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I Ihre Freiheit gegeben, sich dadurch aber ein Recht auf Sie » erworben, und daran klammert er sich! Ob das noch » Leidenschaft ist, oder schon Wahnsinn, ich weiß es nicht, I aber nach seiner Meinung gibt es für ihn nur noch eine I Zukunft mit Ihnen!" Annette wollte aufbrausen, aber Lydia griff nach ihrer » Hand. . „Ich hab? mir Mühe gegeben, ihn zur Vernunft zu f bringen. In all meinen Briefen tat ich's und sagte ihm, » daß Sie seiner nicht wert sind — ja, das habe ich ihm ost . gesagt!" unterbrach sie sich, als Annette empört den Kopf I zurückwarf, „ja ja, das sagte ich ihm!" I „Und er?" „Er?" Lydia lachte Hilter auf. „Ich habe ihm den i Inhalt unserer letzten Unterredung vor zwei Jahren mit- > geteilt, sagte ihm, daß Sie ihn hassen — alles umsonst! I „Sie gehört mir, ich werde sie mir erobern, und wenn » mein Weg über Leichen geht!" — Das ist seine Antwort!" „Herrgott im Himmel!" Annette sank auf einen I Stuhl. »Jetzt glauben Sie wenigstens, daß es Ernst, daß es ff nicht abzutun ist mit einem hochmütigen: „Ich will nicht!" - sagte Lydia traurig, „aber ich will Sie von meinem I armen Bruder befreien, weil ich darin seine einzige Ret- I tung sehe — Sie müssen nur das tun, was ich fordere!" „Was soll ich tun?" flüsterte Annette angstvoll. „Was ich Felix sage, hilft nichts! — Er glaubt mir I nicht. Von Ihnen selbst muß er all das hören, was er I mir nicht glaubt; und dann — er muß Sie vor allem » sehen — jetzt, nachdem ich selbst Sie sah —" „Mich sehen?" fragte Annette mit angstvollem Lauern. „Ja, oder sagt Ihnen Ihr Spiegel nicht, daß Sie un- ß gefährlich geworden sind? Sie leben in seiner Erinnerung « als das blühende, lebensfrische Weib, das seine Sinne , glühend begehrten — wenn er Sie jetzt sieht — wird ihm I das Verzichten nicht schwerfallen!" Annette schlug die Hände vor das Gesicht. Wie ; Peitschenhiebe wirkten die schonungslosen Worte der blas- » sen Frau, in deren Augen ein böses Leuchten aufglomm. „Sie sind ein Teufel!" stöhnte Annette verzweifelt. „O nein, ich freue mich nur, Ihnen mit der Wahrheit ; weh' tun zu können! Sie haben wohl nie daran gedacht, » was Sie mir getan haben, als Sie mir den Bruder > nahmen, den einzigen Menschen, den ich noch hatte! Wenn I Sie ihn noch geliebt hätten! Aber — Sie haben mit ihm ; gespielt und ihn weggeworsen, als Sie das Spielzeug ver- » dorben hatten!" „Ich habe ihm nichts getan!" „Sie haben ihn nur toll gemacht — sonst nichts! » Aber das neue Spielzeug, das Sie sich zulegten, liebe » Annette, die Liebe, ist nichts für Frauen in unserem Alter. I Sie sind ein Jahr älter als ich! Sie sollen einen bild- ß hübschen jungen Gatten haben — sehr unvorsichtig von > Ihnen!" „Genug! Ich dulde es nicht —" „Regen Sie sich nicht unnötig auf, ich gehe, sobald ß meine Mission erfüllt ist. Wann werden Sie Felix » empfangen?" „Niemals!" „Sie werden! Ich rate es Ihnen in Ihrem eigenen I Interesse! Der arme Felix ist ein Desperado geworden. » Ein Mensch, der mit allem zu Ende ist, dem an nichts , mehr auf der Welt etwas liegt, der aber auch vor nichts I zurüüscheut — verstehen Sie — vor nichts! Er will Sie I sehen! Gewähren Sie ihm eine Zusammenkunft — er » wird keine zweite fordern, das versichere ich Ihnen — er , wird geheilt sein! Damit ist auch Ihnen geholfen!" „Aber — wie soll ich denn — hier? Und ich bin lei- z dend!" Annette weinte vor Verzweiflung. „Irgendeinen Ausweg müssen Sie finden, und zwar » bald, sonst kommt Felix ungebeten!" „Um Gottes willen!" „Das wäre Ihnen peinlich? :ch begreife es! Also » überlegen Sie rasch — wann? wo^ „Ich weiß nicht!" „Seien Sie doch nicht so schwerfällig! Sie sanden l doch früher immer Mittel und Wege, Heimlichkeiten durch- ff zuführen!" „O, Sie, Sie!" zischte Annette. Aber dann dachte sie I nach. „Wie soll ich es nur machen! Ich bin nie allein! Mein Mann ist fast immer zu Hause — höchstens, daß er einmal auf die Jagd geht!" Annette erhob sich plötzlich, wie mit einem energischen Entschluß. „Gut! Sie sollen Ihren Willen haben. Hören Sie wohl: Ihr Bruder soll morgen nach Salzburg fahren, und gegen Abend um sechs Uhr den Waldweg von der Station, den er kennt, hierherkommen! Fehlgehen kann er nicht, er braucht auch gar nicht zu fragen; wo der Weg abzweigt, steht ein Weiser. Der Weg mündet in unseren Park hinter dem Pavillon. Die Parktürs — warten Sie!" Annette eilte an ihren Schreibtisch und schloß ein Fach auf. „Hier ist der Schlüssel. Er soll vorsichtig aufschließen und sofort in den Pavillon gehen, dort erwarte ich ihn!" Lydia wiederholte alles, dann sagte sie: „So machen Sie's vielleicht noch gut," und verließ rasch das Zimmer. Annette stand wie entgeistert. Dann rollte der Wagen davon. „Alt geworden!" sagte Annette plötzlich laut und starrte mit entsetzten Bugen vor sich hin. Aber dann ballte sie.Lie Hände zu Fäusten und ries: „Nein, nein — es ist nicht wahr!" Sie lief zur Tür. Als sie öffnen wollte, trat ihr Hans entgegen. Er sah sich verwundert um: „Du sprachst doch eben! Käthe sagte mir, du hättest Besuch?" „Ach, 'ne Wohltätigkeilsbettelei — die rennen einem doch die Türen ein! Ich bin ganz zornig!" Hans lachte. „Bist du geizig geworden, Anne!" Hans sah schlecht aus, auf seinem Gesicht kam und ging ein nervöses Zucken. Er setzte mehrmals zum Sprechen an, biß sich auf die Lippen, rannte unrnhig hin und her, nahm bald das eine, bald das andere Nippes in die Hand, starrte es gedanken los an, stellte es wieder hin und blieb dann plötzlich vor Annette stehen, die ihn schon argwöhnisch beobachtet hatte. „Hör' mal, Anne — ich wollte dich fragen —" „Was denn?" unterbrach sie ihn gereizt. „Du willst natürlich wieder mit Penzler fort!" „Ob du nichts aus der Stadt brauchst, wollte ich dich fragen." In Annettes Augen leuchtete es auf: „O, das trifft sich gut — ich habe eine Menge Kommissionen für dich!" sagte sie rasch. Hans sah sie verwundert an. So glatt ging das heute! Seltsam! Und wie hatte er sich davor gefürchtet, ihr Rede stehen zu müssen! Konnte er ihr sagen: Es leidet mich nicht in deinem Hause, da ich das Mädchen am liebsten in meine Arme reißen möchte und mit ihm davongehen, weit» weit —. Hans zitterte davor, Else zu begegnen, und sehnte sich doch danach. Er konnte nicht mit ihr vor Annette Zu sammentreffen, solange er nicht ruhiger geworden. Darum wollte er in die Stadt. Er atmete wie erlöst auf, als Annette sich so wider Erwarten nachgiebig zeigte. Er mußte Ruhe gewinnen, hier in Stramitz war das un möglich! „Kommst du mit in den Pavillon, Hans? Else wird auch unten sein, wir sind schon wieder gut!" fragte Annette. „Da kannst du mir sagen, wann du in die Stadt willst." Hans zog gedankenlos an seiner Zigarette und starrte in den Park hinaus. Nun schrak er auf. „Ach, bitte, ent schuldige mich, ich — muß endlich an Mar schreiben. Vor lauter Nichtstun beleidigt man seine besten Freunde, in dem man sie vernachlässigt!" „Grüß' ihn von mir," sagte Annette ruhig und reichte Hans die Hand. Dann schritt sie langsam in den Park hinab. Hans sah ihr erstaunt nach: Keine Widerrede? Was bedeutete diese Ruhe? Zum ersten Male, seit Annette ihn an der goldenen Kette hielt, fühlte er sich in seinem Gewissen unfrei. Aber — befand er sich nicht gerade darum auf dem Wege zur Freiheit? An den Gedanken klammerte er sich. Zur Frei heit, zur Achtung vor sich selbst! Er fragte nicht nach dem Wege. Er sah nur das Ziel. - (Fortjetzung folgt.)