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I geben wollte, ihr unsere Begegnung unten zu erklären, » wie ich ihr doch versprochen hatte ..." Er hielt inne, betroffen über den seltsamen forschenden I Blick Fernaus, der sich förmlich in seine Züge eingrub. »Warum sehen Sie mich so an?" „Weil Sie eben durch Ihre Worte meinen Vorwurf - der Unaufrichtigkeit bestätigen. Davon haben Sie mir 2 ja damals kein Wort gesagt, daß Sie Ihre Kusine unten I bei Frau Hartwig trafen!" Losenstein errötete bis unter die Haarwurzeln. „Das gehörte doch auch nicht zur Sache." „Wer weiß! Sie haben mir übrigens auch Ihren 1 eigenen Besuch im ersten Stockwerk und — dessen Zweck » verschwiegen." Sekundenlang starrte Losenstein sein Gegenüber wort- I los an. Dann fuhr er zornig auf: „Herr, was soll das I heißen? Mit welchem Rechte forschen Sie mir nach? Was ; gehen Sie meine Privatangelegenheiten an?" Fernau blieb kühl. „Ich handle hier in Verfolgung meiner Pflicht und I einzig im Interesse des mir erteilten Auftrages; das » sollten Sie nicht vergessen. Die Tatsachen, welche Sic mir » verschwiegen haben, sind sehr wichtig und stehen wahr- I scheinlich in engem Zusammenhang mit dem Verschwinden I Ihrer Kusine; darum mußte ich mich darüber infor- ' Mieren. Und nun beruhigen Sie sich, lieber Herr. Es ist an » sich keine Schande, wenn man mal in Geldverlegenheit i ist. Sagen Sie mir lieber ganz offen, wozu Sie das Geld I benötigten, wieso Sie Ihre Kusine, die doch erst später ; kam, unten noch traf und — woher Sie sich das Geld » dann schließlich doch noch verschafften? Sprechen Sie aber I ganz ehrlich, wie zu einem Beichtvater; verstanden? Ich I gebe Ihnen mein Ehrenwort, daß ich diesen Teil Ihrer ; Mitteilungen dann auch wirklich als Beichtgeheimnis be- » trachten will, von dem kein Mensch je etwas erfahren soll." Losenstein hatte den Kopf in die Hand gestützt und I starrte schweigend vor sich hin, ohne zu antworten. I „Nun? Wird es Ihnen schwer? Soll ich Ihnen ein " wenig helfen? Sie befanden sich in Geldverlegenheit, weil I Ihr Kassenbestand nicht stimmte und Sie eine Revision I zu erwarten hatten. Ist es nicht so?" i »Ja — aber woher in Himmels Namen wissen Sie ! dies? Kein Mensch außer —" „Beruhigen Sie sich doch! Sie brauchen wirklich nicht I so aufgeregt zu sein. Ich versprach Ihnen doch absolute ! Geheimhaltung." Losenstein richtete sich plötzlich stolz auf und sah den I Sprecher entrüstet an. „Zum Kuckuck mit Ihrer Geheimhaltung, die ich ! wahrlich nicht mehr brauche, wenn Sie schon die Tat- " fache als solche wissen! Sie tun gerade, als hätte ich das I Geld für mich verlumpt oder gestohlen! Das muß ich mir I ernstlich verbitten." I „Nun, nun —* „Lassen Sie mich ausreden! Ich werde das doch nicht I auf mir sitzen lassen! Einen so erbärmlichen Verdacht! Wo I ich mir gerade immer die größte Genauigkeit und Ge- " Wissenhastigkeit in Geldsachen zur Pflicht machte. Darum ' war es mir ja so furchtbar peinlich, daß ich mich trotz I meiner Prinzipien schließlich von Freund Manko erbitten > ließ, ihm die 800 Mark bis zum Ersten aus der Kasse zu ; leihen..." „Sie haben das Geld also einem anderen gegeben?" „Ja. Leider Gottes! Einem Kollegen, dessen Frau I todkrank im Sanatorium lag und operiert werden sollte, z Ich wollte ja nicht. Mit Händen und Füßen wehrte ich ? mich dagegen, denn ich wußte Wohl, daß ich weder bei Tag I noch Nacht Ruhe haben würde vor meinem Gewissen, I wenn ich auch zehnmal sicher war, das Geld rechtzeitig » zurückzubekommen, und damals an eine Kaffenrevision ab- » solut nicht zu denken war. Eine Pflichtverletzung war's I ja doch, wenn auch kein Verbrechen. Aber der Teufel bleibe I stark, wenn man so verzweifelt gebeten wird! Der Mann » hatte daheim vier kleine Kinder, und die Frau war sein » alles. Da tat ich's endlich. Und wenn Sie mir nicht glau- I ben, so fragen Sie den Mann selbst. Er wohnt „Genug. Ich brauche es nicht zu wissen. Ich glaube ; Ihnen. Erzählen Sie lieber weiter. Die Kaffenrevision » wurde unvermeidlich, und Sie wollten das Geld also I von Frau Hartwig borgen?" „Ja. Borgen!! Sie aber wollte es mir schenken! Denken Sie, welche Schmach! Ich kam mir vor wie ein Bettler, dem man ein Almosen anbietet! Ich verlor ganz den Kopf, wurde unhöflich, beinahe grob." „Das weiß ich. Sie ließen sich auf nichts mehr ein und gingen fort." „Ja. Und draußen reute es mich dann. Nicht daß ich's zurückgewiescn hatte natürlich, sondern mein Be nehmen, Frau Hartwig hatte es gewiß gut gemeint. Sie war immer so freundlich zu uns gewesen, war Andreas Freundin. Das fuhr mir draußen so durch den Kopf, und ich kehrte wieder um, um mich bei Frau Hartwig zu entschuldigen. Leider war sie nicht mehr da und ich mußte unverrichteter Dinge fortgehen, denn mich noch einmal bei ihr förmlich melden zu lassen, schien mir für den Augen blick nicht passend." Fernau, der ihn nicht aus den Augen gelassen hatte, fragte wie beiläufig: „Das Zimmer war also leer, als Sie es zckm zweitenmal betraten?" »Ja." „Und Sie hielten sich nicht länger darin auf, als bis Sie dies gewahr geworden?" „Selbstverständlich nicht. Was hätte ich denn sonst noch tun sollen?" „An den Schreibtisch kamen Sie nicht?" „Natürlich nicht. Wozu hätte ich bis an die Fenster ecke vorgehen sollen, da ich doch sah, es sei niemand mehr im Zimmer?" Das war so ehrlich, unbefangen und mit einem so er staunten Blick über die scheinbar überflüssige Frage ge sprochen, daß Fernau ihm im stillen den Verdacht abbat, mit dem er diese Unterredung begonnen hatte. „Erzählen Sie weiter!" sagte er freundlich. „Ich ver mute, Sie trafen nun draußen im Vorzimmer mit Ihrer Kusine zusammen?" „Leider! Und das war mir furchtbar peinlich, denn ich sah an Andreas erschrocken-vorwurfsvollem Blick, daß sie den Zweck meines Dortseins sofort erraten hatte." „Sie wußte also um Ihre Verlegenheit?" „Ja. Ihr allein hatte ich mich am Abend zuvor an vertraut. Wir beide hatten nie Geheimnisse voreinander, müssen Sie wissen. Ich war so verlegen, daß ich zuerst kein Wort herausbrachte. Sie sah mich streng an und fragte: „Was tust du hier, Willy?" Und ich war so verstört von all den Aufregungen vorher, zu denen nun noch diese unerwartete Begegnung kam, daß ich sie beinahe unwirsch anfuhr: „Ich bitte, nur jetzt und hier keine Auseinander setzungen! Ich werde dir alles erklären ... später ..." Damit ließ ich sie stthen und rannte davon, als wäre ein Feind hinter mir. Von diesem Moment an habe ich sie nicht wiedergesehen, und Sie können sich denken, wie schrecklich mir der Gedanke ist, mich nun vielleicht nie mehr bei ihr entschuldigen zu können, überhaupt so im Groll von ihr geschieden zu sein, die mir allzeit eine so liebe, auf opfernde Schwester gewesen war." Er schwieg. Fernau nickte vor sich hin. „Ja — auf opfernd wie eine wahre Schwester, ich glaube, das ist das richtige Wort! Und von wem erhielten Sie dann schließ lich das Geld?" „Von einem Geldverleiher, zu dem ich noch am selben Abend ging. Natürlich mußte ich dem Mann einen Wechsel ausstellen und 15 Prozent zahlen." „Und davon, daß unten bei Frau Hartwig unmittel bar nach Ihrem Fortgehen der Diebstahl eines Tauscnd- markscheins konstatiert wurde, erfuhren Sie gar nichts?" Losenstein starrte den Sprecher an. Tann sprang er mit einem Schrei auf: . „Herr! Was wollen Sie damit sagen?" ' ' „Nichts, was Sie beleidigen könnte; darauf gebe ich Ihnen mein Wort, obwohl ich offen gestehen will, daß ich unsere Unterredung mit — anderen Gedanken begann. Aber ich bilde mir ein, kein schlechter Menschenkenner zu sein, und Sie haben mir im Verlauf unserer Unterhaltung Gelegenheit genug gegeben, Sie von der besten Seite kennenzulernen. Bleiben Sie also nur ganz ruhig, lieber Herr. Ich will Ihnen eine Geschichte erzählen, aus der Sie dann selbst Ihre Schlüsse ziehen mögen. Dazu muß ich allerdings etwas weiter ausholen und Ihnen auch Dinge erzählen, die streng unter uns bleiben müssen." (Fortsetzung folgt.) Lew