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am häufigsten gelangte. Da dieses Spiel, wie es scheint, ge wöhnlich von erwachsenen jungen Leuten beiderlei Geschlechts gespielt wurde, so war es natürlich, daß mancher junge Mann bemüht war, den Ball möglichst immer demjenigen Mädchen zuzusenden, dessen Gunst er besaß oder zu gewinnen hoffte. Damit dieses nun aber auch wirklich in den Besitz des Balles gelangte, galt es den Anschein zu erwecken, als ob man ganz anderswohin werfen wollte, oder andere Kriegslisten ähnlicher Art anzuwenden. Denn die übrigen jungen Burschen und Mädchen gingen, wenn es sich um das Erhaschen des Balles handelte, namentlich auf dem Lande oft nichts weniger als rücksichtsvoll vor. Manches Mädchen wurde da einfach um gerannt, und manches andere mußte es sich gefallen lassen, daß ihm der aufgeraffte Ball von einem ungeschlachten Burschen wieder entrissen wurde. Derartige Roheiten lagen einmal im Charakter der damaligen Zeit, und wir werden später sehen, daß es bei dem Fußballspiel der romanischen Völker noch weit schlimmer zuzugehen pflegte*). Das eben geschilderte Spiel ist nun dasjenige, welches bei den mittelhochdeutschen Dichtern am häufigsten erwähnt und von zweien sogar ziemlich eingehend, wenn auch für ein klares Verständnis nicht ausreichend, beschrieben wird- Wo immer von dem Werfen deS Balles, seinem Hin- und tzerfliegen oder dem Durcheinanderlaufen der Spieler gesprochen wird, da ist dieses Spiel gemeint. Viel seltener ist daneben von einem Schlagen des Balles, das auf unser Schlagballspiel Hinweisen würde, die Rede, und nur einmal, bei dem Minnesänger Ulrich von Lichtenstein, finden wir den Namen „Schlagball" (sloipal) geradezu genannt. Das erscheint auf den ersten Blick etwas *) Weinhold hält das oben geschilderte Spiel in seinem Buche über „Die deutschen Frauen in dem Mittelalter" (1. Ausl. S. 378) irrtümlicher Weise für ein Parteispiel, und trotz der Un klarheit seiner Beschreibung hat das Guts Muths'sche Spiel buch sich ihm ohne Bedenken angeschlossen. Zettler beschränkt sich darauf, zahlreiche Stellen aus mittelalterlichen Dichtern an zuführen, in denen das Ballspiel erwähnt wird, ohne jedoch eine Erklärung der Spielweise zu versuchen. Was Heineken über die Spiele der Deutschen sagt, ist ganz wertlos, als leidenschaftlicher Verehrer des englischen Sports hat er es nicht für der Mühe wert gehalten, denselben irgend welche ernstere Beachtung zu schenken.