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Unterhaltungs-Beilage zum MM-WWl MW M UM Druck und Verlag von I. Nuhr Nachf. Dr. Alban irisch, Hohenstein-Ernstthal. (Nachdruck verboten.) Ter. Wer ver- Hochzcit! Sie antworteten (25. Fortsetzung.) Else hatte leise, wie widerstrebend gesprochen. Aber Annette schüttelte lebhaft den Kopf. „Ach bewahre, ich lasse Sie nicht fort! Das wäre noch schöner, wenn Sie mir gleich davonliefen. Seien Sie klug, Else, nehmen Sie's nicht tragisch! Ich leiste Ihnen doch in aller Form Abbitte!" Annette war einige Male im Zimmer auf und ab gegangen. Jetzt blieb sie vor Else stehen und strich ihr mit der Hand über die Wange. „Wissen Sie, daß Sie gar nicht mehr hübsch sind, Mädel? Ihnen passen nur rote Backen und lachende Augen! Ja, so geht es uns armen Frauen! Ehe wir uns recht besinnen, sind wir alt und verblüht! Aber sagen Sie bloß, warum lassen Sie immerzu nur mich reden?" Annette hielt plötzlich inne und lauschte auf die rasse hinaus. „Fährt nicht ein Wagen vor?" Else trat auf die Terrasse. „Eine Dame ist ausgestiegen!" sagte sie. „Ich habe keine Lust, Besuche zu empfangen, ist's denn?" „Ich kann ihr Gesicht nicht sehen, sie ist tief schleiert!" Als gleich darauf Käthe mit der Meldung kam, die Dame wünsche die Frau Baronin allein zu sprechen, sagte Annette: „Also, in Gottes Namen! Es ist schrecklich!" Else verließ mit Käthe das Zimmer. Annette wandte hastig den Kopf, als die Tür geöffnet wurde. Sie kniff unsicher die Augen zusammen und rief mit den Anzeichen heftigen Erschreckens, als die Dame den Schleier zurückschlug: „Lydia!" „Ja, ja, Annette — ich bin es wirklich!" Lydia Aork schloß die Tür und trat dicht an Annette heran. „Wundert es Sie wirklich so sehr, daß ich zu Ihnen komme? Ich schrieb Ihnen doch, daß ich Sie persönlich von der Freilassung meines Bruders benachrichtigen würde." „So scheint es!» sagte Frau York und ließ die Blicke umherwandern. „Sie haben die Vergangehnert über wunden, Annette?" . . » „Gott sei Dank! Ganz und gar!" gab Annette fest zurück. „Aber es gibt einen — der kann es nicht!" Ganz plötzlich war Lydia aufgesprungen und, dicht neben die zurückweichende Annette tretend, zischte sie thr die Worte förmlich ins Gesicht. Ihre Züge waren verzerrt, die Augen funkelten. „Was — was soll das?" stammelte Annette verwirrt. „Ich komme, Sie an alte Schulden zu mahnen, Annette, die Sie völlig vergessen zu haben scheinen! Sie haben die Spuren der Vergangenheit getilgt und ein neues Leben begonnen, aber der Unglückliche, als dessen Ver treterin ich hier vor Ihnen stehe —" „Was kümmert mich das? Was geht mich -- Ihr Bruder an?" „Hat er Sie nicht freigsmacht und dadurch sein Leben vernichtet?" „Sind Sie hergekommen, alte Geschichten aufzu- wärmen? Ich habe von Ihrem Bruder nichts gefordert! Daß ich dem Mörder meines Mannes etwas danken sollte, erscheint mir frivol! Das Leben, das ich jetzt lebe, habe ich allein mir aufgebaut, ich ganz allein!" „Sie konnten es aber nur darum aufbauen, weil Sie das andere zerstörten — das ist's ja! Doch wir wollen zur Sache kommen: mein Bruder ist seit acht Tagen frei!" „Wünschen Sie, daß ich sage: es freut mich?" sagte Annette herb. „Nein, wozu lügen! Es freut Sie nicht, ich weiß es; aber das genügt nicht, ihm selbst müssen Sie es sagen!" „Was muß ich?" fragte Annette ungläubig. „Meinem Bruder sagen, wie gleichgültig Ihnen sein Schicksal ist!" „Sind Sie toll? Was kümmert mich Ihr Bruder? Ich kenne ihn nicht mehr! Niemand in meinem jetzigen Leben weiß etwas von ihm!" „Daß Ihnen meine Forderung nicht bequem ist, glaube ich schon, aber Ihre Bequemlichkeit ist Nebensache. Es handelt sich um den Menschen, der durch Ihre Schuld ein Unseliger geworden, den Sie zugrunde gerichtet haben — um den handelt es sich jetzt! Sie können ihn vielleicht noch retten! Um das zu fordern, bin ich da." „Ich verstehe kein Wort von alledem! Ich kenne Herrn Felix Wessel nicht mehr, er kümmert mich nichts, gar nichts!" „Sie sollen nichts tun, als ihm das alles selbst sagen, Annette!" „Ich? Warum ich? Sagen Sie's ihm doch!" „Das hilft nichts!" „Ich will ihn aber nicht sehen, ich will nicht!" „Annette, versuchen Sie, mich ruhig anzuhören! Mein Bruder hat sich zwei Jahre lang in den Gedanken verbohrt, er habe Ihnen mit dem Einsatz seiner Existenz l Sie schon! Und da bin ich!" Ganz plötzlich besann sich Annette — kurz nach ihrer ; Verheiratung — ja, da hatte sie einen Brief erhalten, » dessen Aufschrift sie erkannt und den sie darum uneröfsnet l verbrannt hatte! Sie wollte nichts mehr von der Ver- ! gangendeit wissen! Und nun stand die Vergangenheit I leibhaftig vor ihr! „Was wollen Sie denn?" brach Annette heftig los. „Viel Freude scheint Ihnen mein Besuch nicht zu be- > reiten!" sagte Lydia York traurig. Ihr abgehärmtes Ge- ! sicht trug einen unruhigen, gespannten Ausdruck. „Verzeihen Sie — aber alles, was mit Ihrer Person I in Verbindung steht — das — das ist einfach nicht mehr!" „Sie schrieben mir? Ich habe nichts erhalten." „Ach, nicht jetzt! Das ist schon fast zwei Jahre her — es war bald nach Ihrer Hochzeit! Sie antworteten mir nicht, aber ich sagte mir, wenn's soweit ist, finde ich Schiffbruch im Hafen Roma« vo« Zda Dock.