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(Schluß folgte Oer Widerspenstigen Zähmung. Erzählung von Oskar Ung n ad. (Nachdruck verboten.). »Er soll dein Herr sein!" hatte der Pfarrer bet ihrer Trauung gesagt. Lottchen Äandelmann hatte es wohl ge hört, aber sie hatte sich sofort, trotz der feierlichen Stim mung, in der sie sich befand, gedacht: „Daraus wird nichts. Nach meinem Willen muß es auch gehen." Sie wollte ihren Erich nicht zum Pantoffelhelden herabwürdigen, aber daß er „ihr Herr sein" sollte, allein das große Wort führen würde, das wollte sie auf jeden Fall verhindern. „Er soll dein Herr sein," beißt es auch in der Operette, fiel ihr ein, in dieser lustigen Auffassung wollte sie sich sein „Hausherrntum" gefallen lassen. Als sie nach all dem Trubel und Jubel der Hochzeitsfeierlichkeiten nun mit ihrem Erich im traulichen Flitterwochenheim beisammen saß, „endlich allein", machte sie ihn mit ihrem Entschluß bekannt. „Hör mal, Schatz, mit dem berühmten „die Frau soll untertan sein dem Manne" hast du bei mir kein Glück. Wennschon ich nicht will, daß du zu allem nur „Ja" und „Amen" sagst oder stets nur nickst zu meinen Dispositio nen, so wirst du doch keinen Ton mehr zu riskieren haben als ich! Kapiert?" schloß sie schelmisch fragend. Und ebenso belustigt antwortete er: „Also das ist dein unum stößlicher Entschluß? Gut!" Ihm gefiel das Fünkchen Widerspenstigkeit an seiner kleinen Frau. Daher verlor er weiter lein Wort darüber und dachte wie seine „süße" Ehehälfte: „Abwarten!" Vierzehn Tage idyllischer Fliiterwochenseligkeit waren inzwischen vergangen, als Lottchen bemerkte, daß er ja doch „ihr Herr" war, daß sie in jeder Beziehung seinen Willen tat und nach seinen Maßgaben handelte, ihn um Rat fragte und getreulich denselben befolgte. „Das muß anders werden!" sagte sic sich. Ganz abgesehen davon, daß sie ihm gegenüber unencrgischcr schien, würde sie auf diese Weise sich selbst gegenüber meineidig werden, denn sie hatte sich doch geschworen, das Heft nicht aus der Hand zu geben. Es mußte also etwas geschehen. Sie überlegte. Und Frauenlist findet schnell Mittel und Wege. Ihr fiel näm lich ein, daß ihr Gatte die sogenannten Grammophone nicht „verknusen" konnte, wie er sich ausdrückte. Sie ging also sofort in eine Handlung und kaufte eins mit vierundzwanzig möglichst viel Skandal verursachenden Platten. Kurz bevor ibr Mann abends aus dem Bureau kommen mußte, setzte sie den Lärmapparat in Funktion. Als Erick eintrat, rief er entsetzt: „O weh, was ist denn das für ein Skandal?" „Ich habe mir ein Grammophon gekauft," sagte Lott chen energisch, ohne sich allerdings eines ungestümen Klopfens ihres Herzchens erwehren zu können. Erich erwiderte nur gelassen „Ach so!", setzte sich zu Tisch und sprach wacker dem Mahle zu. Später nahm er einmal Gelegenheit, sich das „Radauinstrument" nahe zu besehen, und nach der Besichtigung bemerkte er sehr ruhig: „Wirklich sehr hübsch!" Seine Ruhe machte sie fast rasend und in ihrem seidenen Bcttchcn dachte sie nachher nach über die Verstellungskunst der Männer und wie unglücklich doch die Frauen sind, daß sie nie erkennen können, was in einem so schwarzen Männerherzen vorgeht. Das sollte ihr aber bald klar werden. Als der Herr Gemahl sich am nächsten Mittag vor seinen wohlgedeckten Tisch hingepflanzt hatte und wacker zugriff, erzählte er so ganz beiläufig: „Ich habe ein Orchestrion gekauft!" Messer und Gabel entfielen den zarten Frauenhänd chen klirrend auf den Teller und fast entgeistert hauchte Lotte: „Ein Orchestrion?" »Ja." „Wer soll denn den Spektakel aushalten?" fragte sie schüchtern. „Nanu," meinte er, sich eine gute Zigarre ansteckend, „die Leute sind doch den Radau in unserer Wohnung ge wöhnt, aus ein bißchen mehr oder weniger kommt's nicht an." „Wann kommt denn das Monstrum?" „Morgen!" Und richtig! Am folgenden Tage „tanzten" zwölf mächtige Transportmänner mit einem Niesenkasten von Orchestrion an, das sie der Weisung des Käufers gemäß in den Salon placierten. Während die junge Frau tränen den Auges, einer Ohnmacht nahe, den „Marterkasten" wie ein Gespenst anstarrte, empfahlen sich' die Transporteure mit höhnischem Gruße. Das war zuviel! Lottchen warf sich auf den D'wan und weinte bitterlich. Dann versank sie in dumpfes Brüten. Aus ihrer Lethargie weckte sie erst ein Schließen an der Korridortür. Ihr Mann kam zum Abendbrot nach Haus. Sie hatte noch nicht an den Tisch gedacht. Sie „flog" in die Küche und half dort dem dienstbaren Geist das Mahl anzurichten. Da Plötzlich drangen donnernde Töne durchs Haus, wie Tubaton und die Posaunen des Weltgerichts klang es zu ihr hinaus, wo sie bereit war, ihrem Manne das Leibgericht zu bereiten. Dieser hatte inzwischen das Orchestrion aufgezogen, saß schmunzelnd davor, mächtige Wattepropfen in den Ohren, und harrte der Dinge, die da kommen sollten. Das heißt, eigentlich harrte er, daß seine kleine Frau kommen sollte. Und die kam auch. Kirschrot war ihr kleines Ge sichtchen, als sie sich vor ihn ausstellend ausrief: „So geht's nicht weiter, entweder das Orchestrion muß hinaus oder . . ." Ehe sie aber ihren Satz vollendet hatte, fuhr Erich schnell fort: „oder das Grammophon!" Und es verschwand das . . . Grammophon. — Am Tage des Auszuges des Grammophons versprach Lott chen zugleich, nicht mehr solche „Eigenheiten" an den Tag zu legen. Der Mensch denkt und ... der Zufall lenkt. Der Zufall erschien hier in Gestalt einer spinösen Pensionsfreundin Lottchens. Die „liebe" Elli, so hieß die Besucherin, war höchst erstaunt, in dem eigenwilligsten Fräulein der ganzen Pension eine so gehorsame kleine Hausfrau wiederzufinden. Lottchen, die ihren Mitpen sionären in ausgelassener Weise stets versichert hatte, in ihrem dereinstigen Hause selbst die Hosen anhaben zu wollen, schien jetzt auf diesen symbolischen Schmuck ganz verzichten zu wollen. So meinte Elli. Durch die Erinne rungen der „guten" Freundin wurde der jeder Frau ja eigene Eigensinn wieder geweckt und aufs neue beschloß Lottchen, die Zügel ihrem Manne zu entreißen. Sofort wurde gemeinsam ein Plan ausgehcckt. Erich war kein Freund des Tennisspiels, er bestritt die gesnndheits» fördernden Bewegungsbedingungen des Spiels nicht, aber seinem ästhetischen Gefühl war es zuwider, wenn dic hübschen Damen dabei durch die Bewegung und Er regung in einen so echauffierten Zustand gerieten, daß sie nichts weniger als berückend und entzückend aussahen. Sein Frauchen sollte ihren einfach bezaubernden An blick behalten und deshalb hatte cr sie gebeten, an jenem Sport sich nicht zu beteiligen. Auf Zureden der Freundin schlug Lottchen Erichs Bitte in den Wind und ging mit zum Tennisspielen. Sie hinterließ zu Hause ein Brief chen, in dem sie ihrem Gatten davon Mitteilung machte. Erich kam, las Len Brief, schmunzelte und pfiff ver gnügt vor sich hin. Er zog seinen Überrock nicht erst aus, sagte dem Mädchen Bescheid, daß er zum Abendbrot nicht komme, und verließ wieder das Haus. Er suchte einen Freund auf. Diesen schickte er zu dem bewußten Tennis platz, damit er Lottchen so ganz beiläufig „unter Dis kretion" verrate, er habe Erich mit einer Dame im Stadtpark getroffen. Der Freund übernahm die Mission und richtete sie prompt aus. Als Lottchen die NachriÄt vernahm, lachte sie erst, dann fragte sie nochmals, ob sich der Freund nicht getäuscht hätte. Dieser versicherte sie noch einmal mit aller Bestimmtheit der Wahrheit seiner Worte und freute sich im Interesse Erichs über die nunmehrige Wirkung seiner Botschaft. Lottchen ließ Rakett Rakett sein, nachdem sie dem letzten ihr zugeworfenen Ball einen derartigen Schlag gegeben hatte, daß er, falls nicht die Schwerkraft, die Anziehungskraft der Mutter Erde und sonstige physische Gewalten in Betracht kämen, wohl ins Unend liche geflogen wäre, schüttete dann ein ziemlich dauernd fließendes Bächlein von Vorwürfen über die gute Elli aus, die an allem schuld sei, und flog dann selbst wie ein Tcnnisball davon. Als sie nach Hause kam, hörte sie von dem Dienstmädchen eine weitere Bestätigung für die „Eheirrung" ihres Erich durch die Nachricht, die er hinterlassen hatte.