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Beilage rum H Hohenstein Ernstthal« Tageblatt nnö Anzeiger r 2Ü. Fortsetzung. „Fräulein Hella!" Gras Eickstc'dt hatte sich zu ihr hinübergebeugt und legte den Arm um die Lehne ihres Lessels. Ihr Kops lag weit im Nacken zurück. Die herrlichen Augen leuchteten voller und tiefer, als sie es je getan. Wie ein holder Mädchentraum Shakespeares saß sie in dem Hellen Mondlicht, das die zarte Linie ihrer schmalen Gestalt mit einer feinen Silberkette umzitterte. „Hella," wiederholte der Graf, „Sie wissen, was ich Ihnen in Berlin geiagt habe, datz Sie die Herrin dieses Haules werden «ollen. Und meines Lebens. Aber Sie wissen auch, daß mich noch ein anderes Band hält." Sie neigte leise den Kopf. „Herta Löhna'" »Ja, Herta Löhna! Und darum hab' ich Sie gebeten, heute zu mir zu kommen. Es mutz etwas Entscheidendes ge schehen. Am Samstag soll unsere Verlobung gefeiert wer den. Und das gewinne ich nicht über mich, seit ich Sie kenne Ich weitz ja selbst nicht, was in diesen drei Tagen aus mir geworden ist!" Seine Stimme schwankte,' jetzt erst bemerkte sie, wie blatz und eingefallen jein Gesicht war, wie trübe und matt jein Auge zuckte. „Sehen Sie," fuhr er dann nach einer kurzen Pause ruhig fort, „der Gedanke an diese Verlobung lastet wie ein Alp aus meiner Seele. Ich bringe einsach das Matz von Verstellung nicht aus, Herta Löhna ein Gefühl vorzutäu schen, datz längst in mir erloschen ist. Dazu bin ich nicht Schauspieler genug, und dann geht es mir auch gegen mein innerstes Empfinden, gegen mein Gewissen, datz ich einem vertrauenden Mädchen überhaupt erst die Komödie der Verlobung Vorspielen soll, wenn ich schon vorher fest ent schlossen bin, sie in Kürze aufzuheben!" „Und was soll nun geschehen?" „Ich will Herta heute nacht noch schreiben, datz ich sie bitte, mir mein Wort zurückzugeben!" Mit einem Nuck suhr Hella aus ihrer weichen, zusam- mengeschmiegten Stellung empor. „Das ist unmöglich, das darf nicht sein!" Der Gras sah verwundert auf „Es ist lchwer, aber nicht unmöglich Gerade jetzt nicht Ich habe heute abend telephonisch aus Pahlowitz erfahren, datz Herta krank ist Das gibt einen unauffälligen Grund, die Verlobung zunächst noch einmal wieder aufzuschieben und dann das Verhältnis ganz aufzulösen. Lieber einen kurzen, raschen Schlutz, als dies Hinausschieben einer Ent- jcheidung, die am letzten Ende doch unabwendbar ist." Hella satz wie gelähmt. Lin anastvolles Flattern zuckte über ihre dunklen (Nachdruck verboten.) Pupillen, als sie jetzt ihr weißes Gesicht in banger Rat losigkeit zu dem vollen Monde emporhob. Und plötzlich wuchs das Wissen wieder in ihr, die Er kenntnis der Dinge, die sie seit der letzten Nacht immer von neuem aufgehetzt und gejagt hatte. Nun war ihr das Glück so nahe, das große, gleißende Glück, das ihr den Weg zu des Lebens Höhen wies, das ihr alle Schätze der Welt zeigte und ihre Herrlichkeit. Und in dem gleichen Augenblick klirrte die Sklavenkett« wieder hinter ihr, die Kette, die sie an den anderen band, der mit einer düsteren Drohung unerbittlich kalt das Toi ihrer Zukunft hütete. Ihr war's auf einmal, als sei sie eine Blinde, der das Geschick das Augenlicht wiedergeschenkt habe, um ihr nach kurzen Minuten die Sonne zu rauben Sekundenlang dachte sie daran, ein offenes Geständnis abzulegen, sich durch eine rückhaltlose Beichte für immer von den Schatten der Vergangenheit zu befreien: eine dunkle Empfindung jagte ihr, datz der Mann an ihrer Seite in der Ohnmacht dieser Stunde ihr vielleicht auch das letzte verzeihen würde. Dann aber entsank ihr wieder der Mut. Zu groß und unberechenbar schien ihr der Einsatz eines solchen Wagnisses, mit dem sie sich selbst ihres höchsten Wertes beraubte, wenn sie dieser blind ergebenen Liebe auf einmal die verhüllende Binde von den Augen riß. Seit langem schon sprach der Graf weiter von den Tagen in Berlin, datz sein Anwalt bei einem großen inter nationalen Büro eingehende Erkundigungen über eine Trauung in England eingezogen und für ihn selbst bereits die erforderlichen Ausweispapiere und einen Auslandspaß besorgt habe. „Auch für Sie, Fräulein Hella", sagte er, „könnte in kürzester Zeit alles geordnet sein. Eine einfache Geburts urkunde genügt: als Trauzeugen würden sich zwei meiner Freunde aus der Londoner Aristokratie gewiß gern zur Verfügung stellen Ich schlage Ihnen daher vor, daß Sie vielleicht schon morgen Pahlowitz verlaßen. Ein Vorwand wie zum Beispiel die plötzliche Erkrankung eines nahen Verwandten, dürfte sich ja leicht konstruieren laßen. Dann siedeln Sie in ein Berliner Pensionat über und warten dort alles weitere ab. Ich werde inzwischen meine Be ziehungen zum Hause Löhna regeln und denke noch bis Ende der Woche mit den ganzen Verhältnißen ins Reine zu kommen. Am Sonntag würde ich Sie dann in Berlin abholen und mit Ihnen sofort nach Vlißingen und London wcitersahren In spätestens acht Tagen könnten wir bereits Diann und Frau sein!" Die Worte des Grafen Eickstedt klangen so einfach, so klar und überzeugend, datz Hella nur ein einziges Wort zu sprechen brauchte, und sie fühlte, wie der Blick des Grasen an ihren Lippen bina. wie er es einfach nickt oerstand^daß