Olga!" — Und er küßte sie heiß. — „Es ist aber gut, daß Du Dich verwandelt hast. Hörst Du den Walzer?" — Und nun tanzte er mit Ernestine und ver plauderte das Geheimnis, was die „riesig nett" fand, und Olga schwenkte die Brüderchen und fragte harmlos: „WaS sie sagen würden, wenn plötzlich Berger änfragen würde?" Der eine meinte, da könne sie ja der Kandidat gleich trauen und der andere war der Ansicht, daß ihm ein so talentvoller Herr, Rechtsgelehrter, Organist, Klingelbeutelinspektor usw. ein erwünschter Schwager sei. Und Ernestinchen fragte nachher den Vater und Paul die Mutter, die natürlich sehr überrascht war. Noch „überraschter" waren die aber alle erst und keines hatte eine Ahnung, als die Verlobten um den Segen baten . . . „Wer hätte das gedacht! — Auf dem Erntetanz?" sagte Mama. „Und unter geistlicher Beihilfe!" ergänzte Papa mit Lachen. Dagegen bemerkte Paul mit feinem Ausklang an daS im Garten Gehörte: „Erntetanz, Erntesegen, wo man hinguckt!" Ernestine aber erklärte, das habe sie schon längst gewußt, Olga habe immer von dem „schönen" Studenten gesprochen. „So?" rief Emil entzückt und küßte sein Lieb. „Und da Ham mer dann nun die Bescherung," ließ sich auch Karl vernehmen. „Trinkt aber drauf, ehrenwerte Leute!" Vorher aber hielt der Kandidat noch eine schöne Rede von der Ernte, dem Erntesegen, dem Erntetanz, dem Erntebrautpaar. Obkn lachte der Mond mit schiefem Gesicht dazu, hier unten über trat Paul dem „Brüderchen" auf den Fuß, der Papa stieß Mama an, die Knechte faßten ihre Tanzmädchen fester bei der Hand und Emil küßte Olga beim Umhänyen eikeS Tuches unbemerkt rmf die Wange einmal, zweimal, dreimal. Der Redner redete und redete und schloß endlich, endlich: „So war eS denn für alle eine gute Erntezeit." „Das mein' ich jetzt erst recht!" betonte Paul boshaft, und dann spielte die Musik wieder und die Burschen zogen die MädA zum Tanz. Tages - Greiüntffe. — AuS dem Oberharz. Ein originelle-Sommer- fest veranstaltet alljährlich auf dem Harze bei Grund der Wärter und Wirt des dortigen AussichtSturmeS. Dieses Waldfest weist nämlich neben Konzert usw. eine für die Jahreszeit jedenfalls eigenartige Spezialität, einen Schnee- mann, auf, der aus Schnee der benachbarten sogenannten Gletschertöpfe, Schluchten und Löcher, in denen der Schnee nie schmilzt, hergestellt wird. Nachdem der Schneemann mit Rosen und Nelken geschmückt und die ganze teil nehmende Gesellschaft photographiert ist, beginnt ein regel- rechtes Schneeballwerfen. — Braunschweig. Hier wurde die seit dem 1. d. M. verschwundene 24 jährige Hedwig Breimann mit ihrem zweijährigen Kinde in der Oker tot aufgefunden. Wahrscheinlich liegt Selbstmord vor. — Hohensalza. Hier wurde ein Kutscher von einem Kollegen gehänselt. Als er sich dieses mehrere Male erfolglos verbeten hatte, ergriff er eine Wagenrunge und erschlug den Kollegen. Der Erschlagene hinterläßt eine Frau und sieben Kinder, welche noch unmündig sind. Der Täter wurde verhaftet. — Landshut. Ein Opfer seines Berufs wurde der Bezirkstierarzt Franz Siecheneder. Er starb an den Folgen einer Blutvergiftung, die er sich bei einer Operation zu gezogen hatte. Drei Tage zuvor hatte er seine Gattin begraben. — Waldkirch. Wer'S erst zum Ortsdiener hat gebracht, der steht auf der Stufe zur höchsten Macht. In Kollnau, wo Seidenspinnerei betrieben wird, wählten die Einwohner den Ortsdiener Schindler an Stelle des zu alt gewordenen Bürgermeisters Baumgartner zum Oberhgppt der 2000 Einwohner zählenden Gemeinde. — Ober - Langenbielau (Schlesien). Gestern früh 3 Uhr sind in den Christian Dierigschen Werken mehrere Fabrikgebäude niedergebrannt. Mangel, Hängerei und Stärkerei, Spannräder, Spannrahmen und Trocken maschinen sind vernichtet; der Schaden ist ganz bedeutend. 300 Leute wurden zunächst arbeitslos, weroen aber durch Nachtschicht in den anderen Abteilungen wieder beschäftigt werden. — Ingolstadt. Ein schweres Eisenbahnunglück er eignete sich, wie schon kurz gemeldet, am Freitag abend am hiesigen Bahnhofe. Der um 11 Uhr 20 Mn. fällige V-Zug hatte eine Stunde Verspätung. Der Lokomotiv führer wollte diese wieder einholen und fuhr mit ver größerter Geschwindigkeit. Kurz bevor der Zug den Nord bahnhof passierte, sprang ein Wagen aus dem Geleise, wodurch der ganze Zug umgeworfen wurde. Ueber die Lokomotive wurden der Tenderwagen, der Packwagen und zwei Personenwagen 6 bis 8 Meter fortgeschleudert. Loko motivführer und Heizer waren sofort tot. Beide sind Familienväter, von denen der eine sieben, der andere drei Kinder hinterläßt. Zehn Passagiere wurden schwer ver wundet. Die Aufräumungsarbeiten haben begonnen. — Die amtliche Meldung lautet folgendermaßen: Zug 94 ist Freitag abend bei der Einfahrt in das zweite Geleise des Nordbahnhofes von Ingolstadt vollständig entgleist. Der Zugführer Möhler wurde schwer verletzt, der Lokomotiv führer Knörschild und der Heizer Riedl I getötet. Von den Bediensteten find weitere 6 als leicht und von den Reisenden 13 al- leicht verletzt gemeldet. Die Verletzten wurden in Ingolstadt verbunden, mit den Frühzügen nach München transportiert, hier von einer Sanitätskolonne und drei Aerzten empfangen und in ihre Wohnungen oder in Hotels gebracht. x — Hannover. Kürzlich wurde berichtet, daß der verwqlter des Postamts in Seelze verhaftet sei, als der Veruntreuung amtlicher Gelder verdächtig. Nach den jetzt abgeschloffenen Untersuchungen beläuft sich die veruntreute Summe auf rund 1500 M. Dieser Fehlbetrag ist, was gleichfalls hinzugefügt werden mag, sofort durch die Familie de- Angeklagten gedeckt worden. — Wie weit die Frechheit der Fahrrad-Diebe geht, zeigt ein Vorkommnis in der Hallerstraße. Dort hatte ein Sohn des Restaurateurs R. aus der Schillerstraße sein Rad am Bordstein des Trottoirs ausgestellt und unterhielt sich, dicht dabei stehend, aber dem Rade den Rücken zuwendend, mit einem Bekannten. In diesem Augenblicke versuchte ein Dieb, ihm das Rad zu stehlen. Nur dem Umstande, daß der freche Geselle mit dem Freilaufrade nicht fertig werden konnte, ist es zu danken, daß ihm die Tat nicht gelang. Der nachsetzcnde R. holte ihn infolgedessen ein, verabfolgte ihm zunächst eine wohlverdiente Tracht Prügel und übergab ihn dann einem Schutzmann. — Paris. Der Förster Roy, der sich, wie seiner zeit gemeldet, seiner Verhaftung dadurch widersetzte, daß er sein Haus verbarrikadierte und auf die zu seiner Fest nahme abgesandten Polizeibeamten und Truppen feuerte, wobei ein Unteroffizier und ein Zivilist verwundet wurden, wurde zum Tode verurteilt. — London. Die Vergrößerungsarbeiteu der Waterloo- Station sind fast fertiggestellt und die feierliche Wieder- eröffnung der Station wird demnächst stattfinden. Die Station ist nach ihrem Umbau die größte Eisenbahnstation der Welt. Handel, Industrie und Verkehr. 8 Dresdner Preßhefen- und Kornspiritus- Fabrik (vorm. Bramsch). Der Aufsichtsrat der Ge sellschaft schlägt der demnächst einzuberufenden ordentlichen Generalversammlung eine Dividende von 10 Prozent (i. B. Zd/z Prozent) für das Geschäftsjahr 1904,05 vor. 8 Kanalisierung oder Regulierung der Elbe? Die von der Reichenberger Handelskammer be hufs Klärung der Ansichten über die Frage, ob die Elbe in der Strecke Melnik—Wegstädtl—Aussig zu kanalisieren oder zu regulieren sei, zu veranstaltende Enquete findet am 5. September dieses Jahres in Aussig statt. Der Enquete, an welcher auch Vertreter der Magdeburger Privatschiffer-Transportgenossenschaft teiluehmen werden, geht am 4. September eine Stromfahrt Prag—Aussig voraus, zu der die Vertreter aller Jnterefsenkreise geladen werden. 8 Dresdner Straßenbahn. Die Betriebseinnahme betrug in der Woche vom 30. Juli bis mit 5. August bei den eigenen Linien 115 627 M. 90 Pf. und seit dem 1. Januar 1905 3 128 497 M. 30 Pf. gegen 3 100 140 M. 90 Pf. im gleichen Zeiträume des Vorjahres, desgleichen Pachtlinie Lößnitzbahn 5894 M. 50 Pf. und seit dem 1. Januar 1905 159 060 M. 95 Pf. gegen 159 980 M. 5 Pf. im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Land- und Volkswirtschaftliches. — Auf dem Berliner Schlachtviehhofe standen am 5. August zum Verkauf: 3209 Rinder, 1193 Kälber, 10 511 Schafe, 8211 Schweine. Man zahlte für Rinder: Ochsen: 1. Ware 76—79, 2. Ware 71—75, 3. Ware 64—68, 4. Ware 60—62 M, Bullen: 1. Ware 71—75» 2. Ware 66—70, 3. Ware 58—62, Färsen und Kühe: 1. Ware , 2. Ware 61—64, 3. Ware 58—80, 4. Ware 54-58, 5. Ware 52—54; für Kälber: 1. Ware 84—88, 2. Ware 73—80, 3. Ware 56—66, 4. Ware (Fresser) 56—62 M.; für Schafe: 1. Ware 81—84, Wrivat-Bekanntmachungen - .Q Kostüme: Ircken- vlusen- fsssons: /4.12.1». 24. 30 et«. Nach langem schwerem Leiden verschied heute früh 10 Uhr unsere innig geliebte Mutter, k>»u,jo!llliliirlMl'O8iilvern. Melmer geb. vrkto, im 62. Lebensjahre. Dies zeigen im tiefsten Schmerze an Dresden und Deuben, am 5. August 1905. Die trauernden Hinterbliebenen. Die Beerdigung findet Dienstag den 8. August, nachmittags '/,3 Uhr, vom Trauerhause, Alt-Trachau Nr. 60, aus nach dem Pieschener Friedhof statt. Ein sauberes, anstäudiges Hausmädchen, nicht unter 19 Jahre, im Kochen und allen Hausarbeiten erfahren, zum 15. September nach Niedersedlitz bei Dresden gesucbt. Kost und Behandlung sehr gut. Lohn nach Uebereinkunft. Offerten unter Id. 48 an Rudolf Moste, Dresden erbeten. — /ru/- Z HL/r. -e/ nac/r VrLMcke/? Vrrme/r- /r/cZr4 ZirS/tÄWM