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Hchenßm-ErOhaltt Anzeiger Tageblatt ftr HoheBtia-ßnMal, MlWNtz, Gersdorf, Ärgau, Wüstenbrand, Urf'pnm^ Bernsdorf, Langenberg, Falken n. s. w. Nr. 210. Sonntag, den 8. September 1901. Beilage. Crispis Begegnungen mit Bismarck. Wie Heinrich von Poschinger mittheilt, hat Horst Kohl in den Bismarck-Registern das genaue Dalum der ersten Begegnung Bismarcks mit Crispi nicht angegeben. Es ist der 17. September 1877. Crispi äußerte sich darüber folgendermaßen: Bismarck war ehrlich und aufrichtig, und Feind aller Verstellung. Ich nahm die Gelegenheit wahr, da er jede« Jahr nach Gastein in's Bad reiste, u.ick ebenfalls dorthin zu begebe». Ich machte einmal im Scherze die Bemerkung, er liebe dieses öster reichische Lan zu sehr, um es nicht bei nächster Gelegen heit dem Deutschen Reicks einzuverleiben. „N^in, S'e täuschen sich — antwortete er —, wir Haden schon ge nug Katholiken und wollen nicht noch mehr." Viele vergleichen Bismarcks Werk mit dem Cavours. Das ist ein Jrrthvm. Die italienische Einheit ist zumeist das Werk des Volkes mit Garibaldi an der Spitze, Cavour hat es nur diplomatisch gesichert. Bismarck hatte einen großen Verstand und ein sehr edles Herz, aber seine Feinde stellten ihn dar als einen harten Mann und Heuchler. Nichts ist falscher. Er sagte stets die Wahr heit und behauptete, das sei immer die beste Politik." .. Aus den Unterredungen, die Bismarck in Friedrichs- ruh anläßlich des Besuches Crispis am 1., 2. und 3. Oktober 1887 mit dem damaligen italienischen Minister präsidenten hatte, sei Folgendes mitgetheilt. „Bismarck erkundigte sich mit Interesse nach dem Befinden des italienischen Königspaares. Dann fragte er: „Und General Cncchi, wie geht es ihm?" Crispi berichtigte den seinem Freunde gegebenen Titel General. Er fügte hinzu, Cucchi würde sich vortrefflich befinden, wenn er nicht von Zeit zu Zeit noch Schmerzen von der Wunde an der Schulter fühlte, die er am 27. Mai 1860 em pfing, als er in Palermo eindrang. Die Unterhaltung wandte sich den internationalen Verträgen zu. „Was bleibt von den Verträgen 1815? Nicht« mehr! Und was mich betrifft — sagte Bismarck —, so habe ich einiges dazu beigetragen, sie vollends zu vernichten." „Und der Vertrag von 1878 — sagte Crispi —, der Berliner Vertrag selbst, hat er nicht schon einige Riffe erfahren? Ist er nicht schon in Fetzen?" „Ja, — sagte Bismarck —, aber indem man diese Fetzen bewahrt, rettet man den Frieden". Um die Erhaltung des Friedens bewegte sich auch das Gespräch beim Frühstück am 2. Oktober. Nach Tische hatte Crispi einige Worte in da« Album der Fürstin geschrieben — einige Worte, die eine Anspielung auf die patriotischen Gesinnungen des Fürsten und den Ausdruck des Wunsches nach Frieden enthalten. Die Fürstin las die Worte mit lauter Stimme. Darauf sagte Bismarck: „Wir haben genug durch den Krieg ausgerichtet. Lasten Sie uns jetzt durch den Frieden handeln, und lasten Sie uns in Uebereinstimmung handeln!" Nach der Spazierfahrt sprach man von Ar- beit, von Arbeitsfähigkeit und von Ausdauer bei der Arbeit. Crispi sagte: „Eure Durchlaucht sind einer der größten Arbeiter, die man kennt." „Ja — antwortete Bismarck —, es gab eine Zeit, wo ich 12, 14, 16 Stunden am Tage arbeitete. Ich habe es bis zu 18 Stunden gebracht. Aber das sind Anleihen von Kraft mit Wucherzinsen auf das Alter. Jetzt arbeite ich nur 3 bis 4 Stunden. Schweninger verbietet mir, länger zu arbeiten." Bei dem Diner kam das Gespräch auf Napoleon III. Bismarck meinte, Napoleon sei kein schlechter Mensch gewesen; er wollte das Gute. . . Darauf bemerkte Crispi, daß er keinen festen Willen gehabt, daß seine Politik zugleich „über legt und chimärisch, verwickelt und naiv war"; indem er sür das Gute zu arbeiten glaubte, knebelte er die Freiheit in Frankreich und hielt Europa 20 Jahre unter Drohung unbestimmter und schlecht definirter Ab sichten ; indem er e» erheben wollte, führte er sein Land zu Katastrophen und zum Ruin. „Er war unwissend, — fuhr Bismarck fort —, ich habe dies nicht ohne Ueberraschung gemerkt, denn er war in einem deutschen Lyceum erzogen worden, und die Studien in Deutsch, land waren zu seiner Zett schon gut geleitet und gründ lich. Er kannte die Geschichte schlecht, mit Ausnahme der Geschichte des ersten Kaiserreiches, und auch diese nur nach seiner Art, d. h. vom Gesichtspunkte der Ver herrlichung des ersten Napoleon und der Vorbereitung einer Wiederherstellung des Kaiserreiche». Er war in der Geographie und Statistik schlecht bewandert. Man hat seinem Verstände zu viel und seinem Herzen nicht genug Ehre erwiesen." Der zweite Besuch Crispis in Friedrichsruh fand am 21. August 1888 statt. Oertliches und Gächfifches. Hohenstein-Ernstthal, den 7. September. — Für die nächste Zeit lautet die Falb'sche Prognose: 11. bis 18. September in Folge der vor ausgegangenen Ausscheidung großer Mengen Wasser dampf aus der Atmosphäre wird es jetzt trocken. Der kritische Termin vom 12. macht sich daher nur an den südlichen und westlichen Küsten bemerkbar. Die Temperatur liegt verhältnißmäßig niedrig. Vom 19. bis 23. Sept. Es treten starke und ausgebreilete Niederschläge em. Die Temperatur hält sich niedrig. — Zur Regelung dcs Verfahrens bei der Einhebung von Steuerrückständen der zum Militär einbe- rufenen Personen und um die Anrufung der Militär behörde zum Zwecke der Erlegung eventueller Rückstände an directen Staatssteuern, Landrenten und sonstigen durch die Organe der Steuerverwaltung einzuhebenden Staats- und Gemeindeabgaben zu vermeiden, hat das Königl. Finanzministerium Anordnung dahin ertheilt, wenn irgend möglich, diese Rückstände vor der Einstell ung zum Militär einzuziehen. Die in diesem Jahre einberufenen Militärpflichtigen seien daher, um die sehr unliebsame Einziehung etwaiger Steuerrückstände durch das Regiment zu vermeiden, darauf aufmerksam gemacht, daß die bis zum Eintreffen fälligen Steuern noch zu entrichten sind Zahlungsunfähige werden durch Ein reichung eines Erlaßgesuches den Zweck des Steuererlasses erreichen. Die Staatseinkommensteuer aller Beitrags pflichtigen kann in den meisten Fällen — jedoch wieder nur aus Anlangen — vom Monat Oktober ab in Weg fall verschrieben werden. Dieser Antrag ist mündlich bei der betreffenden Einhebungsstelle anzubringcn. — Aus dem Erzgebirge schreibt man: In aus wärtigen Zeitungen finden sich oft Notizen aus unserem Erzgebirge, die ihm mehr schaden als nützen. So ging in den letzten Tagen die Mittheilung durch verschiedene Blätter, daß die Temperatur in unserem Erzgebirge bedeutend gefallen und daß z. B. auf dem Keilberge nur noch 1 Grad Wärme gemessen worden sei. Auch wohl anderwärts werden jetzt zu gewissen Zeiten als Minima nur dieselben Temperaturgrade gemessen worden sein wie in unserem Erzgebirge. Dadurch, daß man gerade von hier aus den gesunkenen Temperatur stand meldet, erweckt man bei Nichtkennern unseres herrlichen Gebirges nur allzu leicht den früher irrthüm- lich gepflegten Gedanken an ein sächsisches Sibirien und verleidet den Fremden den Besuch zur Herbstzeit, der in unserem Gebirge, wo das Laub an Bäumen und Sträuchern länger seine saftig grüne Farbe erhält als im Niederlande, seinen besonderen Reiz hat. Gerade im Herbst entfaltet das Gebirge seine ganze Schönheit. Wer jetzt die Berge besucht, verliert wohl am Abend zwei Stunden, um welche die Sonne zeitiger untergeht, aber dieser Verlust wird reich wieder emgebracht durch den belebenden Einfluß der frischeren, reineren Luft und durch die Genüsse, die ihre durchsichtige Klarheit dem Auge erschließt. Wie viele Touristen klettern im Sommer keuchend und schwitzend stundenlang einen Berg hinan und bekommen oben nichts weiter zu sehen als ein dichtes Nebelmeer! Der Tourist jedoch, der im Spätsommer seinen Wanderstab flott macht, bat solche Mißerfolge im Erschauen der grandiosen Natur weniger zu befürchten. Noch frisch und rüstig langt er auf dem Berggipfel an und genießt mit Entzücken die herrliche Aussicht, die ihm kein Nebel und Dunst schleier verhüllt. Darum findet man auch viele leiden schaftliche Gebirgswanderer gerade zu dieser Zeit auf der Reise. Eine solche ist auch in unserem Erzgebirge jetzt sehr lohnend Glauchau. Am Sonntag Nachmittag fand hier eine Zusammenkunft von Vertretern der Weber- Innungen von Hohenstein-Ernstthal, Lichtenstein, Calln- berg, Meerane, Glauchau und deren Umgebung statt. Zweck der Zusammenkunft war die Berathung eines An trages an die Handelskammer Chemnitz, eine Einschränk ung der weiblichen Arbeitskräfte in der Textilindustrie anzustreben und mehr als bisher die gelernten Weber zu berücksichtigen. Den Antragstellern, die sich in der Hauptsache aus jenen Orten rekrutirten, in denen die mechanische Weberei wenig oder gar keinen Eingang ge funden hat, wurde jedoch klar gemacht, daß dieser Prozeß nicht aufzuhalten sei. Das Prädikat „Webermeister" habe heute gar keine Bedeutung mehr. Der Meister sei eben nichts anderes, wie jeder andere Arbeiter. Daher komme es auch, daß in den letzten Jahren wenig oder gar keine Lehrlinge mehr aufgedingt worden seien. Mit der gelernten Weberschaft sei es demnach bald am Ende. Wolle man etwas Positives schaffen, dann gäbe es nur den einen Weg, sich zu organisiren. Vor allen Dingen sollte man dem Textilarbeiter-Verbande mit etwas mehr Vertrauen entgegenkommen. Es wurde die Absendung einer Petition folgenden Inhalts beschlossen: An die Königl. Sachs. Gcwcrbckammer zu Chemnitz. Nack Neuorganisation des Jnnungswesens vom Jahre 1899 haben unterzeichnete Innungen durch Ver folgung der Jahresberichte der Königl. Gewerbekammer herausgefunden, daß dieselbe dem Handwerk sympathisch gegenübersteht und gern bereit ist, zur Abstellung etwaiger Uebelstände die Hand zu bieten. Hierauf Bezug nehmend, erlauben sich unterzeichnete Innungen an die Königliche Gewerbekammer mit der Bitte heranzutreten, dieselbe wolle möglichst an kompetenter Stelle ihren ganzen Einfluß dahin geltend machen, daß die Frauen- und Mädchenarbeit auf mechanischen Web stühlen eingeschränkt und an dessen Stelle praktisch gelernter Weber Anstellung finden. Zur Begründung unserer Bitte führen wir folgende aus unserem Gewerbe herausgefundenen Uebelstände an: Nachdem der Weberlehrling drei Jahre praktisch erlernt, auch seine Fachschule ordnungsgemäß besucht und sich hierdurch den Befähigungsnachweis eines tüchtigen Handwerksgesellen errungen hat, steht ihm eine ganz hoffnungslose Zukunft in Aussicht, da die Hausindustrie der Weberei erfahrungsgemäß vollständig von den mechanischen Fabriken verdrängt wird. Das Verhältniß von weiblichen Personen auf mechanischen Wcbstühlen ist, unseren Jnnungsgesetzen anpassend, ein entgegengesetztes. Dieselben werden von einem Stuhlmeister 8—14 Tage angewiesen und be aufsichtigt und haben dann ihre Lehrzeit schon hinter sich, während der Lehrling drei Jahre ohne Verdienst ist und auch noch Schulspesen und andere Opfer auf- zubrinqen hat. Der Frauenarbeit stehen in mechanischen Fabriken große Schwierigkeiten entgegen. Die Fabrikarbeiterin muß als Mutter bei der kältesten Jahreszeit die Kinder, und seien sie noch so klein, aus dem Schlaf reißen, um sie entweder bei befreundeten Familien oder in öffentlichen Anstalten unterzubringen, damit die Mutter der Fabrikordnung allenthalben nachkommen kann. Dieses sind Zustände, welche das Wohl der Arbeiterfamilien, sowie die Erzieher der Kinder schädigen und doch zieht man immernoch vor, Frauen statt Männer auf mechanischen Stühlen einzustellen, was die Arbeitslosigkeit praktisch gelernter Weber zur Folge hat. Indem wir der Königlichen Gewerbekammer die Schattenseiten dieses Verhältnisses klar gelegt, geben wir uns der Hoffnung hin, daß Höchstdieselbe unsere Bitte in Erwägung zieht und dieselbe ihrer Erfüll ung entgegenführt. Mit besonderer Hochachtung und Ergebenheit pp. pp. Dresden. Gestern ist in Radebeul nach kurzem, aber schwerem Leiden Herr Generalmajor z. D. Karl Adolf Lommatzsch im 69. Lebensjahre gestorben. Der Entschlafene befehligte bis zum Februar 1889 die 5. Infanterie-Brigade Nr. 63 und nahm alsdann seine Entlassung. Vorher war er Oberst und Kommandeur des 10. Infanterie-Regiments Nr. 134 in Leipzig ge wesen. In dem deutsch-französischen Kriege zeichnete er sich als Hauptmann ruhmreich aus und erwarb sich das eiserne Kreuz 2. Klasse. Dresden, 6. September. Gegen die Wahl des ehemaligen Vicevorstehers des Stadtverordnetencollegiums Baumeister Hartwig hatte s. Zt. der Vorstand des MiethbewohnervereinS Protest erhoben, sowie gegen die Giltigkeit des gesammten Wahlverfahrcns Beschwerde geführt. Auch hatte er gegen die diesbez. Entschließung deS Rathes Recurs erhoben. Die Kgl. Kreishaupt mannschaft hat nun in beiden Fällen in ablehnendem Sinne entschieden. Einen ausreichenden Grund zur Beanstandung des Wahlverfahrens habe sie nicht ge sunden und die Verbreitung von Vcxirlisten vor der Wahl habe einen entscheidenen Einfluß auf das Wahl ergebniß nicht gehabt. Das Königl. Oberverwaltungs gericht hat die Anfechtungsklage ebenfalls abgcwiesen. — Internationale Kunstausstellnng Dresden 1901.^- Die Ankäufe für die Lotterie sind nunmehr