Volltext Seite (XML)
Überdenken aller Probleme ist aber dringend erforderlich, und wenn die be stehende Skepsis, geboren aus einer Kritik an der Überbewertung und nicht zu verantwortenden Verallgemeinerung einzelner wirklich hervorragender Forschungsergebnisse, nicht zu Resignation, sondern zur Erhöhung der Freude an der Lösung aller Fragen führt, wird sich laufend eine größere Sicherheit einstellen. Gerade die systematischen Arbeiten der letzten Jahrzehnte haben in dieser Richtung wirkliche Fortschritte gebracht, aber auch in den Gesell schaftswissenschaften geben erst Reihen von Untersuchungen die Möglichkeit zur Aufstellung von allgemeingültigen Ergebnissen und damit von Regeln. Nicht zur Befriedigung des Sensationshungers des außenstehenden Publikums dienen Ausgrabungen und anschließende technische sowie wissenschaftliche Arbeiten, sondern zur Aufstellung und Begründung von Thesen, deren mehr fache Bestätigung als eigentlicher Lohn für alle Mühen vor allem des Wissen schaftlers betrachtet werden sollten. Zu den wichtigsten Forderungen gehören etwa die Notwendigkeit der Aufdeckung und lückenlosen Publikation ge schlossener Gräberfelder, vor allem aber auch von Siedlungen, der Klärung des Verhältnisses der offenen zu den befestigten Siedlungen, also zur Fest legung größerer Siedlungseinheiten — unter Einschluß der gleichzeitigen Gräberfelder — und damit Aufklärung über die gesellschaftliche Situation. Wenn auch mit dem Blick aufs Ganze und unter Berücksichtigung der außer halb der Lausitzer Kultur bestehenden und sich entwickelnden materiellen Fakten, müssen wir doch, ohne die große Linie zu verlassen, daran gehen, systematisch kleinere Gebiete zu bearbeiten und dabei sowohl regional als auch inhaltlich Vollständigkeit anzustreben. Die chronologische Feingliederung wird dabei in allen Fällen gefördert werden und durch Quervergleiche über größere Bereiche dann zu einer Synchronisation geführt werden können. In folge vieler Fremdformen aus dem Verbreitungsraum der Hügelgräberbronze zeit, der Urnenfelder-, Hallstatt- und Latenekultur, aber auch aus den nörd lichen Nachbargebieten sowie durch das Auftreten lausitzischer Typen in nichtlausitzisch besiedelten Bereichen werden Angleichungen möglich, die die Voraussetzung für ein großräumiges Kalendarium bilden. Trotzdem muß man bei Verfolgung einzelner Formen über größere Räume die nötige Vorsicht walten lassen, da Verzögerungsmomente nicht zu übersehen sind und auch in der Frage des zeitlichen Gefälles bei solchen Ausbreitungserscheinungen, wenn nicht die nötige Quellenkritik beachtet wird, grobe Fehler auftreten können. Diese gehen meist von der stillen, aber oft falschen Vorstellung aus, daß das Hauptverbreitungsgebiet mit dem Entstehungsherd identisch sei. Bei aller Notwendigkeit der restlosen Klärung chronologischer Fragen, Formwande- rungen und Beeinflussungen dürfen die am Ende wichtigen Probleme der Lebensumstände der Träger der Lausitzer Kultur nicht hintangestellt werden. Technik, Wirtschaft und Gesellschaft spielen für die Rekonstruktion des