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Da klappte Tante Ellen den Flügel zu und jagte: „Mr ^n schon darüber gesprochen . . . wenn es nicht sehr ^eit von hier wäre —" „Aus dem Südwestkorjo ist die Modetanzschule von Heller: alle neuesten Tänze, aber auch rhythmische Uebun- gen werden dort gelehrt. Das wäre herrlich, Elmire, wenn du bas nächste Mal mitkommen würdest!" Wohlweislich verschwieg sie, daß ihr Bruder Hans mit ihr zusammen den Unterricht nahm. Elmire blickte fragend auf Tante Ellen. „Ich werde es heute mit dem Bater bereden!" fagte sie. „Ja, bitte, tun Sie das, gnädige Frau!" schmeichelte Liselotte. Doch da entsann sich Elmire plötzlich, datz sie am kom menden Morgen im Büro des Diplomaten ihre Prüfung abzulegen hatte. „Wer weiß, ob es mir möglich fein wird," wandte sie ein. „Wann sagtest du, beginnt die Stunde?" „Erst um einhalb Neun!" entgegnete Lise. „Vielleicht lägt es sich einrichten, doch ist es noch un bestimmt Ich habe mich nämlich um den Posten einer Sekretärin beworben und mutz mich morgen vorstellen Da es eine Nachmittagsstelle und mir die Arbeitszeit un bekannt ist, kann ich also nichts Genaues sagen —" „Warum hast du mir nichts von der freien Stelle ge sagt? Ich hätte mich doch auch bewerben können." Voll Neid sah Liselotte auf Elmire. „Wir erhieltet» von diefer Position Kenntnis, ohne datz wir Lie Nachricht weilergeben dürfen: außerdem muh das junge Mädchen, das hier in Betracht kommt, in der fran zösischen Sprache vollkommen bewandert sein Elmire war jahrelang in Südfrankreich Sie sehen, Fräulein Peters, datz Sie für die Stellung nicht in Frage gekommen wären." Ruhig und ernst hatte Tante Ellen gesprochen. Liselotte aber verzog den Mund Ihre unbeherrschte Natur kam zum Durchbruch, ihre bisherige scheue Zurück haltung war Trug gewesen. „Warum sollte ich mich nicht für solch eine Stellung eignen? — Sicher ebenso gut wie Elmire. Ich habe das Lyzeum besucht und spreche recht gut Französisch Außer dem bin ich um zwei Jahre älter. Soviel mir bekannt ist, zieht man in einem Büro eine Neunzehnjährige immer noch einer Siebzehnjährigen vor. Wir könnten es ja ein mal darauf ankommen lasten: wenn Elmire glaubt, datz sie mehr leistet als ich, braucht sie mich nicht zu fürchten —" „Cut!" sagte Elmire, „so komme morgen mit mir Wir werden dann in dem Büro nachfragen, ob du zur Prüfung zugelasten werden kannst, und dann wird sich das weitere finden." „Wann und wo sollen wir uns treffen?" „Punkt zehn Uhr hier an der Untergrundbahn: das Büro befindet sich im Zentrum." Beim Abschied versprach Liselotte, pünktlich zu sein. Tante Ellen aber sagte etwas später. „Deine Freun din gefällt mir nicht recht: sie neidet dir vieles, und das kann aus die Dauer keine wahre Freundschaft ergeben." „Bedenke, Tante, sie ist zwei Jahre älter als ich, da möchte sie mir auch sonst in allem über sein!" „Mein Liebling!" Mit diesen Worten zog Tante Ellen ihre Nichte an sich und küßte sie Und im Innersten dachte sie, datz du vor dem Uebel einer. falschen Freundschaft bewahrt bleiben und den Schmerz getäuschten Vertrauens nicht an dir selbst er fahren mögest, — das wünsche ich dir, meine liebe, kleine Elmire. IV. Am andern Morgen um Zehn fand sich Liselotte richtig an der Untergrundbahn Rüdesheimer Platz ein Schneller als sie gedacht, hatten die beiden jungen Mädchen ihr Ziel erreicht: es waren noch zehn Minuten vor der verabredeten Zeit, als sie vor dem Hause an langten. in dem sich das Büro des Diplomaten befand „Es ist gut, datz wir etwas zu früh kommen," jagte Elmire zu Liselotte, „so können wir vorher noch mit dem Sekretär sprechen, ob du zur Prüfung zugelassen werden kannst" Liselotte wurde es nun doch recht beklommen zumute, sie fühlte sich mit einem Mal unsicher und wäre am liebsten wieder umgekehrt Jetzt war es Elmire. die ,»e anspornte, nicht den Mut sinken zu lasten - Der Lift brachte sie ins vierte Stockwerk. Herein ohne anzuklopfen! stand vor der Tür. Ms sie diese öffneten, gelangten sie zunächst in einen Vorraum An einem kleinen Tisch jatz schreibend ein Jüngling Er kam und legte ihnen einen Block vor, auf dem sie notieren mutzten, was sie herführte. Er ritz den Zettel ab und ging damit in das Neben zimmer. Bald daraus erschien ein junger Herr: „Wer ist Fräulein Elmire Julien?" „Ich bin es!" „Und wer sind Sie und was wünschen Sie?" wandte er sich fragend an Liselotte. „Ich bin mit Fräulein Julien befreundet und bin mik- ihr gekommen, um zu erfahren, ob auch ich zur Prüfung zugelassen werden könnte." „Sprechen Sie Englisch, Französisch und Italienisch, wie Fräulein Julien?" „Italienisch nicht!" „Dann ist es leider aussichtslos! — Wollen Sie auf Fräulein Julien warten, dann nehmen Sie bitte hier fo- lange Platz, es dauert nur eine Viertelstunde." Zu Elmire sprach er: „Bitte, kommen Sie herein!" Er öffnete ihr die Tür und ließ sie eintreten. Es war ein behaglich ausgestatteter Raum, in dem sie sich nun befand. Der Herr stellte "ch vor: „Doktor Joachim Wedder, Sekretär von Sir Edwyn Letton! Ich habe Sie an Stelle von Sir Letton zu prüfen. Setzen Sie sich bitte an den Schreibtisch, Sie finden dort Papier und Tintenstift." Elmire setzte sich auf den angewiefenen Platz. Kaum hatte sie den Stift zur Hand genommen, diktierte Doktor Wedder. Elmire hatte das Diktat stenographiert und war bei der deutlichen Aussprache des jungen Herrn gut mitge kommen. Wedder deutete auf eine Schreibmaschine und bat El mire, das Stenogramm zunächst in deutscher Sprache wie derzugeben. Das war bald geschehen: sie reichte ihm das Blatt, er überblickte den Text und sagte: „Gut, ohne Fehler Bitte, jetzt übersetzen Sie mir den Text ins Französische und Italienische Englisch ist nicht so wichtig, da Sir Letton noch eine Engländerin als Pri vat- und Rcisesekretärin hat." Elmire, die durch ihren Aufenthalt in Frankreich und Italien und den dort erhaltenen guten Unterricht keine Schwierigkeiten in den beiden Sprachen kannte, hatte die wenigen Sätze schnell übersetzt. „Fabelhaft!" sagte überrascht der Doktor. „Sie sind doch noch so jung: die beiden Sprachen beherrschen Sie ja besser als ich. Da können wir ruhig bei Ihnen eine Ausnahme machen Ihre Jugend war zunächst ein Hindernis für uns, aber Doktor Werner hat so gut für Sie gesprochen, daß wir nicht umhin konnten, Sie an der Prüfung teilnehmen zu lasten Von fünf Damen, die in Betracht kamen, sind Sie die letzte gewesen und werden nun doch die erste jein: denn Ihre Sprachkenntnisse sind bei weitem die besten — Warten Sie einen Augenblick, ich werde Sie Sir Letton melden " Elmire frohlockte im Innersten ihres Herzens. Sie jollte genommen werden, sie, die junge Anfängerin, nur weil sie gute Sprachkenntnisse besatz Wie dankbar war sie Doktor Werner, der sie so lehr empfohlen Halle, und dem Vater: ihm schuldete sie den größten Dank, weil er sie immer zum Studium ermuntert halte und ihr durch Uebersetzungsarbeiten stets von neuem den Anjporn gab. tiefer in die fremden Sprachen einzudringen „Bille!" wurde sie in ihrem Gedanlengang unter brochen. Sie ging in Las Nebenzimmer. Ein großer, blonder, hagerer Herr, Mitte Vierzig, der am Fenster stand, jah sie aus kühlen, blauen Augen for schend an Gemessen trat er ihr entgegen und reichte ihr die Hand. Da entfernte sich Wedder. (Fortjetzung jolgt Z