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Anlage und Ausstattung des Liebauer Kriegergrabes fallen völlig aus dem ört lichen Rahmen. Selbst im keltischen Süden - in Nordostbayern und Westböhmen, wo seine nächsten Parallelen liegen, - bezeugten sie eine hervorragende soziale Stel lung des Toten (vgl. Osterhaus 1969, S. 135, Abb. 1). Wie bereits angedeutet, lassen sich Zusammenhänge mit der nunmehr für diesen Zeitraum sicher bezeugten dritten Siedlung auf dem nahegelegenen Eisenberg vermuten. Deren Charakter ist freilich unbekannt. Mit Blick auf den Süden (Härke 1983, S. 465; Biel 1987, S. 145 ff.) erscheint jedenfalls das Modell der spätbronzezeitlichen Zcntralsiedlung („Volksburg“) nicht mehr ohne weiteres übertragbar. Vielmehr haben Schutzbedürf nis und Repräsentationsstreben einer sozialen Oberschicht, die wir nach dem Lieb auer Befund auch für das Vogtland voraussetzen müssen, die Anlage derartiger Bergsiedlungen bestimmt. Dem großräumigen Eisenberg könnten dennoch immer noch bevorzugt traditionelle Funktionen (etwa als Viehpferch, Speicherraum, Zu fluchtsort) zugekommen sein, während der ähnlich exponierte, aber wesentlich klei nere Viehhübel in unmittelbarer Nachbarschaft des Liebauer Hügels, mit den not wendigen Abstrichen den .Herrensitzen“ des Südens vergleichbar, die Wohnstatt des Machthabers und seiner Familie getragen hat. H. Kaufmann (1987, S. 14 f., 17 f.; 1988 b, S. 231) fügt diesem Bild ein wichtiges Element hinzu, wenn er die Liebauer Bestattung „auf die vorhandenen Bodenschätze“ in der Nachbarschaft, in Analogie zu den besser faßbaren Verhältnissen im Orlagau also „auf eine blü hende Bronzemetallurgie“ bezieht. Darauf wird zurückzukommen sein (Simon 1991). Besiedlungsgeschichtlich ist bedeutsam, daß Liebau als Zeitmarke keineswegs mehr so „vereinzelt“ dasteht und sich deshalb „eher mit einem kurzfristigen Vor stoß aus Nordostbayern verbinden“ läßt (Mildenberger 1972, S. 113), wie es nach dem Publikationsstand lange erscheinen mochte. Der lokalen Forschung waren spä testens mit der Entdeckung des Liebauer Grabes jedenfalls die Augen für man cherlei - teilweise schon lange bekannte - Funde etwa gleichen Alters geöffnet worden. Nunmehr stellt sich die späthallstatt-frühlatenezeitlichc Besiedlung des Vogtlandes nach den archäologischen Zeugnissen als mindestens ebenso intensiv wie die jungbronzezeitliche dar, zumal wenn man die unterschiedliche absolute Dauer berücksichtigt, die sie repräsentieren. 211 Noch Hallstatt- und schon Latne- zeitliches lassen sich im Einzelfall zwar oft nur tendenziell trennen, doch sind beide Abschnitte sicher vertreten. Daß wir nicht dem Fehler der kleinen Zahl aufsitzen, zeigt nicht zuletzt die Ausweitung der Besiedlung in Räume, die in der jüngeren Bronzezeit anscheinend noch nicht erfaßt waren (südöstlich und westlich von Plauen). Gleiches gilt für das thüringische Vogtland (Simon 1989, Abb. 4). Unter dem Eindruck des Liebauer Grabes schien es zunächst „erwiesen, daß das 211 Den Erkenntniszuwachs führt die steigende Anzahl bekannter ältereiscnzeitlicher Fundstellen im Vogtland vor Augen: zwei bei Pietsch 1924 b, S. 324 ff.; sieben bei Coblenz 1954 a, S. 387, 391 f„ bzw. 1956 a, S. 341; vier bei Karin Peschel 1962, S. 384 ff. (nur sächsischer Anteil), neun bei Simon 1970, S. 89 ff. (nur hallstättische Funde), nunmehr 16 (18) Fundstellen (sächsisches Vogtland), zu denen noch vier im thüringischen Vogtland kommen (Simon 1989).