Volltext Seite (XML)
3394 PAPIER-ZEITUNG Nr. 91 76 obm und am 28. noch 61 ebm gemessen, die übrigen beiden Flussläufe schwankten in gleicher Weise. Bis zur Elbe fort schreitend bestand dasselbe Verhältniss, das auch noch im Königreich Sachsen ähnlich war und sich in Baiern ganz dem Westen anschloss. Der übrige ostelbische Theil Deutschlands wich etwas von der vorgezeichneten Gestaltung und Ausnutzung der Wasserkräfte ab, der Zufluss war gleichmässiger, er war bereits zu Monatsanfang durch hart am Septemberschlusse mehrfach niedergegangene Gewitterregen gesteigert, wurde aber auch im 2. und 3. Tagfünft nicht so hoch wie im Westen und steigerte sich im letzten Monatsdrittel wieder vielfach, als in den östlichen Gebieten relativ stärkere Niederschläge fielen. Wassermangel trat deshalb im Osten im Oktober nicht auf. und wenn auch kein so grosser Theil des Zuflusses wie im Westen unbenutzt gelassen werden konnte, so floss doch meist ein kleiner Theil über die Wehre. Da in den Bezirken mit Stauweihern diese durch die überschüssigen Wassermengen des Oktoberzuflusses zum grössten Theile gefüllt sind, so ist Benutzung der Wasserkräfte auch für die nächste Zeit gesichert. Vergleich der Wasserverhältnisse des letzten Oktober mit denen der Vormonate und -Jahre an Hand der zu Duderstadt an der Hahle gemachten Beobachtungen: 1. Monat 9. Nieder schlags höhe in mm 3. Wasser stand in cm 4. Sekundl. Wasser menge in Litern 6. Erdgehalt des Wassers mitt lerer Maximum | Minimum Tage mit Höhe am Höhe am rothem Wasser Klarem Wasser Jan. 1901 49 19,5 25 27. 16 19. 137 12 19 Febr. 1901 39 19,1 25 28. 15 23. 134 6 22 März 1901 34 22,8 25 1. 21 25. 152 18 18 April 1901 85 21,9 24 16. 20 27. 147 18 17 Mai 1901 22 20,0 22 11. 18 25. 141 4 27 Juni 1901 59 18,1 23 10. 15 80. 180 14 16 Juli 1901 113 16,7 24 24. 13 19. 121 16 15 Aug. 1901 33 13,6 17 2. 12 25. 104 1 80 Sept. 1901 83 15,2 21 14. 11 8. 111 10 20 Okt. 1901 63 16,4 20 9. 11 4. 120 9 22 „ 1900 118 17,0 22 29. 13 9. 123 22 9 „ 1899 12 18,8 17 1. 12 80. 105 8 28 „ 1898 53 13,2 16 18. 11 10. 108 7 24 „ 1897 23 18,8 15 20. 13 31. 105 8 28 Der Mittelwerth ist danach im Oktober gegen September etwas gestiegen. Von den Vorjahren übertrifft ihn nur der Oktober 1900. In den Jahren 1897—1899, die sämmtlich in die industrielle Blüthezeit fielen, herrschte im Oktober aus gesprochener Wassermangel. L. Koch Papierne Zivilisation Ein Werk, welches grosses Aufsehen erregt und viel ge lesen wird, heisst »Die Grundlagen des 19. Jahrhunderts«, aus der Feder von Stuart H. Chamberlain (nicht zu verwechseln mit dem Politiker Joseph Chamberlain). Er sagt darin: Ebenso wie unsere Wissenschaft eine »mathematische« genannt werden kann, besitzt unsere Zivilisation von Anfang an einen be stimmten Charakter, oder, wenn man will, eine bestimmte Fysiognomie; und zwar ist es eine Industrie, welche an jenem entscheidenden Wendepunkte des 12.—13. Jahrhunderts unserer Zivilisation dieses besondere Gepräge verlieh, das in der Folge dann immer weitere Ausbildung erfuhr: unsere Zivilisation ist eine papierne. Auf dem Gebiete einer konkreten und wahrhaftigen Geschichts betrachtung wird die Einsicht in den historischen Gang unserer Zivilisation durch die einseitige Betonung der Erfindung des Druckes verdunkelt. Die Idee des Druckes ist uralt; jeder Stempel, jede Münze geht aus ihr hervor; das älteste Exemplar der gothischen Bibelübersetzung, der sogen. Codex argenteus, ist mit Hilfe glühender Metalltypen auf Pergament gedruckt; entscheidend — weil unter scheidend — ist nur die Art und Weise, wie die Germanen dazu kamen, gegossene, zusammenstellbare Lettern und damit den praktischen Buchdruck zu erfinden, und dies hängt wiederum mit ihrer Werthschätzung des Papiers zusammen. Denn der Buchdruck entsteht als Verwendung des Papiers. Sobald das Papier — d. h. also ein brauchbarer billiger Stoff zur Vervielfältigung — da war, fingen an hundert Orten (in den Niederlanden, Deutschland, Italien, Frankreich) die fleissigen, findigen Germanen an, nach einer prak tischen Lösung des alten Problems, wie man Bücher mechanisch drucken könne, zu fahnden. Es verlohnt sich, das, was hier vorging, genauer in Augenschein zu nehmen, namentlich, da Kompendien und Lexika über die früheste Geschichte unseres Papiers noch sehr schlecht informirt sind. Erst durch die Arbeiten von Joseph Karabacek und Julius Wiesner ist nämlich volle Klarheit in die Sache gekommen, und zwar mit dem Ergebniss, dass hier eines der interessantesten Kapitel zu der Erkenntniss germanischer Eigenart vorliegt. Auf die Idee, eine billige, handliche, allgemein verwendbare Unterlage für die Schrift zu fabriziren (anstelle des kostspieligen Pergaments, der noch kostspieligeren Seide, des verhältnissmässig seltenen Papyrus, der assyrischen Schreibziegel usw.) scheinen jene emsigen Utilitarier, die Chinesen, zuerst verfallen zu sein; doch ent spricht die Behauptung, sie hätten »das Papier erfunden«, nur theil weise den Thatsachen. Die Chinesen, die selber einen dem unsrigen durchaus ähnlichen Papyrus benutzten und die Nachtheile hiervon kannten, verfielen darauf, aus geeigneten Pflanzenfasern auf künst lichem Wege ein dem Papier analoges Schreibmaterial herzustellen: das ist ihr Beitrag zur Erfindung des Papiers. Chinesische Kriegs gefangene brachten etwa im 7. Jahrhundert diese Industrie nach Samarkand, einer Stadt, die dem arabischen Khalifat unterstand und meist von fast unabhängigen türkischen Fürsten regiert wurde, deren Einwohnerschaft aber damals zum überwiegenden Theil aus persischen Iraniern bestand. Diese Iranier, unsere indoeuropäischen Vettern, fassten die unbeholfenen chinesischen Versuche mit dem höheren Verständniss einer ungleich reicheren und fantasievolleren Begabung auf und verwandelten sie gänzlich, indem sie »fast sofort« die Be reitung des Papiers aus Hadern oder Lumpen erfanden. Dies ist ein auffallender Vorgang, namentlich wenn man bedenkt, dass die Chinesen bis zum heutigen Tage nicht weiter gekommen sind, und Herr Karabacek ist wohl berechtigt auszurufen: »ein Sieg des fremden Ingeniums über die Erfindungsgabe der Chinesen!« Das ist also die erste Etappe: ein indoeuropäisches Volk, angeregt durch das prak tische, doch sehr beschränkte Geschick der Chinesen, erfindet »fast sofort« das Papier; Samarkand wird auf längere Zeit die Metropole der Papierfabrikation. Nun folgt die zweite und ebenso lehrreiche Etappe. Im Jahre 795 liess Harun-al-Raschid (der Zeitgenosse Karls des Grossen) Arbeiter aus Samarkand kommen und eine Papierfabrik in Bagdad errichten. Die Zubereitung wurde als Staatsgeheimniss bewahrt; doch überall, wohin Araber kamen, begleitete sie das Papier, nament lich auch nach dem maurischen Spanien, jenem Lande, wo die Juden eine lange Blüthezeit erlebten, und wo nachgewiesenermaassen Papier seit Anfang des 10. Jahrhunderts im Gebrauch stand. Dagegen ge langte fast gar kein Papier nach dem germanischen Europa, und wenn auch, dann nur als geheimnissvoller Stoff unbekannter Herkunft. Das dauerte bis in das 13. Jahrhundert. Fast ein halbes Jahrtausend haben also die Semiten und Halbsemiten das Monopol des Papiers gehabt, Zeit genug, wenn sie ein Fünkchen Erfindungskraft besessen, wenn sie nur die geringste Sehnsucht nach geistigen Thaten gekannt hätten, um diese herrliche Waffe des Geistes zu einer Macht auszu bilden. Und was haben sie in diesem Zeitraum — der eine grössere Frist umspannt, als von Gutenberg bis heute — damit geleistet? Nichts, rein gar nichts. Nur Schuldscheine haben sie darauf anzu bringen gewusst, und ausserdem etliche hundert öde, langweilige, geisttödtende Bücher; die Erfindung des Iraniers zur Verballhornung der Gedanken des Hellenen in erlogener Gelehrsamkeit dienend! Doch nun folgte die dritte Etappe. Im Verlauf der Kreuzzüge wurde das mit so viel Geistesarmuth gehütete Manufakturgeheimniss gelüftet; was der arme Iranier, zwischen Semiten, Tartaren und Chinesen eingekeilt, erfunden, das übernahm jetzt der freie Germane. In den letzten Jahren des 12. Jahrhunderts gelangte die genaue Kunde, wie Papier zu bereiten sei, nach Europa; wie ein Lauffeuer verbreitete sich das neue Gewerbe durch alle Länder; in wenigen Jahren genügten schon die einfachen Geräthe des Orients nicht mehr; eine Verbesserung folgte der andern; im Jahre 1290 stand schon die erste regelrechte Papiermühle (in Ravensburg); kaum hundert Jahre dauerte es, bis der Holzdruck (auch ganzer Bücher) sich eingebürgert hatte, und in weiteren fünfzig Jahren war der Buchdruck mit beweg lichen Typen schon im Gang. Und glaubt man wirklich, dieser Buch druck habe erst unseren Geist »beflügelt«? Welcher Hohn auf die Thatsachen der Geschichte! welche Verkennung des hohen Werthes germanischer Eigenart! Wir sehen doch, dass ganz im Gegentheil der beflügelte Geist es war, der die Erfindung des Buchdruckes ge radezu erzwungen hat. Während die Chinesen es niemals über den schwerfälligen Holztafeldruck hinausbrachten (und dies erst nach vielleicht tausendjährigem Herumtappen), während die semitischen Völker das Papier so gut wie unbenutzt hatten liegen lassen, war im germanischen Europa und namentlich in seinem Mittelpunkt Deutsch land »die Massenherstellung wohlfeiler Papierhandschriften« sofort ein Gewerbe geworden. Janssen meldet, dass man in Deutschland, lange ehe der Druck mit gegossenen Lettern begonnen hatte, zu billigen Preisen die bedeutendsten Erzeugnisse mittelhochdeutscher Poesie, Volksbücher, Sagen, volksthümlich-medizinische Schriften feil geboten habe. Und was Janssen verschweigt, ist, dass schon vom 13. Jahrhundert ab das Papier, die Bibel, namentlich das neue Testament, durch viele Theile von Europa, übersetzt in die Volks sprachen, verbreitet hatte, sodass die Sendlinge der Inquisition, die selber nur zugestutzte Brocken aus der heiligen Schrift kannten, er staunt waren, Bauern zu begegnen, welche die vier Evangelien von Anfang bis zu Ende hersagten. Das Verlangen nach Lesen und Wissen wuchs mit jedem Tage; noch gab es keine Bücher (in unserm Sinne) und schon gab es Buchhändler, die von Messe zu Messe reisten und massenhaften Absatz ihrer sauberen, billigen Abschriften auf Papier erzielten; die Erfindung des Buchdruckes wurde geradezu er zwungen. Darum auch die eigenthümliche Geschichte dieser Er findung. Sonst müssen neue Ideen viel kämpfen, ehe sie Anerkennung finden: man denke nur an die Dampfmaschine, Nähmaschine usw.;