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Und dar soll auch euer Bekenntnis heute sein, ihr Kleine» mrd Großen, die ihr gerade diesen Tag mit feiern dürft. Hier sollS bei euch heißen, ihr Kinder: Meine Seele erhebet den Herrn. Erhoben worden seid ihr wohl allermeist äußerlich hier; hoch hinauf gingS, bis ihr hier oben wäret. Und hier oben: Reiu ist die Luft, die ihr athmet, hell das Licht, das ihr schaut, groß das Haus, in dem ihr wohnt und löblich schafet, lieblich laden die Wiesen und Felder, Haine und Wälder, eS grüßen die Vögel, es lacht euch die Sonne immer wieder an, und gerne am Morgen laßt ihr euch wecken: „Run reibet euch die Aeugleiu wach, die Schwalbe sitzt schon auf dem Dach, die Lerche singt schon in der Luft, die Blume prangt in Thau und Duft: Guten Morgen!" Das ist ein neues Leben, das euch aufgegaigen ist, die ihr, Le» engen Räumen entronnen, der Straße und dem Staube der Städte und großen Dörfer, hier aufathmet, gewartet und gepflegt vom Morgen bis zum Abend. Dafür danket eurem Gott, dem Herr»! Ja, sein Name soll vor euch hier in diesen Räumen genannt werden alle Tage. Draußen predigen es laut und herrlich Baum und Blume und Stein und Moos und Menschen, die ihr schauet, und hier drinnen der Sprüche mancherlei, die ihr lernt, und die Lieder, die ihr singet, und da- Gebet zu ihm, das ihr pfleA. Habt ihrs nicht bald gemerkt, wie gar fein sich- schläft, wenn ihr zu ihm ge betet habt vor dem Einschlafen, der euer Herr ist und will euer lieber Vater sein im Himmel: „Vater, laß dir Augen dein über meinem Bettchen sein?" Ja, hier sollt ihr ihn auch kennen lernen, der euch das alles ge geben, was ihr Schönes und Gutes seht und hört, schmecket uud fühlt, sollt ihn lieben lernen, sollt euch freuen lernen über den Heiland, der heil macht und gesuud macht, daß ihr fröhlich zu Eltern und Bruder und Schwester wieder heimkehren könnt; zur Leibesgesundheit verhilft er auch, und daS Herz will er auch froh machen, wenn er euch feinen Himmel zeigt t rauben mit Sonne, Mond und Sternen, und seinen Himmel droben mit seinen Engeln, die Gott lieben und ihm dienen! — Und mit den Kleinen erhebt ihr Großen den Herrn hier in der Stille und Pflege eines christlichen Hauses, hier in der Ruhe von der Arbeit und Mühe eures eigenen Haufes, hier im AuSschauen aus die Herrlichkeit des wunderbaren Herrn und Gottes: Die Erde ist sein und alles, was darinnen ist. Hier tyut ihr tiefe Athemzüge und sammelt Vorrath auf die kommenden Tage neuer Arbeit und neuer Pilgerschaft; hier kehrt ihr in der Stille ein im Vaterhause droben, und lasset eure Seele füllen und sättigen mit rechter Himmelsluft. — Der Leib braucht viel Luft, gute Lust; ihr merkt jetzt erst recht, wie wohl das thut, und die Seele braucht auch Luft, Himmels luft, viel Zuspruch und Vorrach; es kommen Tage, wo das Capital an Gottes Wort und Gottes Zuspruch ntcht groß genug sein kann, wenn man durchkommen will. Auf, macht weit Herz und Gemüch für eures Gottes Herrlichkeit: Meine Seele erhebet den Herrn, und mein Geist 'reuet sich Gottes, meines Heilandes. Ueber 2000 Kinder sinds bereits, die hier gepflegt worden sind, denen ein Bild dieser Stätte mitgegeben worden ist; von denen, mit denen wir vor 10 Jahren angefangen, und deren Bild wir auf der Photographie noch haben, ist manches heran gewachsen. Gott sei Dank, der das Licht christlicher Liebe in so nranche Familie nun schon hat fallen lasten, die Tyat christlichen Glaubens an so manchem Hause nun schon gesegnet hat. — Ein Wort der Maria ists, mit dem wir redeten. Was ist ihr Jubel? was macht sie singen? Sie soll als Mutter des Eingeborenen vom Vater die erste sein, die ihn, den Herrn der Herrlichkeit, auf Erden mit sterblichem Auge sieht! Es ist das Seligste, das einem Menschenkind zu Theil wird, den Schönste» unter den Menschenkindern mit Augen zu sehen. Heut' ist ein Tag, wo er sich sehen läßt. Diene deinen Brüdern, laß dich willig dazu machen und du siehst ihn und er sieht dann dich an, wen aber der Herrgott ansieht, der ist in Wahrheit angesehen, hoch angesehen, der hat Grund und immer neue Lust zu jubeln und zu bekennen: „Meine Seele erhebet den Herrn und mein Geist freuet sich Gottes, meines Heilandes." Amen. Auf Borkum haben die 400 Lutheraner dieser berühmten Rordseeinsel GlaubenSmuth genug gehabt, von dem angcsammclten Gelde eine Rothkirche auf dem geschenkten herrlichen Bauplatz herzustellen. In derselben sind bereits während der letzten Saison (1899) Gottesdienste abgehalten. Leider hat eS indes an einem Kurprediger gekehlt und die zur Erholung nach Borkum gekommenen luth. Geistlichen beklagen sich, daß man sie be stürmt hätte, zu predigen. Ohne Zweifel wird im nächsten Jahre die Be hörde diesem Uebelstande abhelfen und wenigstens für die Kürzest -inen. Vikar ernennen, das fordert schon die Ehre der Landeskirche. Ls wird uns erzählt, ein Ehepaar sei an der luth. Kirche vorübcgegaugen und auf die Frage des einen Theils, was denn da für ein Gebäude siehe, sei die Antwort erfolgt: Das ist die luth. Sekte. Unleugbar haben die Glieder unserer Kirche solch ein Urtheil mit v-rschuldet, wenn wir auch Ap.-Gesch. 24, 14 nicht vergessen wollen. Träten wir immer freudig für das luth. Bekenntoiß ein durch Wort und Wandel, so würden wir geachteter da stehen." — Die am 9. Juli 1899 geweihte Rothkirche mit 350 Sitzplätzen kostet 17,OM Mk., wovon 75M Mk. bezahlt sind. Die Gesammteinnahme für die Kirche beträgt bis jetzt ca. 10,5M Mk. Die Beckcnkollekten in der Badezeit ergaben reichlich 1M0 Mk. Im September 1899 hat der ! Minister endlich die staatliche Genehmigung zur Benutzung des Kirchleins gewährt; bis dahin mußten die Gottesdienste als Privatgottesdienste gelten. Die Anerkennung der Gemeinde ist leider immer noch nicht g.währt wor den. Der Prozeß vom Jahre 1898 betreffs Befreiung von der refor- mirten Kirchensteuer war beim Landgericht Aurich mit der Begründung abgcwiesen worden, es habe sich auf Borkum die praktische Union gebildet. Der Termin auf dem Oberlandesgericht, nachdem dagegen Widerspruch er hoben worden ist, ist auf den 15. Jul, 1900 angesetzt. Der HErr gebe den Sieg der gerechten Sache der Lutheraner gegenüber den intoleranten UnionLge- danken! Im Winter ists noch so, wie schon 1898 berichtet worden, daß die kirchliche Bedienung, welche aller 4 Wochen stattsindet, für den Prediger ein Opfer von 5 Tagen erfordert. Der um die Sache der luth. Kirche Borkums treu verdiente luth. Pastor Tilemann in Norden ist am 16. Februar heimgegangen. — Von den schweren Erfahrungen, welche die Lutheraner in Preußen zu machen hatten, sei erinnert an die Roth, die man hier und da ihnen da durch bereitet, Glieder luth. Landeskirchen, welche zu ihnen sich halten wollen, als ev. landeskirchliche Gemeindeglieder ohne weiteres zu bean spruchen, oder an folgende Verfügung. Im Stolp stehen seit Jchrzehnten die Gottesdienste der luth. Gemeinde auf dem wöchentlichen Kirchenzettel angezeigt: Ev.-luth. Kirche: vormittags 9 Uhr. Run plötzlich beanstandete der Regierungspräsident von Cöslin am 13. Juni 1898 zunächst, daß k. Reuter sich ev.-luth. Pastor nenne, und ein Jahr darauf verfügte er, daß er auch nicht mehr se ne Gottesdienste wie früher anzeigen dürfe. „Er staunt fragte sich der Pastor, was doch die Königl. Regierung für ein Interesse haben könnte, ihm etwas zu verbieten, was alle seine Amtsbrüder seit mehr als 50 Jahren ungehindert gethan haben und wozu er kraft seines Amtes als angcstellter Pastor einer ev.-luth. Kirchgemeinde berechtigt, ja verpflichtet ist. Wie sollte er sich denn anders nennen?" Doch am 6. Juli 1899 erhielt er ein Schreiben, aus dem wir folgendes hervorheben: „Ich untersage Ihnen hiermit die nochmalige Anwendung der nicht zu treffenden Bezeichnung der altluth. Gemeinde als „ev.-luth Kirche" in den öffentlichen Blättern und drohe Ihnen gleichzeitig auf Grund des Gesetzes eine Geldstrafe von 50 Mk. für jeden Fall der Richtbefolgung meines oben gegebenen Verbotes an." 0. Reuter hat natürlich dagegen Beschwerde ein gelegt. Ter Erfolg bez. Abschluß der Verhandlungen ist noch nicht erreicht. — Was die Arbeit in der Diaspora für Anforderungen an die Kraft des Pfarrers stellt, davon ein Beispiel aus einem Privatoriese des Pastors zu G., da er schreibt: Die Reise nach D. beginnt schon am Sonnabend Mittag und endet gewöhnlich am Sonntag Abend zu Mitte macht. Zwei mal mußte sie zu Weihnachten, am 24 und 26. Dezember, gemacht wer den: Solche Schlittenfahrt, früh am Morgen, wenn man schon 2 Stunden unterwegs ist, und nachdem ma^ in dem Reste Klatscher ms offener Straße Hai noch 2'4 Stunden warten müssen in der Dunkelheit, dem Schneesturm entgegen, bei 40 " Kälte, ist keine Kleinigkeit. Dann gehtS der Verspätung wegen direkt aus dem Schlitten an den Altar und nach schleunigst be endetem Gottesdienst wieder vom Altar ohne Imbiß aus den offenen Bauervwagen, der keine Federn besitzt, um gegen 5 Uhr in Gleiwitz ein- zutreffen und hier vom Bahnhof wieder sofort zur Kirchv zu fahren zum Gottesdienst. Und dann die halbe Nacht hindurch noch studiert und früh um k Uhr wieder auS dem Bett heraus: DaS ist ein Wunder vor meinen Augen, daß man solche Tage hat überstehen können." Nicht blos für den Piarrer, sondern auch fik die Kirchkinder ist der Weg zu den Predigtftstten ost mühsam und beschwerlich. Aber es ist doch ein Beweis kirchlicher Treue, wenn beispielsweise ein alter Mann von 80 Jahren einen Weg von 3 Meilen macht, um am Gottesdienst theilzunehmen und sich in der Gemeinschaft der Brüder zu erbauen. Gottes Wort hören kann er nicht mehr; denn er ist fast taub, aber um so muthiger singt er mit. Für Kranke und Gesunde ist es beschämend, wenn eine sehr arme Frau trotz großer Gebrechlichkeit einen 2 ständigen Weg zur Bahnstation geht, um vo» dorr den Kirchort zu erreichen. Welch ein Segen eine konfessionelle Schule für eine Gemeinde ist, zeigb ein Beispiel aus einer konfessionslosen Schule der Nachbarschaft von Ober-Dubenky in Mähren In diese gehen ein Dr.ttheil evangelischer Kinter. Der Lehrer ließ Lieder auf die Maria singen und die evangelischen Kinder das Vaterunser 5 Mal hintereinander beten. Als di s der Pfarrer dem BezirkSschulinjpektor klagte, nannte der Lehrer die Kinder Lügner und gab ihnen schlechte Sittenzensuren. Tin Vater nahm sich der Kinder an und erklärt:, die Kinder hätten nickt gelogen. Es wurde verklagt, weil er die Autorität des Lehrers untergraben habe. Nur durch die Vertheidigung des Pfarrers wurde der Vater freizesprochen. Jetzt läßt der Lehrer die Kinder folgende Sätze schreiben: „Die heil. Maria soll angebetet werden, der heil. Wenzl soll angerufen werden." Ein anderer Fall römischer Unduldsamkeit: Ein lutherischer Krämer aus Ober-Dubenky war mit seinem Sohne zum Jahrmärkte an einem an dern Orte. Eine Prozcffion zog über den Platz. Der Vater nahm den Hut ab, der Sohn nicht. Letzterer wurde sofort verhaftet und zu 14 Tagen Gefängniß verurtheilt. Nun nahm sich der Vater des SohnrS au. Dabei soll er sich unziemlich über die römische Kirche ausgesprochen haben. Von den vorgeladenen Zeugen sagte niemand gegen ihn aus, bis auf zwei, welche gegen ihn schworen. Er wurde zu 4 Wochen Kerker verurtheilt. UeberauS traurig sind die Verhältnisse in Zerjecs und Wydrna in Ungarn. Tie Gesqmmtschuld von den Schulen und der Kirche beträgt Aus dem Arbeitsgebiet des evangelisch-lutherischen Gotteskasteus.