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Q)APIER-VERARBEITUNG B Buchgewerbe-^ Papierverarbeitungs-Berufsgenossenschaft Niederschrift der Genossenschaftsversammlung am 22. September 1917 im Reichstagsgebäude Der Vorsitzende, Herr Carl Rudolf Bergmann, eröffnet die Verhandlungen um 10% Uhr mit folgender Ansprache: „Dem deutschen Volke” — so lautet die Inschrift über der Ein gangshalle zu diesem hohen Hause, in dem ich die diesjährige Ge nossenschaftsversammlung unserer Berufsgenossenschaft eröffne — „dem deutschen Volke”: drei goldne Worte, die in goldenen Lettern über der Pforte zu diesem Hause prangen, knapp und kurz, aber mit tiefem Sinn und von hoher Bedeutung. Dem deutschen Volke sollen gelten Rat und Sorge, Tat und Arbeit derjenigen Männer, die vom deutschen Volke in den Reichstag gewählt und dazu berufen sind, über die Geschicke des deutschen Volkes zu beraten. Dem deut schen Volk gilt auch unsere Arbeit auf sozialem Gebiet, sie ist diktiert von den .Gesetzen, die in diesem Hause geschaffen sind, sie wird getragen von den besten und edelsten menschlichen Regungen. Wir wollen in dieser Stunde und in diesem Hause aufs neue geloben, auf diesem schönen und edlen Gebiet unsere Pflicht in vollstem Umfang zu tun nach dem Wahlspruch „Die Pflicht über alles” und nach den schönen Worten unseres großen Dichters: Edel sei der Mensch, hilfreich und gut”. Auf sozialem Gebiet sind wir Deutschen vorbildlich gewesen, und nicht zum wenigsten hat der Erfolg auf sozialem Gebiet dazu beigetragen, daß wir den Krieg so durchhalten konnten, wie es ge schehen ist. Aber dieser Erfolg hat andererseits auch dazu beige tragen, daß Haß und Mißgunst, Neid und Eifersucht unserer Feinde ständig gewachsen waren. Wir sind uns wohl im klaren darüber, daß unsere soziale Arbeit, wie überhaupt j ede deutsche soziale Arbeit die Vorbedingung für wirtschaftliche Erfolge ist. Nun richten wir den Blick dahin, wo noch gekämpft und ge stritten wird. Die Hoffnungen und Wünsche auf baldigen Frieden, denen wir im vergangenen Jahre Ausdruck gegeben haben, sind leider unerfüllt geblieben. Aber ich glaube, wenn wir diese Wünsche heute wiederholen, können wir damit rechnen, daß wir im nächsten Jahre die Erfüllung dieser Wünsche und Hoffnungen feststellen können. Die Friedenskundgebung des Reichstages und die Friedensnote des Papstes werden nicht ohne Wirkung bleiben. Die Antwort, welche die deutsche Regierung ei teilt hat, ist Ihnen heute bekannt geworden. In dieser Antwort heißt es, daß es der deutschen Regierung am Herzen liegt, im Einklang mit den Wünschen seiner Heiligkeit und der Friedenskundgebung des Reichstages vom 19. Juli dieses Jahres brauchbare Grundlagen für einen gerechten und dauerhaften Frieden zu finden. Die deutsche Regierung teilt die Auffassung, daß bestimmte Regeln und gewisse Sicherheiten für eine gleichzeitige und gegen seitige Begrenzung der Rüstungen zu Lande und zu Wasser und in der Luft sowie für die wahre Freiheit und Gemeinsamkeit der hohen See diejenigen Gegenstände darstellen, bei deren Behandlung der neue Geist, der künftig im Verhältnis der Staaten zueinander herrschen soll, den ersten verheißungsvollen Ausdruck finden müßte. Mit dieser Antwort ist aufs neue bewiesen, daß Deutschland den Frieden ernst lich will. 1 Ich bin mir aber vollständig darüber klar, daß Friedenskund gebungen und Friedenswünsche bei der Art unserer Feinde den Frieden nicht schaffen, daß es vielmehr in erster Reihe gilt, auf den Schlachtfel dern den Frieden endgiltig zu erkämpfen. Wir müssen durchhalten, und wir werden durchhalten. Wir, die wir zu Hause geblieben sind, wollen unsere Schuldigkeit tun. Wir wollen insbesondere in diesen Tagen zur Kriegsanleihe so viel als möglich zeichnen. Wir wollen weiter die Waffen und Rüstungen schmieden für unsere braven Kämp fer draußen. Wir wollen dankbar der Tapferen draußen gedenken und sie in jeder Weise zu unterstützen suchen. Die Erfolge, die wir in den drei Jahren des Krieges errungen haben, insbesondere die Erfolge des letzten Jahres, stärken unsere Kraft zum Durchhalten bis zum glücklichen Ende. Als wir das letzte Mal zusammen waren, tobte noch die Somme schlacht. Sie ist glücklich zu Ende geführt. Inzwischen hat der ver schärfte U-Boot-Krieg eingesetzt. Die Hoffnung ist begründet, daß die U-Boote das schnellere Ende des Krieges herbeiführen werden. Der Krieg mit Amerika ist gekommen. Auch Amerika hat Waffen und Rüstungen und Mannschaften herangeschafft, aber bisher ist es uns nicht gefährlich geworden. Die russische Offensive wurde abgeschlagen, Galizien und die Bukowina sind zurückerobert, die 11. Isonzoschlacht tobt noch, aber ihr glücklicher Ausgang ist sicher. Wir haben Riga’genommen, wir haben in Flandern unsere Linien gegenüber den gewaltigen Kraftanstrengungen der Engländer gehalten. Diese Erfolge erfüllen uns mit berechtigtem Stolz. Wir verdanken sie in erster Linie unserem Heere und unserer Flotte, in zweiter Linie dem deutschen Volke, und nicht zuletzt den deutschen Frauen, die auf wirtschaftlichem Gebiet mitgeholfen haben, wie es noch niemals in der Welt dagewesen ist. Wir gedenken, wie alljährlich in dieser Stunde der Toten, die ihr Leben hingegeben haben fürs Vaterland. Lassen Sie uns vor diesen Helden unser Haupt in Ehrfurcht senken und ihnen im Geiste für ihr Heldentum herzlichst danken. Wir gedenken auch der Kriegs beschädigten, denen wir besondere Fürsorge zu widmen haben. Der Friede wird kommen, ich hoffe bald. Wir brauchen einen Frieden, der uns das Recht auf Leben, Freiheit und Entwickelung sichert. Wie können wir diesen Frieden erreichen ? Dadurch, daß Heer und Flotte weiter treue Wacht halten draußen, und daß wir in der Heimat das tun, was für die Vorbereitung und Sicherung des Friedens notwendig ist. Wir wollen fest zusammenstehen, das Heer und das Volk, dann werden wir den Frieden erhalten, den wir brauchen, und wir haben die feste Zuversicht, daß wir einig bleiben werden. Um dieser Zuversicht Ausdruck zu geben, bitte ich Sie, sich zu erheben und auszurufen: „Kaiser, Heer und Volk, sie leben hoch!” (Die Anwesenden stimmen begeistert dreimal in den Ruf ein.) Dem Vorschlag des Vorsitzenden, dem Ehrenvorsitzenden Herrn Carl Hellriegel und dem durch Krankheit ferngehaltenen Senior des Genossenschaftsvorstandes, Herrn Geheimen Kommerzienrat Meißner, Leipzig, Begrüßungstelegramme zu übermitteln, stimmt die Versammlung zu. Die Niederschrift der Verhandlung wird dem Syndikus der Ge nossenschaft, Herrn Dr. Wiemer, übertragen. Nach Erledigung der teils üblichen, teils vorgeschriebenen Form sachen tritt die Versammlung in die Tagesordnung ein. I. Entgegennahme des Jahresberichts für das Jahr 1916. Der Jahresbericht ist den Mitgliedern der Berufsgenossenschaft gedruckt zugestellt. Das Wort'hierzu wird nicht verlangt. II. Prüfung und Abnahme der Jahresrechnung und der Ver mögensübersicht für das Jahr 1916. Herr I.. Loewenthal berichtet über die erfolgte Prüfung der Jahresrechnung und der Vermögens lage und die vorgenommene Kassenrevision. Herr L. Loewenthal beantragt, dem Vorstande Entlastung zu erteilen. Die Entlastung wird einstimmig beschlossen. Der Etat für das Jahr 1916 ist in Position 13 um 1995,30 M. überschritten worden. Diese Ueberschreitung wird genehmigt. Im ganzen ist der Etat nicht überschritten, vielmehr sind die Ausgaben um 36 035,15 M. hinter dem Voranschlag zurückgeblieben. III. Feststellung des Haushaltsplans für das Jahr 1918. Der Syndikus erläutert die einzelnen Positionen des Entwurfs. Der Haushaltsplan wird gemäß Anlage B genehmigt. IV. Wahl des Ausschusses zur Prüfung und Abnahme der Jahres rechnung (§ 16 der Satzung). In den Ausschuß zur Prüfung und Ab nahme der Jahresrechnung werden die Herren Blumenthal, Kres- lawsky, L. Loewenthal, als Ersatzmänner die Herren Bernhardt, Bunke, Wiederholz gewählt. Die Herren Blumenthal, L. Loewenthal, Bernhardt, Bunke nehmen die Wahl an. V. Beschlußfassung über den Entwurf des neuen Gefahrtarifs. Der Syndikus berichtet über die Vorarbeiten für den Entwurf des neuen Gefahrtarifs. Der Leiter der technischen Abteilung, Ober ingenieur Hütt, erläutert eine Reihe von Einzelheiten. Der Entwurf ist nach eingehenden Vorarbeiten von einem Ausschuß des Ge nossenschaftsvorstandes aufgestellt und vom Reichsversicherungsamt einer Vorprüfung unterzogen worden. Die Genossenschaftsversammlung beschließt einstimmig, dem Entwurf des neuen Gefahrtarifs in der vorgelegten Fassung zuzu stimmen. Weiter beschließt die Genossenschaftsversammlung, den Vorstand zu bevollmächtigen, über etwaige Aenderungen, die das Reichsversicherungsamt noch für erforderlich erachten sollte, selb ständig zu beschließen. VI. Verschiedenes. Das Wort hierzu wird nicht verlangt. Herr Konsul Heuser spricht dem Vorsitzenden für die Vor bereitung und Leitung der Genossenschaftsversammlung sowie dem Vorstande und der Beamtenschaft für ihre unermüdliche und erfolg reiche Arbeit unter lebhafter Zustimmung der anwesenden Vertreter warmen Dank aus. Der Vorsitzende erwidert mit herzlichen Dankesworten und schließt die Genossenschaftsversammlung mit dem Wunsche auf einen baldigen ehrenvollen Frieden. Schluß 11 % Uhr. Carl Rudolf Bergmann Böttiger