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Nr. 94 PAPIER-ZEITUNG 3499 jedem Ballast, der Auge und Geist ablenkt. Bei nicht zu weitem Ausschliessen werden auch die durch Einzug und Ausgang hervor gerufenen Lücken und hellen Streifen das Bild nicht unruhig er scheinen lassen. Sobald der Einzug besteht, lasse man auch den Ausgang gelten. Allerdings braucht der. Einzug nicht so gross zu sein, wie er bei sogenannten »Prachtwerken« in der üebung ist. Ein Geviert des benutzten Schriftgrades wird gewöhnlich ge nügen. Wo Füllstücke angewendet werden, sei man in der Wahl der selben vorsichtig, vor Allem fülle man die Zeile dann ganz. Zu schwere Füllstücke, die sich dem Auge aufdrängen, müssen in ihrer Wirkung durch andersfarbigen Druck gemildert werden. Solche Ornamente, welche dem Tonwerthe der Schrift gleichkommen, geben wohl der Flächenwirkung die vollkommenste Ruhe, beeinträchtigen aber die Uebersichtlichkeit. Es bleiben dann nur noch hinsichtlich Zweckmässigkeit solche Füllornamente übrig, die leichter sind als die Schrift und den Absatz erkennen lassen, ohne zu sehr zurückzutreten. (Da solche Schmuckstücke nur bei kostspieligem Druck in Betracht kommen, sollte man an der guten Regel festhalten, die Füllstücke stets in einer zweiten Farbe zu drucken. Red.) Das Bild muss offen und klar sein, es darf kein verworrenes Linienspiel zeigen. Fehlen passende Füllstücke, so verzichte man lieber auf jeden Schmuck. Bei UeberSchriften von Kapiteln und Rubrikzeilen im Werksatz sind die bisherigen Regeln sowohl über Schriftenwahl als Sperrung ge ändert. In dem von August Narahrens herausgegebenen »Handbuch der Typographie« sind ausführliche Angaben über Schriftenwahl und Sperrung zu finden, welche den zur Zeit der Herausgabe dieses Lehr buches geltenden Anschauungen Rechnung trugen. Den alten Regeln ist zunächst eine gewisse Buntheit in der Schriftenwahl eigenthümlich. Sobald nämlich eine Zeile eine andere Bedeutung hatte, war auch ein anderer Schriftcharakter vorgeschrieben. Dementsprechend boten die Accidenzarbeiten dieser Zeit, welcher so ziemlich jedes Stilgefühl fehlte, dasselbe regellose Bild bezüglich der Schriftenwahl. In Bezug auf Sperrung beachtete man, dass die Anfangskolumne eines Werkes einen Vorschlag erhielt, welcher den vierten Theil der Kolumnenhöhe betrug. Bei Verwendung einer Kopfleiste wurde der Beginn des Textes noch tiefer gesenkt. Bei Kapitelanfängen auf der Mitte einer Kolumne betrug der Zwischenschlag, je nach Umständen, mehrere Textzeilen. In dem Zwischenschlag wurde die Schlusslinie unter gebracht, dann folgte die neue Ueberschrift. Die Trennung des vor angegangenen Kapitels war demnach durch einen breiten freien Raum, eine Schlusslinie und Ueberschrift in ausgiebiger Weise ge kennzeichnet. Heute müssen eben andere Wege eingeschlagen werden, um den veränderten Anschauungen gerecht zu werden. Die Ueberschriften sind im Schriftcharakter der Textschrift entsprechend grösser, unter Umständen auch kleiner zu setzen; bei Antiquaschriften in Versalien. Sind die gleichen Typen nicht vorhanden, so wähle man eine möglichst ähnliche Schrift. Ist die Ueberschrift mehrzeilig, so empfiehlt es sich, Alles aus verschiedenen Graden der zur Haupt zeile gewählten Type zu setzen. Bei Werken in Antiquaschrift ge nügen, wenn nichts Anderes vorhanden, die Versalien verschiedener Grade. Der Zwischenschlag, welcher im modernen Buche seine Daseins berechtigung verloren hat, wurde vom Redner für in beschränktem Maasse nothwendig erklärt. Man müsse sich aber auch hier vor Uebertreibung hüten, die Klarheit und Uebersichtlichkeit beeinträch- tigt. Anstelle des Vorschlags setze man eine Kopfleiste und darunter, in etwa Cicero Abstand, die Ueberschrift; nach geringem Zwischen raum beginne dann der Text. Die Schlusslinie soll wegfallen, an deren Stelle tritt eine Ornamentreihe, die über die ganze Satzbreite läuft. So wird unnöthige Raumverschwendung vermieden und der Schluss eines Kapitels ästhetisch und gefällig ausgedrückt. In der letzten Zeile dürfen keine Zeilenfüller angewendet werden, weil sonst zwei Ornamentreihen untereinander stehen würden. Die Anordnung der Ueberschriften ist sehr mannigfach. Man stellt z. B. die Ueber schrift an den vorderen Rand und füllt dann den freibleibenden Raum mit Ornamenten. Andere behandeln die Ueberschriften als Marginalien oder bauen sie links seitlich in den Text. Letztere Manier sei den beiden erstgenannten vorzuziehen. Redner schilderte dann den Gebrauch der Initiale, ihre Blüthezeit und späteren Verfall. Neuerdings bemühen sich die Schriftgiessereien auch für Buch schmuck vollwerthige Erzeugnisse zu schaffen, wenn auch nicht Alles, was von dort geboten wird, diese Bezeichnung verdient. Anerken- nenswerth ist die Schaffung von Initialen und Ornamenten, die mit der jeweiligen Schrift im Charakter übereinstimmen. Die Initiale sollen beim Werksatze stets so eingesetzt werden, dass deren oberer Rand mit der ersten Zeile gleichläuft, d. h. Linie hält, damit die rechteckige Form des Satzbildes nicht gestört wird. Geht das Initial mit der Schrift nicht aus, so ist geringes Hinaufrücken desselben nicht zu umgehen. Abhilfe hierfür schaffen die neuerdings für ein zelne Zierbuchstaben geschaffenen Untersetzfiguren. Der Text ist durchweg nur um ein starkes Spatium vom Initial wegzurücken und nicht, wie sonst üblich, die erste Zeile dicht anzustellen und die übrigen folgenden Zeilen um ein Halbgeviert einzuziehen. Redner betonte dann für den Werksetzer die Nothwendigkeit, seinen Ge schmack ebenso auszubilden wie der Accidenzsetzer; dann würden die leider jetzt noch vorkommenden groben Verstösse gegen alle Kunst im Werksatze von der Bildfläche verschwinden. Der Vortrag wurde durch Zeichnungen an der Tafel unterstützt, und , reicher Beifall der zahlreich Anwesenden lohnte den Redner. Nachdem noch die Neuwahl eines zweiten Schriftführers und Bibliothekars vollzogen und einige Vereinsangelegenheiten erledigt, schloss die Versammlung um 11 Uhr nachts, y. Druck- und Verlagsfirma auf Ansichtspostkarten Der Postkarten -Verleger J. Silberstein in München hatte sich wegen Verfehlungen gegen das Pressgesetz zu verantworten, weil er auf zwei Ansichtspostkarten, die in seinem Verlage erschienen, Namen und Wohnort des Druckers und Verlegers nicht voll ständig vermerkt hatte, wie dies das Pressgesetz verlangt. Silber stein war deswegen im Mandatswege mit einer Geldstrafe belegt worden und erhob gegen diesen Strafbefehl Einspruch mit der Begründung, dass viele Ansichtspostkarten diesen Vermerk nicht tragen, und dass nach § 6 Absatz 2 des Reichs - Pressgesetzes solche Erzeugnisse, welche dem Verkehre dienen, nicht mit dem Impressum, das sonst bei Druckschriften verlangt wird, ver sehen sein müssen. Das Amtsgericht München I verurtheilte den Angeklagten zu 10 M. Geldstrafe, hob die Beschlagnahme der Karten auf und sprach den Angeklagten von einer weiteren Uebertretung frei, da in diesem Falle Silberstein nicht der Verleger war. In den Gründen des Urtheils heisst es: »Es sei allerdings richtig, dass viele Ansichtspostkarten kursiren, die kein Impressum tragen, allein dies enthebe den Angeklagten nicht der Strafe. Man sei amtlich auf die beiden Silbersteinschen Karten aufmerksam geworden, weil diese mit der Ueberschrift »Vergebene Liebesmüh« und »Nach gethaner Arbeit ist gut ruhn«, sowie ihren obszönen Illustrationen, ein Gebiet, das von S. besonders stark gepflegt werde, schon in anderer Richtung die Behörden beschäftigten. Der Einwand, dass man es hier ledig lich mit Verkehrsmitteln zu thun habe, sei irrig. Der Zweck, einem Andern dies oder jenes Bild mitzutheilen, sei bei derartigen Karten wichtiger als die darauf angebrachte schriftliche Mittheilung. Diese Ansichtspostkarten könnten wohl, müssen aber nicht nothwendig zum Verkehr benutzt werden; die Hauptsache sei die Illustration, was schon daraus hervorgeht, dass man nicht jede beliebige Ansichtspost karte kaufe, sondern sich dieselbe nach eigenem Geschmacke aus wähle. Da demnach die Karten nicht ausschliesslich dem Verkehr dienen, könne § 6 Abs. 2 des Pressgesetzes nicht zur Anwendung kommen. M. Leistung der Reichsdruckerei, Berlin. Die Anstalt beschäftigt ein Personal von 1705 Köpfen, und zwar 81 Beamte. 242 ständig be schäftigte Künstler und Werkleute und 1882 Handwerker sowie Taglohn-Arbeiter. Im Rechnungsjahr 1900/01 wurden 15 Milliarden Stück geldwerthe Drucksachen mit einem Nennwerth von 14 Milliarden Mark hergestellt. Die Reichsdruckerei hat im Jahre 1900/01 12 Milliarden Postwerthzeichen, 81/2 Milliarden Versicherungsmarken, 107 Millionen Wechselstempelmarken, 50 Millionen Reichsstempel-Werthzeichen, 13 Millionen Sparmarken angefertigt. Reichsbanknoten wurden für 2,6 Milliarden M., Reichskassenscheine für 141 Millionen M., staatliche Schuldscheine und Zinsbogen für 81/2 Milliarden M. fertig. An jedem Arbeitstag stellt die Druckerei 10 Millionen Stück geldwerthe Druck sachen mit einem Nennwerth von 9 Millionen M. her. Ausserdem wird alljährlich etwa l l t Milliarde Bogen gewöhnlicher, nicht geld- werther Drucksachen hergestellt. Die Einnahmen der Reichsdruckerei sind jetzt auf 7,9 Millionen M., die Ausgaben auf 5,7 Millionen M. an gewachsen, sodass ein Ueberschuss von 2,2 Millionen M. verbleibt. Alle Behörden, auch die Post, in deren Bereich die Reichsdruckerei gehört, bezahlen ihre Aufträge. K. Vorsicht bei Druckereikäufen! Dass man bei Druckereikäufen oft nicht vorsichtig genug zu Werke gehen kann, beweist ein Fall, worüber dem »Frankf. Journal« aus Darmstadt, 18. Oktober, wie folgt berichtet wird: Die Strafkammer verhandelte heute gegen die 44 Jahre alte Frau Marie Gerhardt geb. Ruppel aus Oberflörsheim, jetzt in Mainz, wegen Betrugs. Sie war bis zum Frühjahr d. Js. Besitzerin der »Mainspitze« in Rüsselsheim nebst der dazu gehörigen Druckerei, welche sie vor wenigen Jahren für 12 O JO M. gekauft hatte. Das Ge schäft ging nicht in der gewünschten Weise, sie klagte verschiedentlich über schlechten Geschäftsgang. Um das Geschäft günstig zu ver kaufen, machte sie verschiedenen Kauflustigen falsche Angaben über den Umsatz und fand so in dem Buchdrucker K. Freudemann einen Käufer, der das Geschäft übernahm, da nach Aussage und schriftlichen Niederlegungen der bisherigen Besitzerin im Jahre für 12 000 M. Accidenzen hergestellt würden. Es stellte sich alsbald heraus, dass nicht die Hälfte des Umsatzes vorhanden war. Das Kontobuch über die Accidenzen war nach dem Verkauf plötzlich verschwunden. Der Gerichtshof verurtheilte die Angeklagte zu 6 Monaten Gefängniss- strafe und einer Geldstrafe von 400 M. Die Angeklagte legte Be rufung ein. CI. Neue Zwangs-Innungen. Der Provinzialverein Posener Buchdruckerei besitzer beauftragt seinen Vorstand, die Errichtung zweier (Zwangs-) Innungen für das Buch- und Steindruckgewerbe der beiden Regierungs bezirke Posen und Bromberg, die später durch einen Ionungsausschuss zu verbinden wären, in die Wege zu leiten. K.