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begriffenen Güterwagen, wodurch dem Manne, der verheirathet ist, beide Füße derart überfahren wurden, daß ihm dieselben abgenommen werden müssen. Der Verunglückte wurde zunächst in seine Wohnung gebracht. Das Schreien des Bedauernswerthen war gräßlich anzuhören. Vermischtes. * Ein „feines Geschäft" hatte dieser Tage ein Gasthofsbesitzer in Pirna zu verzeichnen. Mit herz haftem „Tut! Tut!" kam stolz ein Selbstfahrer qnge- blitzt und in den Hof eingefahren. Dem Gefährt ent stiegen einige Herren, welche dasselbe dem Hausdiener zur Obhut überwiesen, um dann in die Gaststube — nicht doch, in die innere Stadt zu gehen und dort nach glücklich überstandener Fahrt die nöthige leibliche Stärk ung vorzunehmen. War hiervon der Gasthofsbesitzer schon nicht besonders angenehm berührt, so kann man leicht begreifen, wenn sein Unwille sich noch bedeutend steigerte, als die Herren sofort nach ihrer Rückkehr in den Gasthof ihre Blitzkutsche wieder bestiegen und ohne das Geringste zurückgelassen zu haben, wieder davon fuhren — doch halt, etwas hatten sie dem verdutzt drein schauenden Hausdiener vermacht: eine Nase voll lieb lichen Geruches aus dem Motor! * Ein eigenartiger Streik bildete vor kurzem in Roßlau (Anhalt) das allgemeine Gesprächsthema: Es streikten nämlich die — Waschfrauen! In aller Stille — und das will doch schon viel sagen — hatten sie sich „vorzüglich organisirt", und eines schönen Tages überraschten sie die Hausfrauen durch ein Inserat mit der Ankündigung, daß sie unter einem Mindestlohn von 1 Mk. 25 Pfg. für den Tag „keinen Finger mehr naß machen würden." Hoch ist die Forderung zwar nicht, und die Hausfrauen Roßlaus erfüllten sie auch, aber unter einer Bedingung, die sie in folgender Entgegnung zum Ausdruck brachten: „Auf die Annonce und die Forderung der hiesigen Waschfrauen, daß selbige neben der Beköstigung nicht mehr unter I Mk. 25 Pfg. pro Tag waschen wollen, haben wir uns entschlossen, diesen Lohn zu zahlen, verlangen aber dringend, daß auf unsere Bereitwilligkeit hin sich auch keine Waschfrau mehr erlaubt, eigene Wäsche ihres Hausstandes mitzu bringen und mit unserer Seife und in der von uns bezahlten Arbeitszeit zu waschen. Viele Hausfrauen Roßlaus." — Inzwischen scheint dieser „Waschfrauen streik" zur allgemeinen Zufriedenheit beigelegt worden zu sein. * Eine Erinnerung aus der für Deutschland so traurigen Zeit der napoleonischen Gewaltherrschaft weckt der 1. September für die Wartburgstadt Eisenach, nämlich an jene furchtbare Pulver-Explosion, welche im Jahre 1810 durch drei mit Pulver, Granaten und Bomben beladene und in Brand gekommene französische Transportwagen hervorgerufen wurde. Furchtbar über alle Beschreibung waren die Wirkungen der Explosion, und ihren Druck verstärkte noch die Lage der Stadt zwischen Bergen und Anhöhen. Sieben Stunden weit, in Gotha, sah man den Blitz, der für einen Augenblick das Dunkel der Nacht erhellte und dann in einer schwarzen Dampfwolke verschwand. Ein furchtbares Donnerkrachen hallte dumpf weithin über den Thüringer wald. 28 Häuser der Georgenstraße wurden zertrümmert und ein Raub der Flammen, und die unglücklichen Bewohner, zu Asche verbrannt, sandenden entsetzlichsten Tod. Nicht nur in der Nähe der betroffenen Straße, sondern auch in dem größten Theil der ganzen Stadt stürzte der gewaltige Druck der Luft viele Menschen zu Boden. 47 Menschen verloren in dem Augenblick der Explosion ihr Leben, viele starben an den erhaltenen Wunden und nicht klein war auch die Zahl derer, die, auf mannigfache Weise verstümmelt, an den Folgen der Beschädigung zeitlebens zu leiden hatten. Der Schaden wurde auf 150 000 Thaler geschätzt. Kaiser Napoleon übermittelte der schwergeprüften Stadt ein Gnadengeschenk von 32 484 Thalern. Der vor 83 Jahren am 3. September errichtete „Schwarze Brunnen" wurde als Erinnerungsdenkmal an jenes furchtbare Ereignis; erbaut. * Das erwartete „frohe Ercignik" im Hause der Königin Wilhelmina zieht schon jetzt die Aufmerksam keit von ganz Holland auf sich. Jede Frau in Holland sieht dem kommenden Ereigniß mit ebenso großer Theilnahme entgegen, als wenn es im Hause ihrer eigenen Schwester oder Tochter vor sich gehen sollte. Wie gewöhnlich in solchen Fällen ist es der allgemeine Wunsch, daß das Kind ein Knabe sein möge. Die meisten Königinnen und Prinzessinnen in Enropv sind augenblicklich damit beschäftigt, irgendeinen Gegenstand für die Kinderausstattung vorzubereiten. Beinahe alle verzieren ihre Gaben mit blauem Band, da dies die für die Knaben angemessene Farbe ist. Noch geschäftiger als die Königinnen und Prinzessinnen sind die guten Frauen Hollands. Ueberall werden fleißig kleine Kleider, Nachtröckchen, Bezüge usw. genäht. Die führenden Frauen jeder holländischen Stadt wollen irgend etwas zur Ausstattung beisteuern. Die Frauen von Amsterdam werden zum Beispiel ein holländisches Leinenmützchen überreichen, das mit Perlen und Diamanten besetzt wird; ein feiner Streifen blauen Bandes ringsum soll anzeigen, daß der Träger ein König, nicht blos eine Prinzessin sein wird. Eins der hübschesten Geschenke ist das Kissen, das die Frauen der holländischen Minister Herstellen. Sofort nach der Geburt wird das Kind auf dieses Kissen und das Kissen auf ein silbernes Präsentirbrett gelegt werden. So wird es den Ministern überreicht, die sein Geschlecht und daß es ein echtes Glied der königlichen Familie ist, bezeugen müssen. Ein schönes Taufkleid ist das Geschenk der Frauen in Haag; es wird von weißer Seide sein und Diamantknöpfe haben. Eine prächtige Wiege von getriebenem Silber wird die Gabe der Damen des holländischen Adels sein. Ein lebensgroßer Enge schwebt am Kopfende über der Wiege, und am Fuß ende befindet sich ein Kind in derselben Größe. Die Seiten sind mit den Wappen von Holland und Mecklenburg-Schwerin verziert. * 130 Jahre Altersunterschied zwischen zwei Brüdern. In Paris hatte sich vor einer Strafgerichts kammer ein silberhaariger Greis wegen eines gering fügigen Vergehens zu verantworten. „Haben Sie An- qehöckge?" fragte ihn der Vorsitzende. — „Nein, meine Eltern find längst todt und mein einziger Bruder ist gleichfalls bereits vor 130 Jahren gestorben," erimderlc der alte Heer. — „Vor 130 Jahren? Keine dummen Scherze! Vergessen Sie nicht, daß Sie vor Gericht sind!" rief der Richter entrüstet. — „Aber ich erlaube mir gar keinen Scherz, Herr Präsident," gab der Ange klagte kleinlaut zur Antwort. „Sehen Sie, mein Vater verheirathete sich sehr jung mit 19 Jahren und bekam im selben Jahre »och einen Sohn, der gleich nach der Geburt starb. Nach dem Tode seiner ersten Frau ver heirathete er sich mit 75 Jahren noch einmal, und ich Vin die Frucht dieses Bundes. Ich bin nun auch bald 73 Jahre alt. Also bitte, rechnen Sie nach, ob mein einziger Bruder nicht bereits vor 130 Jahren gestorben ist." — De.n Richter blieb natürlich nichts übrig, als die seltsame Thatsache anzuerkennen. Fein gesponnen oder Das Fastnachtsgeheimnitz. Criminal-Roman von Lawrence F. Lynch. — Deutsch von E. Kramer. (Nachdruck verboten.) 11. Fortsetzung. Am nächsten Morgen erschien Mr. Jcrmy i früh zeitig bei Charly Brian. „Guten Morgen," ries ihm der Redakteur entgegen. „Freut mich, Sie zu sehen. Warten Sie einen Augen blick, ich habe Ihnen etwas zu sagen, was Sie, wenigstens mittelbar betrifft." „Und ich," versetzte sein Besucher, „habe Ihnen etwas zu sagen, was mich so unmittelbar betrifft, daß Sie mir unbedingt den Vorrang laßen müssen. Brian, Sie sollen der Erste sein, der mir gratulirl: ich habe mich mit Miß Jermyngham verlobt." „Ei der Tausend!" „Die Sache vollzog sich unerwartet schnell, als wir gestern Abend aus deni Fluß ruderten. Wir kamen auf alte Erinnerungen zu sprechen und wurden, gegen unsere Absicht, vertraulich." Zwei Frauen würden die Mittheilung von der Ver lobung erst nach einer gründlichen Erörterung über die Hochzeit geschlossen haben; die beider! Männer aber wandten sich, nachdem Brian seinen G.ückwunsch aus gesprochen, einem anderen Thema zu. „Brian," sagte Jermyn, „Sie werden nicht vergessen haben, daß wie einmal zusammen nach Chicago wollten. Wie wäre es, wenn wir heule Abend reisten und Morgen zurückkehrten? Ich muß mir nothwendig ein Buch versorgen — man kann nicht von der Liebe allein leben. Und dann, nun, man muß einen Diamanten kaufen oder einen Opal — kommen Sie mit?" „Ja. Aber nun hören Sie zur Abwechslung meine Geschichte!" Brian griff nach einem Brief. „Dies ist ein Bericht von meinem Korrespondenten aus Uytou. Passen Sie auf!" „Nylon ist in großer Aufregung über das Ver schwinden von Miß Bertha Warham am Abend vor ihrer Hochzeit. Alle möglichen Gerüchte schwirren durch die Luft und die Freunde der jungen Dame ürchten ein Verbrechen. Ihr Zimmer wurde in großer .Unordnung gesunden und auch andere Umstände sprechen ür einen Gewaltakt. Mr. Warham ist in ernster Sorge um seine Tochter." „Wahrhaftig, ein sonderbarer Bericht," bemekte Jermyn. „Am Abend vor ihrer Hochzeit verschwunden! Miß — wie sagten Sie doch? Bertha, nicht wahr? Bertha? Ah — war das nicht der Name des Mädchens, das ich im Walde sah — bei dem — wie ;ieß die Stells gleich —? Und der Kerl — mein Gott!" Er fuhr plötzlich auf. „Zielt der Bericht auf ihn?" „Ja, ich las nicht zu Ende. Es heißt darin, er wäre seit einiger Zeit verschwunden, Niemand wußte, wohin. Ich habe an das denken müssen, was Sie mir über Ihr Erlebniß am Todtenfels mittheilten." „Todtenfels! Richtig, so hieß der Platz." „Und ich überlegte, ob Sie, wenn die Angelegenheit nicht aufgeklärt wird, der Polizei nicht Anzeige machen müßten. Vielleicht besteht zwischen jener Bewegung am Todtenfels und dem Verschwinden des Mädchens ein Zusammenhang." Jermyn stand auf und ging im Zimmer auf und ab. „Brian," sagte er dann, „ich wäre der Letzte, der Justiz auch nur das geringste Hinderniß in den Weg zu legen und doch — mir widerstrebt es wirklich, meinen Namen in diese Sache hineingezogen zu sehen, besonders jetzt, um Miß Jermynghams willen. Natürlich, wenn die Angelegenheit ernst wird, wenn der Verdacht sich gegen diesen Larsen richten sollte, dann würde ich mich melden. Aber wie gesagt — erst dann." „Nun, das hat noch Zeit," sagte Brian, „und wenn dem Mädchen wirklich etwas zugestoßen und Larsen der Thäter sein sollte, dann werden sich vermuthlich gegen ihn so genügende Beweise erbringen lassen, daß Ihr Zeugniß nicht nöthig ist." „Das hoffe ich von ganzem Herzen!" Am Abend reisten Jermyn und der Redacteur nach der Stadt. Aber ehe Mr. Jermyn sein Zimmer verließ, las er noch einmal folgendes kurze Billet, das ihm die Morgenpost aus Chicago gebracht hatte: „Mein Freund, ich bin hier in Sicherheit; kommen Sie, bitte, sobald wie möglich." „Das war ein guter Gedanke," murmelte er lächelnd, während er das Billet in kleine Stücke zerriß. „Wenn ich Brian mitnehme, geh ich ganz sicher. Das Glück will mir wohl." Elftes Capitel. Eines Morgens, zehn Tage nach der im vorigen Capitel geschilderten Zusammenkunft Percy Jermyns mit Brian, trat Rufus Carnow, gut gelaunt, mit sich und der Welt zufrieden, in das Bureau seines Freundes, des Polizeidirectors. Beim Oeffnen der Thür sah er sich einer großen, stattlichen, dichtverschleierten Dame gegenüber, die, in rauschende Seide gekleidet, die ganze Breite der Thür einnahm. Er verbeugte sich höflich, trat zur Seite, ließ die Dame passiren, und nahm dann in einem Lehnstuhl Platz, während der Polizeidirector mit großer Aufmerksamkeit eine Photographie betrachtete, die er in der Hand hielt. „Sehen Sie sich einmal das Bild an, Carnow", sagte der Director, indem er ihm die Photographie zu schob. Carnow nahm das Bild und musterte es. „Hübsches Mädchen!" mar sclne erste Bemerkung. „Ja!" „Schwindlerin?" fragte Carnow. „Spurlos verschwunden." „Hm," knurrt Carnow, das Bild noch immer be trachtend. Dann legt er es auf seine Knie, bückte sich zu dem Director hinüber und fragte: „Nun, Director?" „Was haben Sie gegenwärtig vor, Carnow ?" „Ich? Nichts." „Ich höre, daß Sie Scharffs Agentur verlassen haben. Ist das richtig?" „Dars ich fragen, warum?" „Entlassen." „Entlassen? — Sie?" „So ist's!" Der Director sah ihn nachdenklich an, dann sagte er: „Man erzählte mir, Sie hätten die Stelle aufge geben." „Nun, wie man es ausfaßt", erwiderte Carnow. „Die Sache ist die, daß ich mich weigerte, gewisse Aufträge zu übernehmen und Scharff die Unbequemlich keit bereitete, mich zu entlassen. — Aber was wünschen Sie von mir?" Der Director deutele auf die Photographie und sagte: „Ich möchte, daß Sie dieses Mädchen suchen." „Weshalb benutzen Sie keine von Ihren Detectivs? " „Weil ich es möglichst schnell aufsinden möchte." „Durchgegangen!" „Ich sagte: Spurlos verschwunden!" „Hm. Wissen Sie Ihren Namen?" „Ja. Das ist aber auch io ziemlich alles, was ich Ihnen sagen kann. Sie heißt Bertha Warham und ist vor etwa zehn Tagen unter eigenthümlichen Um- tänden aus ihrer Wohnung verschwunden. Das Weitere age ich Ihnen, wenn wir einig geworden sind. Wollen Sie den Fall übernehmen? Sie haben in der Sache ganz freie Hand und die Bezahlung ist gut. — Nur inden Sie das Mädchen!" „Wer engagirt mich?" fragte Carnow nachdenklich. „Der Vater — der Vormund?" ,,Die Dame, die Sie an meiner Thüre trafen." „Puh! Sie wissen, Director, ich habe nicht gern mit einer Frau zu thun." „Ich weiß ; aber mit dieser werden Sie schon fertig werden. Wenn Sie den Fall übernehmen, müssen Sie direct mit ihr verhandeln." „Hm", sagte Carnow, „das lockt mich nicht gerade. Nun, ich will mir die Sache überlegen und Ihnen -eute Abend Bescheid geben." Als er die Treppe Hinabstieg, begegnete ihm ein Mscher, junger Mann in Uniform, der ihn flüchtig xüßte und dann in das Bureau ging. Er war einer »er zuverlässigsten Gehilfen des Directors, und nachdem er die Angelegenheit, die ihn zu diesem geführt, erledigt halte, fragte er: „Ich traf Carnow, als ich heraufkam. Ist es wahr, daß er aus Scharffs Agentur ausgeschieden ist? Ich