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28. Jahrgang- Sonntag, den 8. September 1901. Redaction und Expedition: Bahnstratze 3 (nahe dem K. Amtsgericht). Telegramm-Adresse: Anzeiger Hohenstein-Ernstthal. Der Bezugspreis beträgt vierteljährlich 1 Mk. 25 Pfg. incl. der illustrirten Sonntagsbeilage. Nr. 210. > Jnserlionsgebühren: die fünfgefpallene 12 Pfg-, AK..!?:, Dieies Blatt erscheint mit Ausnahme der Sonn- und Festtage täglich Nachmittags. — Zu beziehen durch die Expedition und deren Austräger, soivie alle Postanstalten. sii Hchfftmi-kinWü, AeünMtz, 8ersürs, Lugau, Wüstenbrand, Urspnmg, Mittelbach, Hermsdorf, Bernsdorf, Langenberg, Falken, Meinsdorf u. s- T a g e Ä g e f ch r ch t e. Deutsches Reich. Berlin, 6. Septbr. Ein schwerer Eiseubahnunfall ereignete sich aus der erst kürzlich eröffneten Bahnstrecke Liebenwalde-Reinickendorf. Der von Liebenwalde abge- lassene 3 Uhr-Nachmittogzug fuhr aus noch nicht aufge klärter Ursache auf einen im Bahnhofsterrain von Wen. sickendorf haltenden Güterzug auf. Bei dem Zusammen stöße erlitten der Lokomotivführer und der Zugführer so schwere Verletzungen, daß beide sofort nach einem Berliner Krankenhanse gebracht werden mußten. Ferner wurde eine Frau Schwertfeger aus Wensickendorf, welche auf dem Bahnkörper mit Abladen von Steinen beschäftigt war, innerlich schwer verletzt. Auch vier Wagen wurden bei dem Zusammenprall erheblich beschädigt, unter anderen der Postwagen mit seinem Inhalt fast vollständig. Die Untersuchung über die Ursache des Unfalles ist einge- leitet. — Neue Reichssteuern? In der Presse wird gegenwärtig die Lage der Reichsfinanzen in den Kreis der Erörterung gezogen und deren Reformbedürftigkeit hervorgehoben. Die „Natlib. Corr." schreibt nun zu dieser Folgendes: Es läßt sich leider voraussehen, daß die Einnahmen und Ausgaben im nächsten Reichshaus, haltrvoranschlage in keiner Weise in dem Verhältnisse stehen werden, das vom Standpunkt des guten Haus vaters als ein erwünschtes betrachtet werden darf. Doch ist es, wie wir hören, nicht zutreffend, daß bereits jetzt schon mit der Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit zu rechnen sei, oder gar als bereits sicher angesehen werden könne, daß als neuer Steuervorschlag die Tabaksteuer in Betracht kommen könne. Es haben derartige Erwäg ungen im Bereiche der Reichsverwaltung überhaupt noch nicht stattgesunden. — Nichts kann deutlicher zeigen, wie sehr wir bei unseren Handelsbeziehungen zu den Vereinigten Staaten in's Hintertreffen gerathen, als folgende Zahlen. 1900 führte Deutschland aus Nordamerika Baumwolle im Werlhe von rund 265000000 Mk. ein. 1890 be zifferte sich diese Einfuhr noch auf 141000000 Mark; sie ist also in zehn Jahren um nicht weniger als 124000000 Mk., oder um 88 Prozent, gestiegen. In der nämlichen Zeit sank aber die deutsche Ausfuhr von Webstofferzeugmssen und Kleiderwaaren nach den Ver einigten Staaten von 195000000 Mk. auf 105000000 Mk., also um 90000000 Mk. oder um etwa 46 Proz. Während 1890 diese unsere Ausfuhr noch größer war, als die Einfuhr von Baumwolle, trat schon ein Jahr darauf das umgekehrte Verhältniß ein; in einem einzigen Jahre verminderte sich unsere Ausfuhr von Webstoffer zeugnissen und Kleiderwaaren nach den Vereinigten Staaten um 66000000 Mk. Das war die Wirkung der verändertern Zollpolitik der Vereinigten Staaten, der Mac Kinley-Bill. Auch nach dem Inkrafttreten des Dingley-Tarif« trat, 1897, wieder ein sehr starker Rück gang dieser unserer Ausfuhr, besonders in Wollwaarrn, ein. So leiden unser Handel und unser Gewerbe unter der Zollpolitik der Amerikaner! — Eine Localcorrespondenz verbreitet über die an geblich neue Spur in Sachen des Krosigk-Mordes folgende Mittheilungeu: Am Mordtage habe gegen vier Uhr Nachmittags ein Mann in einem Restaurant Gegen stände zur Verwahrung aufgegeben, der unter einem Milttärmantel mit Mütze Civilkletdung trug. Kurz nach der Mordthat kam der Mann zurück und entfernte sich schnell. Gegenüber den im Prozesse gefallenen Behaup- tungen, daß am Mordtage Civilpersonen nicht in der Kaserne gewesen seien, haben sich Civilistcn gemeldet, welche bezeugen, daß sie an dem Nachmittag des Mordes in der Kaserne in der Nähe der Reitbahn zu thun hatten. Marten konnte vor seiner Ueberführung nach Danzig von seinem Vater Abschied nehmen, wobei cr unter Thränen seine Unschuld betheuecte. — Zum Schutze deutschen Eigenthums während der kriegerischen Wirren in Venezuela und Columbien ist seit Ende August der große Kreuzer „Vinela" in La Guayra stationirt. Außerdem treffen in den dortigen Gewässern das Schulschiff „Stein" Ende September und da« Schulschiff „Moltke" Mitte November ein. Haben diese beiden Schiffe auch keinen Gefechtswerlh mehr, so können sie doch stärkere Landungrcorps abgeben und so die „Bineta" bei ihrem Vorgehen unterstützen. Im Ganzen zählen die drei Schiffe 1340 Mann Besatzung. Hoffentlich brauchen unsere Streitkräfte überhaupt nicht einzugreifen. — Der Wegzug aus den großen Städten wächst und der Zuzug mindert sich. In Berlin wurden für die sechs Monate Januar bis Juni l901 als zugezogen gemeldet rund 107 300 Personen gegen 113 400 Personen im Jahre 1900, während im gleichen Zeiträume als fortgezogen abgemeldet waren rund 99 800 Personen gegen 91 000 im Jahre 1900. Der Grund für diese Erscheinung ist indem wirthschaftlichen Niedergang zu suchen. Eine nothwendige Folge dieser Erscheinung wird nun die allmählich wieder zunehmende Bevölkerung des platten Landes sein. — An die Bahnhofswirthe hat der preußische Eisenbahnminister die Weisung ergehen lassen, daß sie fortan die Wartesäle ständig mit frischem Trinkwasser und Gläsern versehen sollen, zu freiem Gebrauch für die Reisenden. Ferner haben sie an sämmtlichen Zügen frisches Trinkwasser gegen eine Entschädigung von fünf Pfennigen für das Glas zu verabreichen. Frankreich — Die Pariser Sicherheitsbchördc ist aus Petersburg benachrichtigt worden, daß Nihilisten und Anarchisten seit einigen Tagen aus Rußland verschwunden sind. In dieser Angelegenheit findet augenblicklich ein reger Depeschenwechsel zwischen Petersburg und Paris statt. Auch aus mehreren französischen Provinzstädten sind Polizeidirektoren nach Paris gekommen, um nach zuforschen, ob als Anarchisten bekannte Personen, die aus Marseille nach Toulon verschwunden sind, sich nach Dünkirchen, Rheims oder Campiögne begeben haben. Amerika. Buffalo, 5. September. Präsident Mac Kinley hielt heute in d:r panamerikanischen Ausstellung eine Rede, in welcher er zunächst auf das ohne Beispiel da stehende Gedeihen der Vereinigten Staaten hinwies. Unsere Produktionsfähigkeit, sagte er dann weiter, hat sich so außerordentlich entwickelt, unsere Produkte sind so zahlreich, daß die Aufgabe, uns mehr Märkte zu verschaffen, dringende Aufmerksamkeit erheischt. Wir müssen uns nicht auf die eingebildete Sicherheit ver lassen, daß wir für immer alles verkaufen, wenig oder gar nichts kaufen können. Wir sollten von unseren Kunden diejenigen Produkte nehmen, die wir, ohne unsere Industrie und Arbeit zu schädigen, benutzen können. Reziprozität ist die natürliche Folge unserer industriellen Entwickelung, die unter der einheimischen Politik jetzt auf eine feste Grundlage gestellt ist. Was wir über unseren heimischen Verbrauch hinaus produziren, sollten wir ins Ausland senden. Die Periode der wirthschaftlichen Abgeschlossenheit gehört der Vergangen heit an, die Ausdehnung unseres Handels ist ein dringendes Problem geworden. Wir haben einen un genügenden Dampfschiffsverkehr. Es sollte direkte Linie von der Ostküste der Vereinigten Staaten nach Süd amerika geben. Eines d-r Erfordernisse der Zeil sind Dampfschifflinien nach den Absatzgebieten, die bis jetzt wenig angelaufen werden. Wir müssen unsere Handels marine ermuthigen, wir müssen mehr Schiffe unter amerikanischen Flaggen haben, die von Amerikanern gebaut und bemannt werden und Amerikanttn gch" Wir müssen den Jsthmuskanal bauen D,e Legung eines Pacifickabels kann nicht länger Telegr.). Der Krieg in Südafrika. - .z - Die kleinen Niederlagen »er Cngia mehren sich, ihre Siege über die Buren E s Trotzdem bleiben die Briten bei »hrer S g S und denken, den Krieg in 8 Tagen, ann 15. p zu beendigen. Wie sie das anfangen wollen, läufig ein Geheimniß. Soweit slAbw V h beurtheilen lassen, scheint mehr Aussicht dafür z s > daß am bevorstehenden 11. Oktober der dann z I andauernde Krieg ohne eine erhebliche Besserung f Engländer in sein dritte» Jahr eintreten wird. — Nirgends ist es den Engländern gelungen bisher in der Kapkolonie, etwas Ernstliches gegen überall umherstreifenden Burentrupps auszurichten. Matierfontein wird vom Mittwoch berichtet: Scheep Kommando, das noch immer von Oberst Alexander „v - folgt" wird, hat sich nach Norden gewandt. ES yar anscheinend den Zug in die südlichen Distrikte der Kap kolonie aufgegeben, da Scheepers unter den burenfreunv- lichen Afrikandern nicht erwartete Unterstützung gefunden hat. — Therons Kommando, welches in Verbindung mit demjenigen Scheepers operirt, wurde von 250 Mann Lokal- und Kolonialtruppen angegriffen und er litt geringe Verluste. — Wahrscheinlich haben die Eng länder größere Verluste erlitten, die natürlich verschwiegen werden. — Die Kinderkleider von Waterval. Der Correspondent des „Daily Telegraph" sendet von Pretoria einen langen Bericht über das „Unglück" bei Waterval. Die Buren hätten, nachdem der Zug zum Entgleisen gebracht wäre, die Frauen und Kinder ihrer Kleidungsstücke beraubt und ein Kindermädchen, das im Zuge war, absichtlich erschossen. Einem Officier hätten sie Photographien und Uhr weggenommen, aber die Uhr zurückgegeben, als sie hörten, es sei ein altes An denken. Nachdem der Zug in Brand gesteckt, hätten die Buren niedergekniet und gebetet. Der Bericht, der genug Lügen enthält, um die Engländer gegen die Buren als Mörder aufzustacheln, ist natürlich von Pretoria aus geschrieben und zwar nach den üblichen Erzählungen, die im Umlauf waren. Die Buren müßten wahnsinnig sein, wenn sie die Kinderkleidungsstücke den Kindern im Zuge trotz Bitten und Flehen der Mütter wegnehmen würden. Es entspricht auch so wenig dem Burencharakter, Frauen und Kinder in irgend einer Weise zu belästigen, daß man nur annehmen kann, daß Burleigh seinen vielen Fabeln eine neue hinzufügt. Man sucht jedenfalls nach Gründen für strengere Maßregeln zum 15. September und die werden pflichtschuldigst von der Jingopresse geliefert, die gegenseitig wetteifern, um Chamberlein Handlangerdienste zu thun. Der Krieg in China. — Aus Yokohama wird gemeldet: Die chinesische Sühnemission ist in Tokio eingetroffen; ein Empfang fand nicht statt: die Mission begab sich direct ins Hotel Locales. - Eine interessante Schaustellung kann in den nächsten Tagen in der „Altdeutschen Trinkstube" be sichtigt werden. Der Erfinder, Herr Otto Barth bat daselbst ein Modell ausgestellt, das eine Zukunftsbahn veranschaulichen soll, wie im Bahnbetriebe das Aus nehmen von Passagieren möglich ist, ohne den rinn halten zu lassen. Crimmitschau. Mittwoch nachmittag in der 5 Stunde gerieth der Güterbodenhilfsarbeiter Karl Meier von hier mit beiden Füßen unter einen im NanAen